# taz.de -- Medien in Kasachstan: Nur noch Nischen
       
       > Kasachstans Regierung hat wenig Skrupel, freie Medien einzuschränken. Die
       > Protestbewegung hat das offengelegt. Doch so war es nicht immer.
       
 (IMG) Bild: Überbleibsel einer Demonstration: ein ausgebrannter Polizeibus in Almaty am 8. Januar
       
       Als die zentralasiatische [1][Republik Kasachstan] in der ersten
       Januarwoche von tagelangen Massenprotesten erschüttert wurde, hatte
       Präsident Kassim-Schomart Tokajew die Sündenböcke schnell ausgemacht: Nicht
       nur ausländische „Terroristen“ seien am Werk gewesen, sondern auch die
       „sogenannten freien Medien“. Diese hätten zu Gewalt angestiftet, sagte
       Tokajew in einer Fernsehansprache am 7. Januar.
       
       Zu diesem Zeitpunkt hatte die Regierung das Internet bereits mehrmals
       komplett lahmgelegt. Wer sich über die Vorgänge informieren wollte, war vor
       allem auf das staatliche Fernsehen angewiesen. Aber auch zum Thema Netz
       hatte Tokajew seinen Landsleuten noch etwas mitzuteilen: „Ich werde das
       Internet wieder freigeben. Aber das bedeutet nicht, dass die Menschen ihre
       Gedanken, Verleumdungen, Beleidigungen, Hetzreden und Aufrufe frei posten
       können“, lautete die Ansage.
       
       Mittlerweile gibt es zahlreiche Berichte darüber, wie Journalist*innen, die
       über die Proteste zu berichten versucht hatten, Opfer staatlicher
       Repression, aber auch von Angriffen wütender Demonstrant*innen wurden.
       Am 6. Januar geriet ein Kameramann des staatlichen Senders Almaty TV in der
       Wirtschaftsmetropole Almaty unter Beschuss und wurde verletzt. Sein Fahrer
       kam ums Leben. Mehrere Journalist*innen wurden verhört und wegen der
       Teilnahme an gesetzeswidrigen Protesten zu Gefängnisstrafen zwischen einer
       und zwei Wochen verurteilt.
       
       In der vergangenen Woche berichtete das russischsprachige Nachrichtenportal
       Nastojaschee Vremja, dass fünf Personen wegen des versuchten Mordes an
       einem Journalisten in der südkasachischen Stadt Saryaghasch festgenommen
       worden seien. Bei der Schießerei wurde der Sohn des Journalisten verletzt.
       Einer der Beschuldigten ist ein lokaler Beamter, der für die „Erledigung“
       dieses Auftrags 5 Millionen Tenge (umgerechnet 10.100 Euro) gezahlt haben
       soll.
       
       ## Einst war die Lage für Medien besser
       
       Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert unterdessen
       die Freilassung aller Journalist*innen und Aktivist*innen, die in
       Zusammenhang mit den Protesten festgenommen worden waren. Jetzt sei nichts
       wichtiger als ein freier Zugang zu unabhängigen Informationen, volle
       Rechenschaftspflicht für das, was passiert ist, und eine Verpflichtung, die
       Menschenrechte auch in Zukunft zu respektieren, heißt es in einer Erklärung
       der Amnesty-Direktorin für Osteuropa und Zentralasien, Marie Struthers. Ob
       dieser Appell bei Präsident Tokajew auf offene Ohren stößt, darf bezweifelt
       werden.
       
       Einst hatten Medienschaffende in Kasachstan es leichter. Noch in den 1990er
       Jahren zeichnete sich das Regime von Nursultan Nasarbajew durch eine
       relativ liberale Vergabepraxis von Lizenzen für kasachische Medien aus. Ab
       1997 kam es zu immer mehr Kontrolle. Die Vergabe von Lizenzen sowie die
       Registrierung neuer Medien wurde erschwert – genauso wie
       Akkreditierungsauflagen für Journalist*innen. Alternative Medien bekamen
       häufig unangemeldeten Besuch von der Steuerpolizei. Derzeit gibt es über 40
       Vorschriften, die die Arbeit von Medien regulieren. Bei Verstößen droht
       Printprodukten die Schließung, kritische Webseiten werden kurzerhand
       blockiert.
       
       „Alle diese neuen Regelungen waren repressiv, wurden aber als liberale und
       demokratische Reformen verkauft“, zitiert das US-Magazin Foreign Policy
       Lukpan Achmediarow, ehemaliger Chefredakteur von Uralskaja Nedelja, eines
       der letzten unabhängigen Medien in Kasachstan. Der größte Teil der
       Medienlandschaft in Kasachstan sei „eine Propagandamaschine für die
       Regierung“. Diese Beschreibung findet sich auch bei Reporter ohne Grenzen.
       Für das Jahr 2021 führt die Nichtregierungsorganisation Kasachstan auf
       ihrer Rangliste für Pressefreiheit auf Platz 155 von 180.
       
       Doch Journalist*innen suchten sich ihre Nischen und fanden sie auch –
       auf verschiedenen Onlinekanälen wie Youtube, Instagram, Signal und
       Telegram. Vor allem hier werden Probleme thematisiert, über die das Regime
       lieber schweigt.
       
       ## Tokajew weckte Hoffnungen – und enttäuschte
       
       Der Machtantritt von [2][Kassim-Schomart Tokajew] im Jahr 2019 hatte nicht
       zuletzt auch bei Journalist*innen Hoffnungen auf eine politische
       Öffnung des Landes genährt. Doch das sollte sich bald als Trugschluss
       erweisen. Stattdessen versuchte die Regierung, „Umtriebe im Netz“ wieder
       stärker zu kontrollieren. Ein probates Mittel dafür waren unter anderem
       sogenannte Nachahmerprojekte, die auf den ersten Blick oppositionellen
       Seiten zum Verwechseln ähnlich waren, in Wahrheit aber als Sprachrohr der
       Regierung fungierten.
       
       Im vergangenen Herbst verabschiedete das kasachische Parlament ein Gesetz,
       das die Aktivität von Social-Media-Unternehmen weiter eingeschränkt hat.
       Offiziell wurde dieser Schritt damit begründet, dass die Rechte von Kindern
       stärker geschützt werden sollten.
       
       Nun, nach den Januarprotesten, sehen viele Beobachter*innen
       unabhängige Medien, ja die Zivilgesellschaft generell, unter wachsendem
       Druck. „Die Proteste sind beendet, aber das brutale Vorgehen gegen die
       Zivilgesellschaft beginnt gerade erst“, zitiert die britische Organisation
       Index for Censorship Darkhan Scharipow, Aktivist der Bürgerbewegung Oyan,
       Qazaqstan („Wach auf, Kasachstan“). „Jetzt ist es gefährlich“, sagt der.
       „Wir halten die Füße still und warten ab, was kommt.“
       
       25 Jan 2022
       
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 (DIR) Barbara Oertel
       
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