# taz.de -- Die Krise der Union: Aufstand vertagt
       
       > Armin Laschet ist Kanzlerkandidat. An der CDU-Basis macht das viele
       > wütend. Doch eine Revolte dürfte ausbleiben.
       
 (IMG) Bild: Kandidat (neu) vor Kanzler (alt): Kann Armin Laschet trotz Spaltung der Union Kanzler werden?
       
       An dem Tag, [1][als Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union wird], ist
       Guido Heuer sauer. Heuer, 54, ist Abgeordneter der CDU im Magdeburger
       Landtag, bei der Landtagswahl am 6. Juni will er erneut das Direktmandat in
       seinem Wahlkreis nordöstlich von Magdeburg holen. Leicht wird das nicht,
       die AfD sitzt der CDU im Nacken. Nicht nur in der Börde, sondern im ganzen
       Bundesland.
       
       Heuer glaubt nicht, dass sein Parteichef in diesem Kampf hilfreich ist. Im
       Gegenteil. „Die Wahl ist eine Katastrophe“, [2][twittert er]. Und: „Bin
       sprachlos, wie ein Bundesvorstand gegen die Stimmung der Bevölkerung eine
       solche Entscheidung treffen kann. Abstimmung der Kreisvorsitzenden ist
       erforderlich!“ Das kann man wohl als Aufforderung zum Aufruhr gegen den
       eigenen Bundesvorstand werten.
       
       Auch gut 400 Kilometer südwestlich von Magdeburg ist die Stimmung schlecht.
       „Das Feuer brennt“, sagt Matthias Lammert, Vorsitzender des
       Rhein-Lahn-Kreises, der für die CDU im rheinland-pfälzischen Landtag sitzt,
       über die Stimmung an der Basis gegenüber der FAZ. Es gebe bereits die
       ersten Austritte. Schwierig werde es, „alles wieder auf die Schiene zu
       bringen“.
       
       Und von der Schiene gerutscht ist einiges. Kurz vor der entscheidenden
       Sitzung des Bundesvorstands am Montagabend hatten die rheinland-pfälzischen
       Kreisvorsitzenden intern für CSU-Chef Markus Söder votiert. Die
       Parteispitze aber sprach sich für Laschet aus, mit der Stimme der
       Landesvorsitzenden Julia Klöckner. Seitdem hängt im Landesverband der
       Haussegen schief. „Es ist zurzeit viel los“, sagt einer der
       Kreisvorsitzenden, „die sind noch auf dem Baum“, berichtet ein anderer.
       Namentlich genannt werden wollen sie beide nicht.
       
       ## CDU gegen CSU, CDU gegen CDU
       
       Besonders aufgebracht ist die Parteibasis in den drei rheinhessischen
       Landkreisen, in denen Anfang April die Stimmung abgefragt worden war. Bei
       reger Beteiligung hatten sich zwischen Bingen, Mainz, Alzey und Worms um
       die 80 Prozent der CDU-Mitglieder für Markus Söder als Kanzlerkandidaten
       ausgesprochen. „Die fühlen sich jetzt natürlich vor den Kopf gestoßen“,
       sagt Kreisgeschäftsführer Andreas Blum. Bis Donnerstag gab es bereits 16
       Parteiaustritte. Droht also noch ein Aufstand der Basis gegen die
       Parteispitze? Fest steht: Die vergangenen zwei Wochen, in denen Laschet und
       Söder intern um die Kanzlerkandidatur rangen, haben nicht nur die Union aus
       CDU und CSU erneut an ihre Grenze gebracht. CDU gegen CDU, das war [3][die
       noch schlimmere Kampflinie].
       
