# taz.de -- Armin Laschets Kanzlerkandidatur: Die zweite K-Frage
       
       > Sogar ein Sieg über die Laschet-Union scheint für die Grünen nun möglich.
       > Doch Jubel ist verfrüht. Die Koalitionsbildung wird schwierig.
       
 (IMG) Bild: Schafft es Armin Laschet, möglichst viele Wähler zu moblisieren?
       
       Der mediale Start der [1][ersten Kanzlerkandidatin in der Geschichte der
       Grünen] hat perfekt und reibungslos geklappt. Die Öko-Partei profitiert
       dabei in maximaler Weise von ihrer Kontrastfolie – der neuen schwarzen
       Chaostruppe und ihrem historischen Versagen, nicht den eindeutig stärksten
       möglichen Kanzlerkandidaten, nämlich Markus Söder, aufzubieten. Damit
       eröffnen sich enorme Chancen für die Grünen, zur stärksten Partei
       aufzusteigen.
       
       Erste [2][Umfragen von Forsa] – die allerdings mit Vorsicht zu genießen
       sind – schreiben ihnen bereits 28 Prozent zu, der Union nur 21. Es wäre
       keine Überraschung, wenn die Laschet-Union nun dramatisch abstürzt. So
       könnte tatsächlich wahr werden, was „Die Wahrheit“ der taz bereits
       voraussieht, nämlich die erste Ansage mit Bundeskanzlerin Baerbock in der
       „Tagesschau“.
       
       Allerdings greift es viel zu kurz, in der Schwäche der Union allein eine
       Chance zu sehen – für eine grüne Kanzlerin und die von Baerbock postulierte
       „Erneuerung“ des Landes. Denn mindestens ebenso wichtig, wenn nicht sogar
       wichtiger als die erste K-Frage, die der Kanzlerschaft, ist die zweite –
       nämlich die Frage nach den nach den Bundestagswahlen möglichen Koalitionen.
       Denn sie entscheidet darüber, welche Inhalte die Parteien am Ende
       durchsetzen können.
       
       Unter diesem Gesichtspunkt ist das Versagen der Union keineswegs so positiv
       für die dringend erforderliche ökologische Transformation. Denn die
       eigentlichen Profiteure des Niedergangs der Union dürften weniger die
       Grünen oder gar die SPD sein – als vielmehr die Parteien rechts der Union,
       also [3][AfD] und [4][FDP]. Gegen den Kandidaten Laschet können beide mit
       starken Ergebnissen rechnen, während Söder speziell der AfD erhebliche
       Verluste beigebracht hätte.
       
       ## Die Union könnte Wähleranteile an die AfD verlieren
       
       Schon bei der [5][Landtagswahl in Sachsen-Anhalt] am 6. Juni drohen der CDU
       dramatische Einbrüche. Die CDU im Osten fürchtet zu Recht, dass sie mit
       Laschet und seinem laxen Stil, seiner fehlenden Ausstrahlung und Autorität,
       erhebliche Wähleranteile an die Rechtspopulisten verliert. Der 6. Juni
       könnte damit bereits zur Schicksalswahl für Laschet werden. Denn das
       Ergebnis wird weit über das Bundesland ausstrahlen und die AfD bundesweit
       wieder in die Offensive bringen.
       
       Mit Laschet als Spitzenkandidaten wird die Union die größten
       Schwierigkeiten haben, ihre Wähler zu mobilisieren. Söders Niederlage wird
       bereits jetzt von Teilen seiner Anhängerschaft mit dem Austritt aus der CDU
       oder dem Gang in die innere Emigration, sprich: in die Wahl- und
       Wahlkampfverweigerung, beantwortet.
       
       Ein autoritärer Spitzenkandidat Söder hätte dagegen das weitere Ausbluten
       der Union verhindern und die Stimmen der rechten Wutbürger wieder in
       Richtung der Volksparteien kanalisieren können. Mit ihm hätte die Chance
       bestanden, die autoritären Bedürfnisse, die offensichtlich in erheblichen
       Teilen der Bevölkerung herrschen, wieder in die Union zurückzuführen. Die
       Ignoranz des Laschet-Flügels gegenüber dem Willen der Basis in CDU und CSU
       hat dagegen die Chancen der Rechtspopulisten gewaltig erhöht.
       
