# taz.de -- Kampf gegen die Coronapandemie: Führende Linke für Impfpflicht
       
       > Eine verpflichtende Impfung als Ultima Ratio – dafür plädiert nun
       > Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow. Am Dienstag diskutiert der
       > Parteivorstand.
       
 (IMG) Bild: Spricht sich für eine Impfpflicht als letztes Mittel aus: Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow
       
       Berlin/Leipzig taz | Hartes Pflaster für den [1][Leipziger
       Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann]. Der Linksparteiler steht am Freitag
       im zugigen Ostwind in seinem Wahlkreis im Leipziger Süden vor einem
       Supermarkt und spricht mit einer älteren Frau. Sie hat ihre Maske
       abgenommen, ist ungeimpft und unzufrieden mit der Politik. Man wisse ja
       viel zu wenig über die Wirkungen der Impfstoffe, der Bekannte eines
       Bekannten sei daran gestorben, und überhaupt: „Mich bei der Kälte drei
       Stunden am Impfzentrum anzustellen, das machen meine Beine nicht mit.“
       
       In diesem Punkt gibt ihr Pellmann recht. Die Impfkampagne in Sachsen sei
       schlecht organisiert, er habe schon mit 80-Jährigen gesprochen, die drei
       Stunden für ihre Booster-Impfung anstanden, um dann zu erfahren, der
       Impfstoff sei alle. Deshalb müsse jetzt alles getan werden, damit mehr
       Menschen geimpft werden. Sachsen hat bundesweit die niedrigste Impfquote
       und die höchste Inzidenz.
       
       Auch Pellmanns Partei, die Linke, will ihre Position zum Thema Impfen
       nachschärfen. Bislang gibt es keine abgestimmte Position, allerdings werben
       führende Politiker:innen für's Impfen, sprachen sich aber bislang
       gegen eine allgemeine Impfpflicht aus. Die [2][ehemalige
       Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht], selbst bislang ungeimpft, ist
       sogar offen skeptisch gegenüber Impfungen und sorgt damit regelmäßig für
       Zoff innerhalb der Partei.
       
       Nun vollziehen Spitzenpolitiker:innen eine Wende. So sprechen sich
       die Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, die Thüringer
       Gesundheitsministerin Heike Werner, der Chef der Staatskanzlei Benjamin
       Hoff und der Berliner Staatssekretär Alexander Fischer für eine Impfpflicht
       als „Ultima Ratio“ aus. Am Dienstagabend trifft sich der Parteivorstand, um
       sich zur aktuellen Corona-Situation und zu notwendigen Maßnahmen
       auszutauschen.
       
       ## Für eine Impfpflicht, die kein Impfzwang ist
       
       In einem am Wochenende veröffentlichten [3][Beitrag für die parteinahe
       Rosa-Luxemburg-Stiftung] argumentieren Hennig-Wellsow und Co., eine
       allgemeine Impfpflicht sei „wohl eine unumgängliche Ultima Ratio zur
       Bewältigung des Pandemiegeschehens“. Als Plädoyer für Zwangsimpfungen
       wollen die Autor:innen ihren Vorschlag jedoch nicht verstanden wissen,
       sondern als „sanktionsbewehrtes Instrument“. Als Sanktionen kämen etwa
       Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Bereichen oder Geldbußen in Frage.
       
       Politiker:innen der Linkspartei haben sich zuvor mehrfach gegen eine
       Impfpflicht für die Allgemeinheit oder bestimmte Berufe, etwa für
       Pfleger:innen oder Erzieher:innen, ausgesprochen. Stattdessen schlugen
       führende Politiker:innen der Bundestagsfraktion, etwa der
       Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch oder der Finanzpolitiker Christian
       Görke, einen Bonus von 300 Euro vor, um Ungeimpfte zu motivieren, sich
       impfen zu lassen.
       
       Hennig-Wellsow und die drei anderen Autor:innen sind skeptisch. Eine
       Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sei unzureichend und nicht
       ausreichend gerecht. Ein Impfbonus, der schätzungsweise 37,5 Milliarden
       Euro kosten würde, könnte wiederum zu Fehlanreizen führen. „Es stellt sich
       die Frage, inwieweit ein solches Bonus-System diejenigen bevorteilt, die
       bislang eine Impfung als nachrangig angesehen haben“, schreiben sie.
       
