# taz.de -- Reduktion der Treibhausgase: EU einigt sich auf Klimagesetz
       
       > Bis 2030 wollen die EU-Länder ihre Emissionen um mindestens 55 Prozent
       > gegenüber 1990 senken. EU-Parlament findet: Reicht nicht.
       
 (IMG) Bild: Kohlekraftwerk Datteln: Auch Deutschland muss bei der Energiewende noch ordentlich nachlegen
       
       Berlin taz | In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hat sich die
       Europäische Union nach [1][monatelangen Verhandlungen] ein Klimagesetz
       gegeben.
       
       14 Stunden stritten sich die beiden europäischen Gesetzgebungsorgane, also
       der Ministerrat als Vertretung der einzelnen Regierungen und das
       EU-Parlament, in dieser letzten Sitzung. Das Ergebnis soll den Staatenbund
       [2][bis 2050 klimaneutral machen].
       
       Es handele sich um „das Gesetz der Gesetze“, sagte der portugiesische
       Umweltminister João Pedro Matos Fernandes am Mittwochmorgen
       überschwänglich, es setze den Rahmen für alle klimabezogenen Bestimmungen
       der EU in den nächsten drei Jahrzehnten. Portugal sitzt in diesem Halbjahr
       dem Ministerrat vor. „Die EU verpflichtet sich deutlich dazu, bis 2050
       klimaneutral zu sein.“
       
       Der harte politische Brocken lag aber woanders: nämlich beim Zwischenziel
       für 2030. Darauf konzentriert sich schließlich das gegenwärtige Handeln –
       und das entscheidet darüber, ob das weit entfernte Ziel für die
       Jahrhunderthälfte überhaupt glaubhaft ist.
       
       ## Eine Schlappe für das EU-Parlament
       
       Bislang hatte sich die EU vorgenommen, bis zum Ende des Jahrzehnts 40
       Prozent weniger Treibhausgase zu emittieren als 1990. Das sollte nun im
       Sinne der geplanten Klimaneutralität angehoben werden. Die Frage war: Wie
       stark?
       
       Durchgesetzt hat sich nun der Ministerrat mit seiner Forderung, die
       Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Jahrzehnts um „mindestens 55
       Prozent“ gegenüber 1990 zu senken.
       
       Das EU-Parlament hatte für eine stärkere Reduktion in diesem Zeitraum
       plädiert, nämlich um 60 Prozent. Umstritten war auch, wie das Ziel erreicht
       werden soll. Die Regierungen der Staaten wollen ihre Emissionen damit
       verrechnen dürfen, was sogenannte CO2-Senken wie Bäume, Moore oder auch
       Technologien wieder aus der Atmosphäre filtern.
       
       Die Abgeordneten hingegen forderten, dass nur zählt, wie sich der
       Treibhausgas-Ausstoß entwickelt. Das Argument: Was ist, wenn zum Beispiel
       im Jahr 2031 plötzlich eine Dürre zu vielen Bränden führt und
       [3][großflächig Wälder dahinrafft]?
       
       Auch dabei hat das Parlament aber mehr oder weniger den Kürzeren gezogen.
       Die Staaten haben sich lediglich dazu hinreißen lassen, zu deckeln, wie
       viel durch Senken eingespartes CO2 insgesamt angerechnet werden darf,
       nämlich 225 Millionen Tonnen. Es gilt jetzt also das
       55-Prozent-Reduktionsziel, und zwar netto, also mit Verrechnung.
       
       „Das entspricht brutto gerechnet nur einer Reduktion von 52,8 Prozent“,
       beklagte Michael Bloss, der für die Grünen-Parlamentsfraktion mitverhandelt
       hat. Die Senken-Regelung führe nicht einmal zu einem Anreiz, Wälder und
       Moore besser zu schützen, denn die Deckelung entspreche dem, was die Senken
       jetzt schon leisten. Für Bloss ist das „politisches Versagen in Zeiten der
       Klimakrise“.
       
       Das sehen nicht alle im EU-Parlament so. „Heute bestätigt die EU ihre
       Führungsrolle beim Kampf um den Klimaschutz“, sagte etwa der Chef vom
       Umweltausschuss, Pascal Canfin von der liberalen Renew-Europe-Fraktion.
       „Wir stärken die Klimaziele, die jetzt gegenüber 1990 zu einer Reduktion
       von fast 57 Prozent führen werden.“
       
       Diese Zahl führten am Mittwoch etliche Politiker:innen lobend im Mund,
       obwohl sie sich im Klimagesetz überhaupt nicht findet. Sie bezieht sich nur
       darauf, dass die EU-Kommission prüfen will, ob durch die zusätzliche
       Nutzung von CO2-Senken nicht doch noch mehr drin ist.
       
       ## Auch Deutschland muss jetzt nachziehen
       
       Für Deutschland bedeutet der neue EU-Standard laut einer Studie des
       Expertenrats für Klimafragen aus der vergangenen Woche, dass das aktuelle
       Klimaziel für 2030 um 7 bis 13 Prozentpunkte angehoben werden muss. Auch
       nach altem Stand liegt es bereits bei 55 Prozent Reduktion gegenüber 1990,
       weil die EU nach Wirtschaftskraft zugeteilt hat, welches Land wie stark zum
       kollektiven Ziel beitragen muss.
       
       Das Zwischenziel für 2040 auf dem Weg zur Klimaneutralität steht noch nicht
       fest. In dieser Frage konnte das EU-Parlament einen Erfolg für sich
       verbuchen: Die Klimaschutz-Planung des nächsten Jahrzehnts wird auf einem
       CO2-Budget aufbauen. Der Hintergrund: Entscheidend für das Klima ist nicht,
       wann das letzte Kilo CO2 in die Atmosphäre geht, sondern welche Menge an
       Treibhausgas sich dort insgesamt ansammelt.
       
       Am Donnerstag beginnt ein virtueller Klimagipfel auf Einladung der USA.
       Dort will die EU ihr neues Klimagesetz präsentieren – wegen des Termins
       bestand ein gewisser Einigungsdruck.
       
       Die schwedische Sozialdemokratin Jytte Guteland, Verhandlungsführerin des
       EU-Parlaments, ist trotz der großen Abstriche optimistisch. „Die USA sind
       nicht der große Bruder beim Klima, wir sind der große Bruder“, sagte sie
       nach Abschluss der Verhandlungen und fügte hinzu: „Oder eher die große
       Schwester.“
       
       21 Apr 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Schwarz
       
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