# taz.de -- Verfassungsgericht zu Fußfesseln: Geht klar
       
       > Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Verfassungsbeschwerde gegen
       > Fußfesseln ab. Zwei Männer haben Stigmatisierung beklagt.
       
 (IMG) Bild: Wiegen schwer: rund 700 Gramm schwerer GPS-Sender am Knöchel
       
       Karlsruhe taz | Die elektronische Fußfessel für gefährliche Haftentlassene
       verletzt keine Grundrechte. Zu diesem Schluss kam jetzt das
       Bundesverfassungsgericht und lehnte zwei Verfassungsbeschwerden von
       Betroffenen ab.
       
       Seit 2011 können Gewalt- und Sexualstraftäter nach der Haftentlassung mit
       einer elektronischen Fußfessel überwacht werden. Ein rund 700 Gramm
       schwerer GPS-Sender wird am Knöchel befestigt und meldet regelmäßig den
       Aufenthalt. Wenn der Sender entfernt wird, alarmiert das Gerät die
       „Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL) im
       hessischen Weiterstadt.
       
       Derzeit werden bundesweit rund 100 entlassene Häftlinge auf diesem Wege
       überwacht. Die Kontrolle gehört zur Führungsaufsicht und dauert maximal
       fünf Jahre. Pro Jahr gehen in Weiterstadt über 6.000 Alarmmeldungen ein.
       Meist ist aber nur der Akku des Senders leer. In 2,7 Prozent der Fälle
       musste die Polizei alarmiert werden.
       
       Zwei Männer aus Rostock – ein Mörder und ein Vergewaltiger – hatten schon
       2011 und 2012 gegen ihre elektronische Überwachung Verfassungsbeschwerde
       eingelegt. Der Sender am Fuß sei beim Sport, im Freibad sowie beim Sex zu
       sehen und brandmarke sie als Schwerverbrecher. Diese Stigmatisierung
       behindere auch ihre Resozialisierung.
       
       ## Vermeidung schwerer Straftaten geht vor
       
       Die beschränkte Laufzeit des Sender-Akkus – [1][oft nur zwölf Stunden] –
       behindere den beruflichen Neustart, so die Kläger. Außerdem verstoße eine
       staatliche Totalüberwachung gegen die Menschenwürde.
       
       Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Beschwerden nun –
       nach zehnjähriger Prüfung – in vollem Umfang abgelehnt. Der Sender lasse
       sich „durch übliche Kleidung“ leicht verbergen. Wenn die Betroffenen aus
       Scham auf Sex verzichten, sei dies zwar ein Eingriff in die allgemeine
       Handlungsfreiheit, aber durch das Ziel der Überwachung – Vermeidung
       schwerer Straftaten – gerechtfertigt.
       
       Auch bei nur zwölfstündiger Akkulaufzeit sei eine normale berufliche
       Tätigkeit möglich, so die RichterInnen. Eine verfassungswidrige
       „Rundumüberwachung“ liege nicht vor. Zwar werde der Aufenthalt rund um die
       Uhr erfasst, die Daten würden aber nur „anlassbezogen“ ausgewertet.
       Jedenfalls könnten damit keine „Persönlichkeitsprofile“ erstellt werden.
       
       Neben der im Strafgesetzbuch geregelten Führungsaufsicht per Fußfessel, die
       nur entlassene Straftäter betrifft, gibt es in Hessen schon lange ein
       Projekt zur Haftvermeidung, bei dem ebenfalls Fußfesseln verwendet werden.
       Hiervon sind derzeit rund vierzig Personen betroffen, bei denen aber nur
       die Anwesenheit in der Wohnung oder am Arbeitsplatz kontrolliert wird.
       
       Im Jahr 2017 wurde die GPS-Fußfessel, die volle Bewegungsbilder ermöglicht,
       [2][auch für die Überwachung von terroristischen Gefährdern zugelassen].
       Die Regelungen in den Polizeigesetzen von Bund und Ländern werden aber kaum
       genutzt.
       
       4 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Elektronische-Fussfessel/!5116020
 (DIR) [2] /Umgang-mit-Extremisten-in-Deutschland/!5370671
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bundesverfassungsgericht
 (DIR) Fußfessel
 (DIR) Gefängnis
 (DIR) Gerichtsentscheid
 (DIR) Gewalt gegen Frauen
 (DIR) Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
 (DIR) Kriegsverbrecherprozess
 (DIR) Mietpreisbremse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gesetzentwurf aus dem Justizministerium: Fußfessel für prügelnde Männer
       
       Der neue Justizminister Volker Wissing legt einen Entwurf zur Überwachung
       von Gewaltschutzanordnungen vor. Ob die Union zustimmt, scheint fraglich.
       
 (DIR) Untersuchungsausschuss zu Anis Amri: Staatswohl vor Aufklärung
       
       Karlsruhe lehnt eine Klage der Opposition zum Amri-Untersuchungsausschuss
       ab. V-Mann-Führer können künftig leichter vor Befragung bewahrt werden.
       
 (DIR) Verfolgung von Kriegsverbrechern: Weiterhin keine Immunität
       
       Der Bundesgerichtshof erlaubt weiterhin deutsche Strafverfolgung von
       ausländischen SoldatInnen. Der Fall hatte kurzzeitig für großes Aufsehen
       gesorgt.
       
 (DIR) Bundesgerichtshof zur Mietpreisbremse: Keine Haftung für Mietpreis-Patzer
       
       Müssen Länder überhöhte Mieten erstatten, wenn die Mietpreisbremse
       fehlerhaft umgesetzt wurde? Nein, entschied der BGH in einem
       Grundsatzurteil.