# taz.de -- Rechte Organisierte Kriminalität: Großrazzia gegen Neonazi-Netzwerk
       
       > 500 Thüringer Polizist*innen durchsuchen die Immobilien einer rechten
       > Gruppe. CDU-Sicherheitsexperten erinnern die Verflechtungen an den NSU.
       
 (IMG) Bild: Ein Polizist mit einem Drogenspürhund während der Razzia in Ballstädt, Thüringen
       
       Wenn es um Geldbeschaffung geht, vergessen Rechtsextremisten vermeintlich
       deutsche Tugenden. Drogen- und [1][Waffenhandel], Geldwäsche, Prostitution
       – und generell das Milieu der Organisierten Kriminalität sind dann keine
       Tabuzonen mehr.
       
       Um ein kriminelles rechtes Netzwerk in Thüringen zu zerschlagen, haben am
       Freitagmorgen 500 Beamtinnen und Beamte des Landeskriminalamtes und der
       Staatsanwaltschaft Gera eine [2][Großrazzia] durchgeführt.
       Einsatzschwerpunkt war der Raum Gotha, Einsatzorte lagen aber auch im Kreis
       Saalfeld-Rudolstadt und in den Nachbarländern Hessen und Sachsen-Anhalt.
       
       Bei der bis zum Nachmittag andauernden Razzia wurden vor allem Immobilien
       durchsucht. Dabei wurden auch Polizeihunde und eine Drohne eingesetzt. Nach
       vorläufigen Angaben des Landeskriminalamtes wurden Betäubungsmittel und
       Bargeld sichergestellt und ein Auto gepfändet. Acht bereits bestehende
       Haftbefehle wurden vollstreckt, eine weitere Person wegen Drogenbesitzes
       festgenommen. Die Beschuldigten sind deutsche Staatsbürger im Alter von 24
       bis 55 Jahren.
       
       Die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss bezeichnete den
       Einsatz als „wichtigen Schritt auf dem Weg, [3][diesen kriminellen braunen
       Sumpf] endgültig trocken zu legen“. Nach ihren Erkenntnissen werden die
       Festgenommenen dem Neonazi-Netzwerk „Turonen“/ “Garde 20“ zugerechnet. Seit
       2019 laufen gegen die Gruppe 32 Ermittlungsverfahren. Eine wichtige Rolle
       spielt dabei eine Immobilie in Ballstädt, die 2014 auch Ausgangspunkt für
       den schweren Überfall auf eine Kirmesgesellschaft war.
       
       Der Prozess wird gerade neu verhandelt. Weitere Rückzugsorte im Raum Gotha
       sollen als Basis für die aufgebauten Vertriebsstrukturen gedient haben. Das
       Netzwerk verfügt auch über Kontakte nach Österreich und in die Schweiz.
       
       Der Sicherheitsexperte der CDU-Landtagsfraktion Raymond Walk ist über den
       Schlag gegen das Neonazi-Netzwerk erleichtert: „Erstmals seit Jahren wird
       so konzertiert vorgegangen.“
       
       Für „untragbar“ hält Walk, der ehemals das Amt des Leitenden
       Polizeidirektors im Thüringer Innenministerium innehatte, dass bislang 15
       Haftbefehle im Bereich Rechtsextremismus nicht vollstreckt wurden.
       
       „Der NSU lässt grüßen“, erinnert Walk daran, dass dieser auch zwei Tage vor
       der geplanten Verhaftung untertauchte. Klar sei längst, dass
       Rechtsrockkonzerte, der CD- und der T-Shirt-Verkauf zur Finanzierung der
       rechten Szene nicht mehr ausreichten. Neu und bestürzend empfindet er aber
       die mit der Razzia verbundene Erkenntnis, dass sich rechte Strukturen in
       der Organisierten Kriminalität bereits derart etabliert haben.
       
       Der CDU-Sicherheitsexperte hält es deshalb für angebracht, die Beobachtung
       der Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz wieder neu zu
       diskutieren. In den Jahren 2002 bis 2006 war dies in Thüringen und Sachsen
       möglich.
       
       Zwischen Geheimdienst und Polizei besteht in Deutschland eigentlich eine
       klare Trennung ihrer Befugnisse. Die entscheidenden Hinweise für den
       polizeilichen Großeinsatz am Freitag aber kamen vom Thüringer Landesamt für
       Verfassungsschutz, insbesondere im Zusammenhang mit der Ballstädter
       Immobilie.
       
       ## Linke und Grüne wollen Verfassungsschutz abschaffen
       
       Der Thüringer Verfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer äußert sich
       vorerst nicht zu den Details der nachrichtendienstlichen Ermittlungen. Doch
       auch er möchte zumindest ein „Nachdenken“ über eine engere „Verzahnung“
       zwischen Verfassungsschutz und Polizei erlauben – ohne das Trennungsgebot
       hinsichtlich exekutiver Befugnisse zu revidieren.
       
       Die nachrichtendienstliche Observation des rechtsextremen Feldes führe
       geradezu zwangsläufig auch in die Kreise der Organisierten Kriminalität,
       sagt Kramer.
       
       Linke und Teile der Grünen in Thüringen möchten den Verfassungsschutz
       eigentlich abschaffen.
       
       26 Feb 2021
       
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