       Laschet musste dabei schwer einstecken. In der Bundestagsfraktion am
       Dienstag vor zwei Wochen und auch in der entscheidenden [4][Sitzung des
       Bundesvorstands] am vergangenen Montag. Mit Laschet werde man die
       Bundestagswahl verlieren, hieß es dazu an der Basis, aber auch von einigen
       Ministerpräsidenten. Doch Laschet blieb stehen, und Söder auch. Zwei
       CDU-Granden stärkten dem Aachener dabei den Rücken: Parteivize Volker
       Bouffier, der auch hessischer Ministerpräsident ist, und
       Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.
       
       Die beiden waren auch bei einem Treffen am späten Sonntagabend im Bundestag
       dabei, das möglicherweise das entscheidende war. Denn dort machten, nach
       allem, was bislang bekannt ist, Laschet und Schäuble dem CSU-Chef Söder
       klar: Komme, was wolle, die Unterstützung der CDU bekomme er nicht. Denn
       aus ihrer Sicht ging es in dem Zweikampf um weit mehr als eine Personalie:
       Auf dem Spiel stand die Zerstörung der CDU als Volkspartei im klassischen
       Sinn, ihre Unterwerfung unter Umfragewerte und den Populismus des
       CSU-Chefs. Aus Sicht der Parteigranden war Söders Gleichsetzung der
       CDU-Gremien mit Hinterzimmern ein Angriff auf die repräsentative
       Demokratie.
       
       ## Erst mal Schadensbegrenzung
       
       Wie verführerisch dies ist, hatte zu diesem Zeitpunkt Reiner Haseloff, der
       CDU-Regierungschef in Sachsen-Anhalt, deutlich gemacht, der als Erster aus
       der Spitze der großen Schwesterpartei zu Söder übergelaufen war. Jetzt
       zählten nur noch Umfragewerte, hatte Haseloff gesagt, Vertrauen zu dem
       Kandidaten und dessen Charaktereigenschaften seien unerheblich.
       
       Weil die Zeit für Söder spielte, setzte Laschet in der
       Bundesvorstandssitzung am Montagabend, nach fast sechsstündiger
       kontroverser Debatte, mit aller Macht eine Abstimmung durch. 31
       Vorstandmitglieder stimmten für ihn, 9 für den CSU-Chef, 6 enthielten sich.
       Ein klarer Sieg. Doch gewonnen hat Laschet noch lange nicht. Bouffier sagte
       es in der Sitzung so: „Das, was wir machen, entspricht nicht der
       Erwartungshaltung vieler. Die müssen wir alle einsammeln.“ Immerhin: Am
       Mittag nach dem CDU-Votum räumt Söder das Feld, in der Sitzung der
       Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag bleibt es ruhig. Das Einsammeln
       kann also beginnen.
       
       Am Mittwochabend schalten sich die rheinland-pfälzischen
       CDU-Kreisvorsitzenden bereits zum zweiten Mal binnen drei Tagen zusammen.
       „Es ging um Schadensbegrenzung“, sagt einer aus der Runde. Zunächst sei es
       heftig zur Sache gegangen, nach ausführlicher Debatte habe es gegenseitiges
       Verständnis gegeben, am Ende sei Friede eingekehrt. Offiziell gilt
       Vertraulichkeit.
       
       ## Zähneknirschen ist normal
       
       Auch in Sachsen-Anhalt scheint die Wut etwas abgekühlt zu sein. Bei
       Nachfragen relativiert sich der Eindruck, der gesamte CDU-Landesverband
       bestehe nur aus enttäuschten Söder-Fans. Das alles sei „selbst gemachtes
       Leid“, klagt Regionalgeschäftsführer Michel Földi vom Börde-Kreisverband,
       zu dem auch der Landtagsabgeordnete Guido Heuer gehört. Földi ist
       gebürtiger Dresdner, hörbar ein Sachse, und er klingt auch fern seiner
       Heimat wie ein bodenständiger Pragmatiker. „Nun ist es so, wie es ist“,
       sagt Földi, „wir werden uns nicht querstellen.“
       
