# taz.de -- Der Lockdown und die Kunst in Berlin: Sparangst und Lichtblicke
       
       > Die Arbeit mit der Kunst geht weiter, man bekommt sie derzeit nur nicht
       > zu sehen: Beispielhafte Blicke in die Berlinische Galerie und C/O Berlin.
       
 (IMG) Bild: Der Blick nach vorn: „Berlin, 2006“ aus der „Send Me an Image“-Schau im C/O Berlin
       
       Für Besucher*innen ist der Ausstellungsbetrieb komplett zum Erliegen
       gekommen. In den Häusern selbst ist aber keine Spur von Stillstand.
       [1][Alte Ausstellungen werden abgebaut], neue aufgebaut, es wird gebohrt,
       geklebt, gefräst und gedübelt. „Wir haben plangemäß unsere Ausstellung
       ‚Gezeichnete Stadt‘ abgebaut und sind fast fertig mit dem Aufbau von
       'Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre“, erzählt Thomas
       Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie, der taz.
       
       Natürlich gehen Auf- und Abbau ganz pandemiekonform vonstatten, mit
       Schichtsystem und Maskenpflicht, versichert Köhler. Verschiebbar waren die
       Umbauten nicht, trotz aktuellem frühestem Wiedereröffnungstermin Anfang
       April, also nach Ostern. „Wir planen unsere Auf- und Abbauten mit einer
       externen Firma. Die bucht uns zu bestimmten Zeiten ein. Und deshalb sind
       wir nicht so flexibel. Auch beim internationalen Leihgeschäft sind wir an
       lange vorher vereinbarte Termine gebunden“, erklärt Köhler.
       
       Weil die Maschinerie trotz Corona weiterlaufe, fühle sich für ihn ein Gang
       durch die einzelnen Ausstellungsräume daher fast normal an, sagt er.
       
       Tiefe Einschläge hat die Pandemie vor allem in den Budgets hinterlassen.
       Etwa 910.000 Euro weniger Eintrittsgelder machten allein für sein Haus die
       coronabedingten Schließzeiten aus. Ungefähr 150.000 Besucher*innen
       weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum kamen.
       
       Für alle Berliner Landesmuseen betrug der Ausfall 2020 allein im ersten bis
       dritten Quartal acht Millionen Besucher*innen und etwa 15 Millionen
       Euro, etwa zwei Drittel des gewohnten Umfangs. Das ergab eine Antwort des
       Berliner Senats auf eine Anfrage der CDU im Kulturausschuss des
       Abgeordnetenhauses.
       
       Während in den öffentlichen Institutionen der Betrieb selbst noch nicht
       gefährdet ist – das Land kommt schließlich für die Miete und Gehälter auf
       –, sieht die Lage für die privaten Einrichtungen viel düsterer aus.
       
       ## Verbindliche Strategie
       
       Deshalb schlug Ende Januar auch der Deutsche Museumsbund Alarm. Er sieht
       die Existenz vieler Museen bedroht. „Die Museen tragen seit Monaten die
       notwendigen Entscheidungen zum Schutz vor dem Coronavirus mit und haben
       alle Maßnahmen entsprechend umgesetzt. Doch die Not wird immer größer,
       viele der Häuser haben nach monatelangen Schließungen keinerlei finanzielle
       Polster.
       
       Und wenn kommunale Träger bereits jetzt Spardebatten führen und schon
       jetzt erste Kulturetats gekürzt werden, dann ist das Sparen am falschen
       Ende!“, warnte Eckart Köhne, Präsident des Deutschen Museumsbundes, in
       einer Pressemitteilung. In einer aktuellen Verlautbarung von dieser Woche
       fordert der Museumsbund deswegen von den Entscheidungsträgern in der
       Politik, „die Museen schnell wieder zu öffnen und eine verbindliche
       Öffnungsstrategie vorzulegen“.
       
       Das trifft den Nerv vieler Mitglieder und auch vieler Nichtmitglieder.
       Stephan Erfurt, Mitgründer des rührigen Ausstellungshauses C/O Berlin,
       musste seine Einrichtung an insgesamt 172 Tagen des vergangenen Jahres
       geschlossen halten. Nach seiner Schätzung gingen die Publikumszahlen
       deshalb um mehr als die Hälfte zurück. Und auch auf das
       Ausstellungsprogramm selbst hatte die Pandemie Einfluss. „Unsere groß
       geplante Jubiläumsausstellung ‚Send Me an Image‘ mussten wir von 2020 nach
       2021 verschieben. Alle geplanten Aktivitäten zum 20-jährigen Bestehen haben
       wir letztes Jahr abgesagt. Das tut schon sehr weh“, so Erfurt.
       
       Erschwerend kommen Planungsunsicherheiten hinzu. „Zweimal haben wir das
       komplette Ausstellungsprogramm für 2021 überarbeiten müssen: also Zeiträume
       verschieben, Ausstellungskonzepte überarbeiten. Einzelne Projekte stehen
       permanent auf der Kippe. Hier müssen wir immer wieder bei
       Kooperationspartnern und Künstler*innen um Verständnis werben.
       Gleichzeitig muss unser Team neben seinen Kernaufgaben zusätzlich diverse
       Szenarien durchspielen. Das ist nerven- und zeitraubend“, meint er.
       
