# taz.de -- Repression in Ägypten: Paranoia im Sisi-Staat
       
       > Ägyptens Präsident geht brutal gegen Regime-Kritiker vor. Alaa Abdel
       > Fattah steht stellvertretend für zehntausende Gesinnungshäftlinge.
       
 (IMG) Bild: Für fünf Jahre muss der ägyptische Intellektuelle Alaa Abdel Fattah hinter Gitter
       
       Man möchte sich an die Stirn fassen und dieser Familie zurufen: ‚Lasst es
       doch endlich sein, gebt Ruhe und lebt Euer Leben!‘ Schon der Vater saß
       jahrelang im ägyptischen Gefängnis, die jüngste Tochter sitzt seit 18
       Monaten ein, und am Montag machte der älteste Sohn Schlagzeilen: [1][Alaa
       Abdel Fattah zu fünf Jahren Haft verurteilt.]
       
       Wobei dies missverständlich ist: Alaa Abdel Fattah, einer der klügsten
       Links-Intellektuellen des Landes, kommt nicht erst jetzt ins Gefängnis. Mit
       kurzen Unterbrechungen, während derer er die Nächte teils von 18 bis 6 Uhr
       auf einer Polizeistation in Kairo verbringen musste, ist Ägyptens
       bekanntester Revolutionär seit 2013 in Unfreiheit.
       
       Abdel Fattah und seine Familie hätten schon vor Jahren Ruhe geben können.
       Dann würde der mittlerweile 40-Jährige seinen kleinen Sohn nicht nur von
       Gefängnisbesuchen kennen. Dann wäre alles längst wieder ‚normal‘. Aber
       diese Familie hat entschieden, sich nicht zu beugen. So viel versammeltes
       Rückgrat gibt es kein zweites Mal in Ägypten – und das ist zutiefst
       bewundernswert.
       
       Was hier falsch ist, ist nicht die Standhaftigkeit einiger weniger
       ägyptischer Staatsbürger*innen, sondern die nach der Revolution 2011
       rekonstituierte Militärherrschaft unter Abdel Fattah al-Sisi. Es ist die
       Militärherrschaft, die nach und nach ganze Familien zerstört. Die sich
       gnadenlos in die Körper ihrer Mitglieder frisst.
       
       In einem seiner Werke, die Familie und Freunde gesammelt und im Oktober
       [2][als Buch herausgegeben] haben, spielt Abdel Fattah mit dem Gedanken, ob
       es nicht besser gewesen wäre, ins Exil zu gehen. „Zu meiner Verteidigung
       werde ich sagen, dass ich mich geweigert habe, mich in meinem Land
       demütigen zu lassen“, resümiert er. „Ich habe meine Fahne nie gesenkt.“
       
       Nach dem Urteil vom Montag bleibt zu hoffen, dass wenigstens [3][Abdel
       Fattahs jüngere Schwester Sanaa Seif] frei kommt, wenn in den kommenden
       Tagen ihre Haftstrafe endlich abläuft. Und daran zu erinnern, dass diese
       prominente Familie nur die Spitze der Pyramide ist: In Ägyptens Knästen
       sitzen mehrere zehntausend politische Gefangene, werden gefoltert und
       systematisch gedemütigt, wie in Abdel Fattahs Buch zu erfahren ist.
       
       Mit ihm verurteilt wurden am Montag sein Anwalt Muhammad Baqer und der
       Blogger Mohamed Ibrahim. Die meisten Gesinnungsgefangenen aber dürften
       weder Linke noch Menschenrechtsverteidiger sein, sondern [4][Regimegegner
       mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft]. Dissens, egal aus welcher Ecke,
       gefährdet das Sisi-Regime, Paranoia ist der Stoff, aus dem der Sisi-Staat
       gemacht ist.
       
       „Die hohen Zahlen“, schreibt Abdel Fattah über die Gefangenen, „zeigen an,
       dass es nicht allein um Repression geht, sondern zuvorderst um die
       Auslöschung der islamistischen Bewegung, und dann jeder Form von
       Opposition.“ Inwieweit sich jeder einzelne der anonymen Masse der
       ägyptischen Gefangenen tatsächlich schuldig gemacht hat, werden wir unter
       dieser Diktatur nie erfahren. Ägyptens Justiz – das beweist das jüngste
       Urteil erneut – ist nichts als eine lächerliche Ausführungsgehilfin von
       Diktator Sisi.
       
       21 Dec 2021
       
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 (DIR) [3] /Aktivistin-Sanaa-Seif-in-Aegypten/!5696916
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
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