# taz.de -- Urteil im Prozess in Ruanda erwartet: Vom Filmhelden zum Terroristen
       
       > Paul Rusesabagina droht wegen Mordes und Terrorfinanzierung lebenslange
       > Haft. Einst inspirierte er Hollywood zum Film „Hotel Ruanda“.
       
 (IMG) Bild: Rusesabagina im Gespräch mit einem seiner Anwälte bei einer Anhörung im Juni 2021 in Kigali, Ruanda
       
       Brüssel taz | Seine Unterstützer im Ausland stellen ihn als verfolgten
       Oppositionellen dar, für Ruandas Staat ist er ein Drahtzieher des Terrors.
       Am 20. September soll in Ruandas Hauptstadt Kigali das Urteil im Prozess
       gegen Paul Rusesabagina fallen, ehemaliger [1][Direktor des Hotels „Mille
       Collines“ in Kigali], wo während des [2][ruandischen Völkermords 1994]
       verfolgte Tutsi Zuflucht fanden – eine Geschichte, die im Hollywood-Film
       „Hotel Ruanda“ verfilmt wurde, was allerdings manche
       Völkermordüberlebende später als geschönte Fiktion bezeichneten.
       
       Später wurde Rusesabagina ein führender Exiloppositioneller gegen Ruandas
       Tutsi-Präsident Paul Kagame. Rusesabagina wurde im August 2020 nach Ruanda
       verschleppt und verhaftet und steht seit Februar dieses Jahres zusammen mit
       18 weiteren Angeklagten in Kigali vor Gericht.
       
       Sie alle sind angeklagt der Zugehörigkeit zur Gruppe FLN (Front de
       libération national), bewaffneter Arm der von Rusesabagina gegründeten
       Oppositionskoalition MRCD (Mouvement rwandais pour le changement
       démocratique). Die FLN hat bei Angriffen in Ruanda in den Jahren 2018 und
       2019 neun Menschen getötet.
       
       Rusesabagina muss mit lebenslanger Haft in 13 Anklagepunkten im
       Zusammenhang mit „Terrorismus“ rechnen, darunter Mord und
       Terrorfinanzierung. Er hat vor Gericht zugegeben, die [3][FLN und MRCD
       gegründet zu haben], aber seine Rolle minimiert: „Wir haben die FLN als
       bewaffneten Arm gegründet, nicht als Terrorgruppe“, sagte er. „Ich
       bestreite nicht, dass die FLN Verbrechen begangen hat, aber meine Rolle in
       der Bewegung war die Diplomatie.“
       
       ## Zusammenarbeit zwischen Ruanda und Belgien
       
       Die Beweismittel sprechen eine andere Sprache. In einem Video von Dezember
       2019 verteidigt Rusesabagina den bewaffneten Kampf. Laut Anklage hat er
       auch in seiner Vernehmung zugegeben, der FLN über 20.000 Euro geschickt zu
       haben.
       
       Vor Gericht wurden Whatsapp-Nachrichten vorgelegt, wonach Rusesabagina in
       Belgien in Echtzeit über militärische Aktivitäten der FLN informiert war
       und im engen Austausch mit General Wilson Irategeka stand – ein ehemaliger
       leitender Kommandeur der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR
       (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Rusesabagina, Irategeka und
       ein weiterer ruandischer Exilpolitiker, Callixte Nsabimana, hatten die MCRD
       2017 gemeinsam aus der Taufe gehoben.
       
       Laut der ruandischen Anklage gegen Rusesabagina, die der taz vorliegt,
       diente die Gründung Rusesabagina dazu, „eine Armee zu haben“ – nämlich den
       Teil der FDLR, den Irategeka mitnahm, als er 2016 mit der Miliz brach. Ab
       2018 hieß diese Armee FLN, als bewaffneter Flügel der MCRD, mit Basen im
       Kongo und später in Burundi, so die Anklageschrift: „Die FLN erhielt
       Ausrüstung und rekrutierte Kämpfer in ruandischen Flüchtlingslagern unter
       anderen in Kongo, Burundi und Uganda.“
       
       Mehrere ehemalige FLN-Kämpfer sagten im Prozess aus. Wichtige Beweismittel
       gegen Rusesabagna basieren allerdings auf Zusammenarbeit zwischen den
       Justizbehörden Ruandas und Belgiens, dessen Staatsbürgerschaft Rusesabagina
       hält und wo er lange lebte.
       
       Belgische Ermittler übermittelten Beweise für Rusesabaginas Finanzierung
       der bewaffneten Aktivitäten der FNL nach Ruanda. Ein belgisches
       Polizeidokument von September 2019 an den zuständigen belgischen
       Ermittlungsrichter unterstreicht, dass gegen Personen ermittelt werde, die
       wissentlich an Aktivitäten einer terroristischen Organisation beteiligt
       waren. Ruandas Behörden hatten Terrorangriffe der FLN in Ruanda im November
       2018 in einem Schreiben an die belgischen Behörden aufgelistet. Die
       belgischen Ermittler befragten daraufhin Rusesabagina, durchsuchten sein
       Haus und stellten ihre Erkenntnisse Ruanda zur Verfügung.
       
       ## Aufklärung terroristischer Taten
       
       Dank der belgischen Rechtshilfe verfügt Ruandas Justiz nun über zahlreiche
       Belege, wonach Angehörige von Rusesabaginas Organisation sich als
       Mitglieder einer bewaffneten Gruppe bezeichneten und Geld von Belgien aus
       überwiesen. Es gab Überweisungen per Western Union im Jahr 2018 unter
       anderem an MRCD-Schatzmeister Eric Munyemana. Der leitete Geld weiter an
       General Irageteka. Weitere Überweisungen gingen von einem Christian Baloka
       an einen anderen ehemaligen FDLR-Kader, Jean de Dieu Sikubwabo in Burundi.
       
       Diese Personen tauchen auch in den ruandischen Polizeiverhören des
       prominentesten Kronzeugen gegen Rusesabagina auf: Callixte Nsabimana alias
       Sankara, ehemals zweiter Vizepräsident der MRCD, Sprecher der FLN und
       Leiter ihrer Untergruppe MRR (Mouvement récolutionnaire rwandais), der im
       April 2019 in Ruanda verhaftet wurde und jetzt gegen Rusesabagina ausgesagt
       hat.
       
       Quellen aus Ruandas Präsidentschaft betonen, dass es sich beim Prozess
       gegen Rusesabagina nicht um die persönliche Verfolgung eines politischen
       Oppositionellen handele, wie es dessen Familie glauben machen wolle. Es
       gehe um die Aufklärung der Taten einer terroristischen bewaffneten Gruppe,
       wobei Ermittler aus Ruanda, Belgien und den USA zusammenarbeiteten.
       Rusesabagina, so die Ankläger, „gab der FLN persönlich Geld, warb für sie
       und organisierte ihre Finanzierung“.
       
       20 Sep 2021
       
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