       Das sei nicht nur seine Meinung, das habe auch eine Videokonferenz mit den
       Ortsverbänden im weit ausgedehnten Kreis am Mittwochabend gezeigt. Földi
       betont auch, was für die meisten Kreisverbände in Sachsen-Anhalt gilt:
       Ursprünglich war weder Laschet noch Söder der Favorit, [5][sondern
       Friedrich Merz]. Der hat unterdessen erklärt, er werde die Sachsen-Anhalter
       im Landtagswahlkampf unterstützen. Der Bundestagsabgeordnete und
       Vorsitzende im Burgenlandkreis, Dieter Stier, begrüßt das sehr. „Er hat die
       Wirtschaftskompetenz, die wir oft vermissen!“
       
       „Führungskräfte sind gewünscht, aber nicht nur als Lautsprecher im
       Bierzelt“, sagt dagegen Michel Földi und lässt damit Sympathien für Laschet
       erkennen. Immerhin habe dieser in NRW einiges geleistet und sich gegen
       heimische Konkurrenten wie Merz oder Norbert Röttgen durchgesetzt. Wie
       überall seien die Präferenzen auch in seinem Kreisverband geteilt gewesen.
       Einhellige Kritik habe es nur daran gegeben, dass die Basis an der
       Nominierung nicht beteiligt war. Nun gelte es, „Laschet eine Chance zu
       geben“, so Földi, und „den Schulterschluss zu suchen“, sagt Stier. Dass
       manche dabei mit den Zähnen knirschen, sei in der Politik normal.
       
       ## Eine Partei, drei Spaltlinien
       
       „Der Schwelbrand ist erst einmal ausgetreten“, meint auch der Mainzer
       Historiker Andreas Rödder dazu, der selbst CDU-Mitglied ist und seine
       Partei gut kennt. Um fünf Monate vor der Bundestagswahl einen Aufstand
       gegen den eigenen Parteichef und Spitzenkandidaten anzuzetteln, dafür sei
       die CDU doch zu sehr am Machterhalt interessiert. „Bis zur Bundestagswahl
       sehe ich da keine Gefahr“, sagt Rödder. Doch wenn die Union mit Laschet die
       Wahl verlieren sollte – „dann ist alles möglich“.
       
       Schon lange, so Rödder, schwele die Spaltung in der CDU, die allerdings
       deutlich komplizierter sei, als es aktuell erscheine. „Es gibt drei
       Spaltlinien“, so der Historiker. Eine inhaltlich-programmatische, die sich
       in der Auseinandersetzung zwischen der Kanzlerin und Friedrich Merz
       gezeigt habe. Quer dazu liege die zweite, die eher eine Stilfrage sei:
       Vertraut man eher den Gremien oder eher den Umfragen? Und als dritte komme
       der Konflikt zwischen Basis und Führung hinzu.
       
       Nach einer verlorenen Bundestagswahl könnten all diese Konfliktlinien
       aufbrechen. Zunächst aber kommt es für Laschet darauf an, die Partei in der
       Breite zusammenzuhalten. Er hat angekündigt, dass er sich nun in viele
       Sitzungen zuschalten und das Gespräch [6][auch mit Kontrahenten] suchen
       werde. Bald soll es eine Sitzung der Kreisvorsitzenden geben; auch das
       Format „CDU live“, bei dem sich Parteimitglieder zuschalten und ihre Fragen
       und Bedenken loswerden können, sei geplant.
       
       Die CDU hat mit Laschet einen Chef, der für seine Fähigkeit zum
       Zusammenführen und Integrieren bekannt ist. Jetzt wirkt es wie eine Ironie
       der Geschichte, dass die CDU nun ausgerechnet wegen ihres großen
       Integrators so gespalten ist wie selten zuvor. Laschet steht vor einer
       Herkulesaufgabe, fünf Monate vor der Bundestagswahl. Historiker Rödder
       meint: „Man traut ihm das durchaus zu.“
       
       23 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
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