       Eine Impfpflicht entbinde jedoch nicht von der Aufklärungen, mahnen die
       Befürworter:innen. Sie regen außerdem an, zunächst zu prüfen, ob die
       Bereitschaft zum Impfen durch „zielgruppenspezifische Impfanstrengungen“
       gesteigert werden könne, und schlagen weitere Maßnahmen, etwa die
       automatische Zusendung von Impfterminen oder eine verpflichtende Beratung,
       vor. Ob diese Zeit bleibt, ist allerdings in der aktuellen Lage fraglich.
       
       ## Wachsender Unmut über Wagenknecht
       
       Die Debatte um eine Impfpflicht dürfte die Spannungen in der Linkspartei
       zwischen den Befürworter:innen und Skeptiker:innen verschärfen. In
       der vergangenen Woche hatte [4][Wagenknecht in einem Interview mit der
       Augsburger Allgemeinen] erneut behauptet: „Junge Leute zur Impfung zu
       zwingen, entlastet unser Gesundheitssystem kein bisschen.“ Außerdem seien
       viel weniger Coronapatienten im Krankenhaus und auf den Intensivstationen
       als im letzten Winter.
       
       Das Robert-Koch-Institut stellt in seinem Wochenbericht das Gegenteil fest:
       4.070 Menschen mit Covid-19 würden laut Datenstand vom 24. November auf den
       Intensivstationen behandelt. Dieser Wert sei höher als im gleichen Zeitraum
       des letzten Jahres. Die Mehrzahl der Menschen auf den Intensivstationen ist
       ungeimpft. Das RKI rät dringend dazu, sich impfen zu lassen.
       
       In der Linkspartei sinkt die Geduld mit Wagenknecht. Einige Genoss:innen
       fordern sie mittlerweile offen auf, die Partei zu verlassen. Auch Pellmann,
       der eigentlich einen guten Draht zu ihr hat, hat wenig Verständnis für die
       permanent vorgetragene Impfskepsis. Er befürwortet es daher, dass sich der
       Parteivorstand zum Thema positioniere. „Bestimmte Dinge müssen mal gerade
       gezogen werden, sonst versteht man in der Öffentlichkeit nicht mehr, welche
       Position wir eigentlich verteten“.
       
       Eine allgemeine Impfpflicht hält Pellmann jedoch für rechtlich schwierig.
       Eine berufsbezogene Pflicht würde er sich wünschen, vor allem für Menschen,
       die in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und mit Kindern arbeiteten.
       „Gerade die Kinder können sich nicht schützen. Wenn Erzieherinnen nicht
       geimpft sind, tragen sie das Virus in die Familien.“ Er kennt Fälle im
       Bekanntenkreis, in denen ein Viertel der Kitaerzieherinnen ungeimpft sei.
       
       Die Frau, mit der Pellmann gut 30 Minuten geredet hat, wird sich wohl nicht
       impfen lassen. Davon ist Pellmann überzeugt: Er kenne sie, hat sich schon
       im Sommer mit ihr unterhalten und auch damals sei der Bekannte des
       Bekannten schon an der Impfung gestorben. „Manche Leute überzeugt man
       nicht.“
       
       Eine Impfpflicht könnte das möglicherweise ändern.
       
       28 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Linkspartei-in-der-Krise/!5805756
 (DIR) [2] /Wagenknechts-Impfskepsis/!5809058
 (DIR) [3] https://www.rosalux.de/publikation/id/45440/notwendige-ultima-ratio-impfpflicht?cHash=4e47ded6faa1e713af19cbeb535cc83c
 (DIR) [4] https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Interview-Impfskeptikerin-Sahra-Wagenknecht-erklaert-ihre-Sicht-auf-Corona-id61061491.html?utm_campaign=Sahra%20Wagenknecht&utm_medium=email&utm_source=Revue%20newsletter
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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