# taz.de -- Marokkos Rolle im Pegasus-Skandal: Auf der Suche nach den Schnüfflern
       
       > In Frankreich hat sich die Affäre um die Spähsoftware zur diplomatischen
       > Krise entwickelt. Auch Medienhäuser haben viele Fragen.
       
 (IMG) Bild: Der Chefredakteur von Mediapart, Edwy Plenel
       
       Paris taz | Auf der Liste von rund 50.000 Mobiltelefonen, die mittels der
       Spionage-Software Pegasus belauscht und manipuliert worden sein sollen,
       steht auch eine Nummer des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron.
       Die internationalen Spähaktionen mit Hilfe der berüchtigten Spyware der
       israelischen Firma NSO sind in Frankreich damit zu einer Staatsaffäre
       geworden, in deren Zentrum der marokkanische Nachrichtendienst steht.
       
       [1][Dieser soll sich mit Hilfe von Pegasus auch für die Handys des früheren
       Premierministers Edouard Philippe und vierzehn weiteren amtierenden und
       ehemaligen Regierungsmitgliedern interessiert haben], wie die Zeitung Le
       Monde und die Gruppe „Forbidden Stories“ am Dienstag unter Berufung auf
       Informationen von Amnesty International berichteten.
       
       Das französische Staatspräsidium reagierte sofort und erklärte, die
       Informationen seien „extrem schockierend und gravierend, falls sie wahr
       sind“. Regierungssprecher Gabriel Attal versicherte, die Medienberichte,
       deren Angaben noch als „Hypothese“ zu behandeln seien, würden geprüft.
       
       Pegasus soll in der Lage sein, bei infizierten Mobiltelefonen
       verschlüsselte Kommunikation, Kontakte und gespeicherten Daten zu kapern.
       Außerdem soll es auch Mikrofon und Kamera aktivieren können, ohne dass dies
       den Benutzern auffällt. Ob dies im Fall von Macron funktioniert hat, war
       zunächst noch unklar.
       
       ## Wurde auch der König Marokkos betroffen?
       
       Marokko dementiert, zu den Kund:innen der Firma NSO zu gehören. Das
       Königreich weist es auch von sich, französische Politiker oder Medienleute
       wie den Chefredakteur des Online-Magazins Mediapart, Edwy Plenel, und
       dessen Kollegin Lenaïg Bredoux ausspioniert zu haben.
       
       Plenel sagt, Bredoux habe insbesondere zu sexueller Gewalt, aber auch zu
       einem marokkanischen Geheimdienstchef recherchiert. Deshalb sei sein Handy
       bei einem Besuch in Marokko kontaminiert worden, wo er sich 2019 mit den
       Hirak-Demonstrationen in Algerien solidarisierte.
       
       Die Neugier der marokkanischen Schnüffler:innen scheint groß. Nach
       Medienberichten soll auch der marokkanische König Mohammed VI. auf der
       Liste potenzieller Ziele stehen. In Frankreich standen nach Angaben von Le
       Monde neben Regierungsmitgliedern auch Vertreter:innen von
       Oppositionsparteien oder der Trotzkist Olivier Besancenot auf der Liste der
       Pegasus-Opfer eines marokkanischen Kunden.
       
       Der Strategieexperte François Heisbourg sagte am Dienstagabend, der
       marokkanische Botschafter werde nun sicher zu einem formellen Protest ins
       Außenministerium zitiert, dann würden vielleicht ein paar Diplomaten
       ausgewiesen, aber damit habe es sich dann wohl, weiter eskaliere die Sache
       kaum.
       
       Denn letztlich ist der Skandal eine logische Konsequenz der staatlichen
       Kooperation im Bereich des Kampfs gegen den Terrorismus, in dem für die
       Behörden und Technologieunternehmen der höhere Zweck sämtliche Mittel,
       inklusive Missbräuche, heiligt.
       
       Vielleicht ist in Frankreich außer den betroffenen Medien und
       Politiker:innen niemand wirklich überrascht oder gar aufrichtig empört
       über den Pegasus-Skandal. Längst ist bekannt, dass sich auch Frankreichs
       Polizei- und Nachrichtendienste mit dem Argument der Verbrechens- oder
       Terrorbekämpfung mittels neuester Technologien geheime Informationen
       beschaffen. Ob dazu auch Pegasus oder nur vergleichbare Spionagemittel
       gehören, bleibt vorerst ein Amtsgeheimnis.
       
       Bekannt ist spätestens dank von Wikileaks enthüllten Dokumenten, dass 2011
       zur Zeit von Präsident Nicolas Sarkozy selbst ein Diktator wie der libysche
       Oberst Muammar Gaddafi die französische Spionagetechnologie „Amesys“ zur
       Verfügung hatte, um politische Gegner und störende Journalisten zu
       überwachen. Und wenig später lieferte die französische Firma Nexa der
       ägyptischen Militärdiktatur eine andere Technologie zur Überwachung von
       Gegnern, ohne dass dies laute Proteste auslöste. Denn der Export solcher
       „militärischer“ Technologien, die auch gegen die zivile Gesellschaft
       eingesetzt werden können, wird international in sehr ungenügender Weise
       kontrolliert.
       
       ## Eine Strafklage könnte Gewissheit bringen
       
       Die Konsequenz: „Der ganze Bereich der digitalen Überwachung ist so wenig
       reguliert, dass die Verletzung der Menschenrechte und Missbräuche
       höchstwahrscheinlich werden“, meint in der Zeitung Libération Katia Roux
       von Amnesty International. Zwar existiert seit 1995 die von 42 Staaten
       unterzeichnete multilaterale Vereinbarung von Wassenaar in den
       Niederlanden, mit der ansatzweise Regeln für die Lieferung von Technologien
       mit doppelter Verwendung (militärisch und zivil) wie beispielsweise
       Spionagesoftware definiert wurden. Dieses „Arrangement“ von Wassenaar wurde
       aber bezeichnenderweise nicht von Israel angenommen, wo die Firma NSO ihren
       Sitz hat.
       
       Mediapart möchte im Fall Pegasus mit einer Strafklage erreichen, dass die
       französischen Behörden die Spur der Abhöraffäre bis zu den Auftraggebern
       verfolgen. Auch die Wochenzeitung Le Canard enchaìné hat – und erst zum
       zweiten Mal in ihrer langen Geschichte – eine Klage gegen Unbekannt
       eingereicht, weil eine Ex-Mitarbeiterin via Pegasus bespitzelt wurde.
       
       21 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.lemonde.fr/projet-pegasus/article/2021/07/20/projet-pegasus-un-telephone-portable-d-emmanuel-macron-dans-le-viseur-du-maroc_6088950_6088648.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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