       ## Besserer Digitalauftritt
       
       Dennoch geht es weiter. Auch bei C/O Berlin wird an der neuen Ausstellung
       gebaut. „Send Me an Image“ soll Ende März eröffnet werden, hofft Erfurt.
       
       Die kurze, aber lebhafte Ausstellungstätigkeit zwischen dem ersten und dem
       zweiten Lockdown macht ihm Mut. „Die Publikumsresonanz war bis Ende Oktober
       großartig. Die teilweise jahrelange Vorarbeit, wie für unsere Ausstellung
       [2][‚Harald Hauswald. Voll das Leben!‘], zahlte sich aus“, konstatiert er.
       
       Hilfreich war auch das Programm „Neustart Kultur“ der Bundesregierung.
       „Damit konnten wir bereits während des Lockdowns im Frühjahr umfassende
       Hygiene- und Schutzmaßnahmen umsetzen“, erzählt Erfurt. In anderen
       Förderprogrammen von Bund und Land fiel C/O Berlin aber durch die Maschen.
       Jetzt hofft Erfurt auf die November- und Dezemberhilfen des Bundes.
       
       So auch die Berlinische Galerie. Allerdings sieht Direktor Köhler schon
       Probleme im Kleingedruckten auf sich zukommen. „Es kann sein, dass wir dann
       bereits genehmigte Hilfen vom Land Berlin wieder zurückzahlen müssen“, sagt
       er der taz. Navigieren im Förderdschungel ist also angesagt. 72.000 Euro
       erhielt die Berlinische Galerie vom Land zur Finanzierung der
       Hygienekonzepte.
       
       In die Zukunft blickt Köhler durchaus optimistisch. Die Pandemie hat zu
       einem verbesserten Digitalauftritt seines Hauses geführt. „Videorundgänge
       durch die Ausstellungen und Tutorials der Museumspädagogik wurden gut
       angenommen. Wir wollen das beibehalten und perspektivisch noch mehr
       Programme auf Englisch anbieten“, sagt er. Mit einem Einbruch der
       Kulturfinanzierung rechnet er nicht. „Dieses Vertrauen habe ich in die
       Politik. Sparschäden als Folge von zu radikalen Kürzungen sind ja
       ausgesprochen schwer wieder zu beheben. Museen sind ein wichtiger Ort für
       Kultur, Bildung und Kommunikation. Ich glaube nicht, dass die Politik da
       den Rotstift ansetzt.“
       
       Mittelfristige Auswirkungen auf den Ausstellungsbetrieb vermutet er durch
       die Pandemie aber doch. Vor allem der internationale Leihbetrieb dürfte
       wegen der Unsicherheiten im Reiseverkehr zurückgehen. Ausstellungen müssten
       dann mehr aus eigenen Beständen bestückt werden.
       
       Ökologisch wäre das sogar sinnvoll. Und für die Museen bedeutete das noch
       eine Chance. „Wenn die Ankaufetats der Museen gestärkt würden, hätten alle
       etwas davon: Der Kunsthandel im Lande wäre angekurbelt, Künstler*innen
       und Galerist*innen hätten Einnahmen und die Museen größere Spielräume“,
       zeichnet Köhler ein postpandemisches Bild in ganz rosafarbenen Tönen.
       
       7 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wiederoeffnung-von-Museen-in-Berlin/!5681666
 (DIR) [2] /Retrospektive-von-Harald-Hauswald/!5709591
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Bildende Kunst
 (DIR) Berlinische Galerie
 (DIR) Fotokunst
 (DIR) Textile Kunst
 (DIR) Kolumne Durch die Nacht
 (DIR) Museum
 (DIR) taz Plan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kunstpakete der Noroomgallery: Vernissage mit der Nachbarin
       
       Statt einer Ausstellung betreibt die Hamburger Noroomgallery derzeit einen
       Versand von Kunstpaketen. Die taz hat sich eines bestellt.
       
 (DIR) Einkaufen ohne Kaufhausmusik: Kein Gedudel wegen Pandemie!?
       
       Was ist bei Karstadt los? In der noch offenen Lebensmittelabteilung ist
       alles still. Wo ist bloß die Kaufhausmusik geblieben?
       
 (DIR) Interviewband „The Future of the Museum“: Heilende Kraft?
       
       András Szántós Interviewband „The Future of the Museum“ zeigt: Es gibt
       einen globalen Trend zum gesellschaftlichen Engagement der Kunstmuseen.
       
 (DIR) Kunst sehen trotz Lockdown: Über Wasser halten
       
       Der Skulpturenpark am Haus am Waldsee, ein einsamer Baum über dem Wolziger
       See: An Gewässern in Berlin und Brandenburg findet Kunst statt.