# taz.de -- Naturschutzgebiete schlecht gemanagt: Deutschland drohen hohe Bußgelder
       
       > Schlamperei und Mängel beim Naturschutz: Die EU-Kommission verklagt die
       > Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof.
       
 (IMG) Bild: Eulenschön: Ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet am Tegeler Fließ in Berlin
       
       Berlin taz | Die EU-Kommission verklagt Deutschland wegen jahrelanger
       Verstöße gegen geltendes Naturschutzrecht vor dem Europäischen Gerichtshof.
       Unter anderem habe Deutschland eine „bedeutende Anzahl von Gebieten immer
       noch nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen“, teilte die Brüsseler
       Behörde am Donnerstag mit.
       
       Es geht um die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie zum Erhalt
       natürlicher Lebensräume sowie zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen.
       Im Kern weist sie in den EU-Staaten Schutzgebiete aus. Sogenannte
       Erhaltungsziele sollen den Bestand von Arten schützen oder
       wiederherstellen. [1][Bereits 2015 hatte die EU-Kommission ein sogenanntes
       Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleite]t, bisher hat
       Berlin die Bedenken nicht ausgeräumt. Dabei sei die „Frist für die
       Vollendung der notwendigen Maßnahmen für alle Gebiete in Deutschland“ in
       einigen Fällen schon vor mehr als zehn Jahren abgelaufen.
       
       Die EU-Kommission bemängelt unter anderem, dass „die für die einzelnen
       Gebiete in Deutschland festgelegten Erhaltungsziele nicht hinreichend
       quantifiziert und messbar“ seien. Sie geht davon aus, dass es in allen
       Bundesländern und auf Bundesebene Praxis war, „für alle 4.606 Gebiete von
       gemeinschaftlicher Bedeutung keine hinreichend detaillierten und
       quantifizierten Erhaltungsziele festzulegen“. Dies habe „erhebliche
       Auswirkungen auf die Qualität und Wirksamkeit“ der Maßnahmen.
       
       „Die Klage war lange überfällig“, sagt die Grünen-EU-Abgeordnete Jutta
       Paulus. Die Bundesregierung lasse es auf eine höchstrichterliche
       Entscheidung ankommen, statt sich an Gesetze zu halten. „Für ein Land, das
       sich gerne als umweltpolitischer Vorreiter inszeniert, ist das peinlich“,
       so Paulus.
       
       „Die unterfinanzierten staatlichen Naturschutzstellen in den Ländern
       brauchen endlich eine ausreichende Finanzierung“, fordert Olaf Bandt,
       Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND),
       „hoffentlich rüttelt die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof die Politik
       wach“. Es wäre sinnvoller Naturschutz ausreichend zu fördern, statt Strafen
       zu zahlen, so Bandt. Tausende Ehrenamtliche widmeten sich in ihrer Freizeit
       dem Schutz und der Pflege von Naturschutzgebieten, ohne sie sähe die
       Naturschutzbilanz Deutschlands noch düsterer aus, betonte er.
       
       ## Zum Beispiel der Schweinswal
       
       Der Umweltverband Nabu kritisiert vor allem, dass sich Bund und Länder
       nicht an Vorgaben halten, zu denen sie sich vor fast 30 Jahren selbst
       verpflichtet hätten. „Es ist ein Unding, dass dies Jahrzehnte nach
       Inkrafttreten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie noch erstritten werden
       muss“, sagt Raphael Weyland, EU-Umweltrechtsexperte des Nabu. Die
       Konsequenzen der mangelhaften Natura-2000-Umsetzung seien etwa in Nord- und
       Ostsee nicht zu übersehen. [2][Zuletzt hätten Wissenschaftler einen
       Rückgang des streng geschützten Schweinswals] in seiner Kinderstube im
       Sylter Außenriff um jährlich fast 4 Prozent in den vergangenen zwei
       Jahrzehnten dokumentiert. Weder in Schutzgebieten noch in wichtigen
       Wanderkorridoren werde Deutschlands einziger heimischer Wal wirksam vor den
       Auswirkungen von Fischerei, Schifffahrt oder Offshorewind geschützt.
       
       Die nächste Bundesregierung müsse die Naturschutzfinanzierung so
       ausgestalten, dass der Bund die Länder bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie
       besser unterstützt als bisher, sagt Johann Rathke, Koordinator für
       Agrarpolitik und Landnutzungspolitik des WWF Deutschland. „Mit
       naturschutzpolitischer Kleinstaaterei kommen wir nicht weiter“, so Rathke.
       (mit dpa)
       
       18 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Streit-zwischen-EU-und-Deutschland/!5660011
 (DIR) [2] /Schweinswal-Population-der-Nordsee/!5748765
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Naturschutz
 (DIR) Umwelt
 (DIR) Biodiversität
 (DIR) klimataz
 (DIR) Fischerei
 (DIR) Umweltschutz
 (DIR) Fischerei
 (DIR) Citizen Science
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Spanien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kritik an deutscher Fischereipolitik: Ministerin für laxe Kontrollen
       
       Die deutsche Fischereiministerin Julia Klöckner setzt sich bei der Reform
       der EU-Fischereikontrollen für schwache Regeln ein, kritisiert der WWF.
       
 (DIR) Meeresschutz nicht umgesetzt: Tod im Schutzgebiet
       
       Deutschland hat zwar nominell Meeresschutzgebiete auf der Ostsee
       ausgewiesen. Doch Grüne und Naturschützer fordern endlich Butter bei die
       Fische.
       
 (DIR) Bedrohte Fischbestände: Auf hoher See ist alles erlaubt
       
       Ein Fall aus der Antarktis zeigt: Gegen illegale Fischerei gibt es derzeit
       kaum ein Mittel. Die EU arbeitet an neuen Vorschriften.
       
 (DIR) Bürgerwissenschaft wird Forschungsobjekt: Willkommene Unterstützung
       
       Die Laien von Citizen Science sind in der Wissenschaft angekommen. Sie
       widmen sich immer mehr Projekten – und sind selbst Forschungsobjekt
       geworden.
       
 (DIR) Erhalt der biologischen Vielfalt: Milliarden zum Schutz der Sahelzone
       
       Die Ziele des One Planet Summit sind zum Schutz von 30 Prozent der Erde –
       aber auch die Finanzierung von Klima-projekten ist gesichert.
       
 (DIR) Naturschutz in Spanien: Zu viel Wasser für Erdbeeren
       
       Die EuGH-Generalanwältin schlägt vor, Spanien wegen des Verstoßes gegen
       Naturschutzgesetze zu verurteilen. Viel Zeit bleibt nicht.