       Die Gefahr, das CDU und CSU nun weit unter 30 Prozent landen, ist
       jedenfalls gewachsen. Ein starkes Abschneiden der Union ist jedoch nicht
       nur für die Union entscheidend, sondern auch für die Durchsetzungsfähigkeit
       einer möglichen schwarz-grünen Koalition. Vermutlich besteht sogar die
       einzige Chance, die multiple Krise der Gegenwart – von Corona über die
       Klimafrage bis zur globalen Ungerechtigkeit – wirklich anzugehen in einer
       derartigen „bürgerlichen Koalition“.
       
       Das lehrt das rot-grüne Beispiel: Nur ein Kanzler einer vormals „linken
       Koalition“ konnte derartige fatale Zumutungen für Geringverdienende
       durchsetzen, weil er sich nämlich dabei der Zustimmung seiner reaktionären
       Gegner sicher sein konnte. Heute ist das Gegenteil gefordert: Die
       Bürgerlichen müssen ihrer Wählerschaft der Bessersituierten aus
       ökologischen Gründen enorme Zumutungen abverlangen, nämlich massive
       Wohlstands- und Konsumeinbußen.
       
       ## Laschet ist ökologisch unambitioniert
       
       Tatsächlich hätte eine starke schwarz-grüne Koalition, angeführt von Söder
       und Baerbock, vermutlich die größte Schlagkraft entfalten können, um
       derartige Reformen in diesem Lande durchzusetzen. Der konventionelle
       Industriepolitiker Laschet ist nicht nur weniger durchsetzungsstark als
       Söder, sondern auch ökologisch unambitionierter als der populistische
       Franke, der längst erkannt hat, dass auch in der Mehrheitsgesellschaft der
       Trend ganz klar zu einer stärker nachhaltigen Politik geht.
       
       Ohne das Zugpferd Söder dürfte nun sowohl die Chance auf eine überzeugende
       Führung in der Union als auch auf eine klare schwarz-grüne Mehrheit vertan
       sein. Im besten Falle dreht sich mit dem Kandidaten Laschet das Verhältnis
       zwischen Union und Grünen lediglich um – zu Grün-Schwarz. Das würde
       einerseits einen erheblichen Macht- und Einflusszuwachs für Baerbock und
       Co. bedeuten.
       
       Andererseits würde dies nur unter Verlust erheblicher Prozentpunkte
       geschehen, die für eine ökologisch ambitionierte Koalition dringend
       gebraucht werden, die über das enge grüne Lager hinausgreift und auch die
       eher konservativ eingestellten Kreise in dieser Republik mitzunehmen in der
       Lage ist. Einiges spricht jedoch dafür, dass es noch schlimmer kommen
       könnte.
       
       Sollten CDU/CSU zu schwach werden und die Grünen nicht in vergleichbarem
       Maße zulegen, könnte letztlich eine Dreierkonstellation unter Beteiligung
       der staatsinterventionsfeindlichen FDP erforderlich sein. Eine derartige
       Blockadekoalition verheißt jedoch, egal ob als schwarze oder als rote
       Ampel, alles andere als ökologischen Fortschritt – selbst unter einer
       grünen Kanzlerin. So aber könnte sich selbst ein klarer Sieg der Grünen
       über die Union am Ende noch als Pyrrhussieg erweisen.
       
       22 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Baerbock-wird-Kanzlerkandidatin/!5762149
 (DIR) [2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/forsa.htm
 (DIR) [3] /Parteitag-der-AfD/!5764739
 (DIR) [4] /FDP-stellt-Wahlprogramm-vor/!5760949
 (DIR) [5] /Schwerpunkt-Landtagswahl-in-Sachsen-Anhalt/!t5749746
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Albrecht von Lucke
       
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