# taz.de -- Verbrechen gegen russische Gefangene: Wehrmacht im Justizvisier
       
       > Auf bis zu 2.000 ehemalige Soldaten könnten Ermittlungen zukommen. Sie
       > waren unter anderem Wachmänner in Lagern für sowjetische Kriegsgefangene.
       
 (IMG) Bild: Viele starben an Unterernährung: Friedhof für sowjetische Kriegsgefangene in Hessen
       
       Berlin taz | Die [1][Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in
       Ludwigsburg] hat ihre Ermittlungen erheblich ausgedehnt. Sie prüft nun auch
       Verantwortliche für [2][den Massenmord an sowjetischen Kriegsgefangenen]
       und die Verbrechen der Einsatzgruppen. Konkret geht es dabei derzeit nach
       Angaben des Leiters der Zentralen Stelle, Thomas Will, um sieben frühere
       Soldaten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord. Sie sollen Lager sowohl
       im Osten als auch auf Reichsgebiet bewacht haben.
       
       Will sagte, er hoffe, „dass wir von den sieben bisher eingeleiteten
       Verfahren zumindest einige abgeben können“. Von den namentlich bekannten
       Wachmännern konnten die Ermittler nach einem Bericht der Welt am Sonntag
       etwa 2.000 Personen identifizieren, die aufgrund ihrer Geburtsjahrgänge
       heute möglicherweise noch am Leben sind.
       
       Die Bedingungen in den Lagern für sowjetische Kriegsgefangene waren darauf
       ausgelegt, dass ein Großteil der Inhaftierten dort nicht überleben konnte.
       Insgesamt starben dort bis zu 3,3 Millionen der etwa 5,7 Millionen
       Gefangenen. Die Ernährung war vollkommen unzureichend, eine medizinische
       Betreuung nicht vorhanden. Häufig mussten die Gefangenen unter freiem
       Himmel leben, und das bei teilweise eisiger Kälte. Die NS-Machthaber ließen
       ihre Gefangenen bewusst sterben.
       
       Nach dem Krieg kam es nur in den seltensten Fällen zu Ermittlungen gegen
       die in den Kriegsgefangenenlagern eingesetzten Soldaten. In der
       Bundesrepublik wurde lange die Mär von einer „sauberen“ Wehrmacht gepflegt,
       die sich im Gegensatz zur SS an keinen Verbrechen beteiligt habe. Diese
       Auffassung gilt inzwischen unter Historikern als widerlegt.
       
       ## Wende im letzten Jahrzehnt
       
       Im Gegensatz dazu kam es schon früh zu Verurteilungen von Angehörigen der
       Einsatzgruppen, die, gebildet aus SS und Polizeieinheiten, die Aufgabe
       hatten, vor allem sowjetische Jüdinnen und Juden zu ermorden. Bis zu 1,5
       Millionen Menschen fielen der reisenden Mördertruppe zum Opfer.
       
       Der von den Alliierten durchgeführte Nürnberger Einsatzgruppenprozess von
       1948 endete mit 14 Todesurteilen gegen SS-Führer. Zwei Jahre später
       verurteilte erstmals ein deutsches Gericht zwei Täter zu lebenslangen
       Haftstrafen. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess gegen zehn Täter im Jahr 1958
       machte deutlich, dass die Aufarbeitung der NS-Verbrechen keineswegs, wie in
       der Öffentlichkeit vielfach propagiert, vor seinem Ende stünde, und führte
       zur Gründung der Zentralen Stelle in Ludwigsburg.
       
       Im letzten Jahrzehnt allerdings erfolgten dort vor allem Ermittlungen gegen
       in Vernichtungs- und Konzentrationslagern eingesetzte NS-Täter, da eine
       veränderte Rechtsprechung hier die Möglichkeit eröffnete, auch diejenigen
       als Teil einer Mordmaschine anzuklagen, denen kein individueller Mord
       nachgewiesen werden kann. Die jetzt erfolgte Erweiterung der Ermittlungen
       um die Stalags sei „konsequent weitergedacht“, sagte Will.
       
       1 Mar 2021
       
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 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
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