# taz.de -- Berliner Bildhauerin Susanne Specht: Spiel von Logik und Freiheit
       
       > Lange hat sie Steine bearbeitet, dann entdeckte Susanne Specht neue
       > Techniken: Eine Ausstellung der Berliner Bildhauerin in der Zitadelle
       > Spandau.
       
 (IMG) Bild: Susanne Specht, „Curva Cube“ aus Beton, Installationsansicht im ZAK
       
       Zwanzig Jahre lang Arbeit in Steinbrüchen. Mäzene suchen, an
       Bildhauersymposien teilnehmen, sich für Aufträge im öffentlichen Raum
       bewerben. Das liegt jetzt hinter ihr. Die Bildhauerin Susanne Specht lacht,
       als sie sich zu Beginn einer Führung durch ihre Ausstellung „ab ovo oder
       eine Geschichte von Anfang an“ im [1][Zentrum für Aktuelle Kunst (ZAK) in
       der Zitadelle Spandau] an diese Zeit erinnerte. Stein war ein Material, vor
       dem ihr Respekt in den langen Jahren der Arbeit mit ihm wuchs, dem sie
       zunehmend weniger ihren Stempel aufdrücken wollte. Aber schon bei der
       Arbeit am Stein interessierte sie das Verhältnis von innen und außen, sie
       wollte Fenster in sein Inneres bauen.
       
       In Berlin, am Tiergartendreieck, liegen und stehen drei Skulpturen von ihr
       am Ufer des Landwehrkanals, vor mehr als zwanzig Jahren entstanden. Sie
       beziehen sich auf landschaftliche Formen, auf Wasserläufe, die die
       Oberfläche der Erde verändern. Unter dem Titel „Flussstationen“ sind in die
       raue, brüchige Oberfläche zweier großer Granitplatten schmale, gewellte
       Bänder eingeschliffen, wie der Lauf eines Flusses. Sie offenbaren die
       Farbigkeit des Gesteins, die mit dem Schliff sichtbar wird. Sein
       Erdzeitalter.
       
       Schon während ihrer Arbeit mit Granit, Travertin oder Marmor beschäftigte
       die Bildhauerin das Verhältnis zum Raum und zur Architektur. Sie wollte mit
       den Elementen bauen, Verhältnisse zueinander gestalten, ausprobieren und
       variieren. So begann sie mit Beton zu arbeiten, zuerst rot mit gefärbten
       Kuben und Kreissegmenten. In den 2000er Jahren entwickelte sie daraus
       Module in unterschiedlichen Größen, die zusammengesetzt zu den
       unterschiedlichsten Varianten führen könnten.
       
       ## Spiegelblanke Ovale, Abfall der Steinindustrie
       
       Im ZAK sieht man, wie Kubus und Kreissegment sich immer wieder neu
       aneinanderfügen, als kleine Elemente Zeichenhaufen bilden, die an Schrift
       und Ornamente denken lassen. In größeren Formen erinnern sie an
       Architekturmodelle, trennen wellenförmig wie in „Curva Cube“ (von 2008) das
       Innen vom Außen wie eine alte Stadtmauer mit Türmen, oder bilden
       ineinandergefügte Blöcke, die stets von der Möglichkeit erzählen, das Spiel
       vom Offenen und Geschlossenen auch anders ausgestalten zu können.
       
       Das ZAK in der Zitadelle Spandau bietet mit seinen großen Räumen die in
       Berlin seltene Möglichkeit, auch größere Werkgruppen auszubreiten. So
       liegen in einem Raum viele Ovale aus afrikanischem Granit auf dem Boden,
       oder stapeln sich zu Türmen.
       
       Diese Installationen entstanden 2008 aus Abfallprodukten der
       Steinindustrie: Die Ovale, schon spiegelblank geschliffen, blieben übrig,
       wenn die Granitplatten zu Waschtischen verarbeitet wurden – was Susanne
       Specht nutzen konnte, war sozusagen übriggeblieben bei der Ausstattung
       eines Hotels. Zum einen berührte sie der luxuriöse, oder auch
       verschwenderische Umgang mit dem Granit, einer endlichen Ressource, zum
       anderen fand sie auch in diesen Negativformen – der ausgefrästen Öffnung
       für die Waschbecken – den Gedanken modularer Formen wieder.
       
       ## Das Geschenk der Lehre
       
       Susanne Specht, 1958 geboren, hat an der Hochschule der Künste in Berlin
       studiert. 2008 bekam sie eine Professur für Gestaltungslehre an der
       Hochschule Niederrhein in Krefeld, die ihr, die seitdem zwischen Berlin und
       Krefeld pendelt, technisch neue Möglichkeiten eröffnete. Das sei ein
       Geschenk, das betont sie bei dem Weg durch ihre Ausstellung immer wieder.
       Der Umgang mit dem 3-D-Drucker, Schneiden mit Lasertechnik, die Arbeit mit
       verschiedenen Kunststoffen, die Zusammenarbeit mit interessierten
       Technikern: Sie hat das alles als eine Bereicherung erlebt.
       
       Man erkennt das an vielen Objekten der Ausstellung: An ornamentalen
       Strukturen aus grünem transparenten Plexiglas, die frei hängend mit Licht
       und Schatten spielen; an weichen, sich faltenden Gebilden aus
       Zellkautschuk, die etwas von Kleider- und Körperfragmenten haben; an langen
       Papierbahnen, in die durchscheinende, fragile Zeichnungen mit dem Laser
       hineingebrannt sind. Auf unterschiedliche Weise sprechen diese Objekte die
       Sinne der Wahrnehmung an, mal durch ihre Transparenz, mal durch
       gegenständliche Assoziationen, mal durch eine taktile und organische
       Anmutung.
       
       Das Verblüffende aber ist: Dass in den meisten von ihnen Susanne Specht die
       Arbeit mit ihren formalen Modulen, gewonnen aus Kubus und Kreis,
       fortgesetzt hat. Daher passt auch der Titel der Ausstellung, „ab ovo oder
       eine Geschichte von Anfang an“.
       
       In diesem Ausloten von Werkstoffen und Techniken steckt viel Freiheit, die
       aber nichts beliebiges hat. Das Werk von Susanne Specht folgt einer inneren
       Logik und ist doch zugleich frei, sich auf die verschiedenen Gegebenheiten
       und Eigenschaften einzulassen.
       
       10 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Bettina Müller
       
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