# taz.de -- Verhandlungen um Handelsabkommen: Brexit-Nervosität macht sich breit
       
       > „Es ist der Moment der Wahrheit“, heißt es aus der EU. London sieht ohne
       > Bewegung Brüssels keine Chance auf einen Deal.
       
 (IMG) Bild: Protest bis zum Schluss: Eine Brexit-Gegnerin in Westminster
       
       Brüssel/London taz | Deal oder No Deal? In Brüssel macht sich Nervosität
       breit. Statt des üblichen „The time is running out“ heißt es nun: „Es ist
       der Moment der Wahrheit.“ Das sagte EU-Verhandlungsführer Michel Barnier am
       Freitag in Brüssel zu den Verhandlungen über ein Handelsabkommen.
       
       „Wir haben sehr wenig Zeit übrig – nur ein paar Stunden“, fügte er hinzu.
       Aus London waren am Vorabend nach einem Gespräch zwischen
       EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Großbritanniens Premier Boris
       Johnson pessimistische Töne zu hören: Die EU müsse ihre Haltung
       „substanziell“ ändern, um noch zu einer Einigung zu kommen.
       
       Zuvor hatten die EU-Abgeordneten eine eigene Deadline gesetzt: Am
       Sonntagabend soll Schluss sein. Wenn bis dahin kein Ergebnis vorliegt,
       könne man den Deal in diesem Jahr nicht mehr ratifizieren, warnte der
       Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange. Ursprünglich wollte die EU
       schon am vergangenen Sonntag einen Deal erzwingen.
       
       Doch dann kündigte Kommissionschefin von der Leyen überraschend [1][eine
       Nachspielzeit] an. Es habe Bewegung gegeben, man wolle auch die
       „Extrameile“ gehen, so von der Leyen. Tatsächlich haben sich beide Seiten
       in wesentlichen Punkten aneinander angenähert. Vor allem die Europäer haben
       einige alte Positionen geräumt.
       
       ## Heftig umstritten sind immer noch die Fischereirechte
       
       So hat die EU ihre Forderung aufgegeben, dass Großbritannien automatisch
       allen neuen Regeln in der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgesetzgebung
       folgen müsse. Es soll stattdessen eine „managed divergence“ geben. Dabei
       könnten die Europäer Zölle auf britische Waren erheben, die nicht zu
       denselben Bedingungen produziert wurden.
       
       Eine Einigung gab es offenbar auch in der Frage der Streitschlichtung.
       Heftig umstritten sind hingegen immer noch die [2][Fischereirechte]. Die EU
       hat eine Übergangsfrist von 10 Jahren vorgeschlagen, in der sich am
       europäischen Zugang zu britischen Fischgründen nicht viel ändern soll.
       London will aber nur drei Jahre zugestehen.
       
       Um einen Kompromiss zu ermöglichen, hat Brüssel die Fischfangquoten für die
       Nordsee und den Nordatlantik für das kommende Jahr nur vorläufig
       festgelegt. Ob das ausreicht, um den drohenden „No Deal“ zu verhindern, ist
       jedoch wieder fraglich geworden. Zuletzt hatten sich die Positionen auf
       beiden Seiten wieder verhärtet.
       
       Auf diesem Gebiet sei die Position der EU „nicht vernünftig“, hieß es noch
       am Donnerstagabend vonseiten der britischen Regierung nach einem Telefonat
       mit von der Leyen. In einer Erklärung hieß es weiterhin, dass die
       Verhandlungen sich in einem „ernsten Stadium“ befänden. Großbritanniens
       Premier Boris Johnson habe beim Telefonat erklärt, „dass ohne eine
       substanzielle Abänderung der Position der EU höchstwahrscheinlich kein
       Übereinkommen erreicht werden könnte“.
       
       Kabinettsmitglied Michael Gove schätzte die Wahrscheinlichkeit eines
       „Deals“ auf weniger als 50 Prozent ein. Er betonte, dass Großbritannien für
       den Fall eines No-Deal-Brexits vorbereitet sei. Gove sagte zum fairen
       Wettbewerb, es sei nicht in Ordnung, dass die EU entscheide, etwa
       Unterstützung für Elektroautos zu gewähren, der Vertrag Großbritannien
       dasselbe jedoch verbiete.
       
       ## Nur eins ist klar: Big Ben wird bimmeln
       
       Die Abgeordneten des britischen Parlaments haben derweil zwar am Donnerstag
       ihre Winterpause begonnen, jedoch mit der Ankündigung, sie könnten bereits
       am Montag zurückgerufen werden, um die für einen etwaigen Vertrag
       notwendige Gesetzgebung bis zum 31. Dezember zu verabschieden.
       
       Was auch immer am Wochenende entschieden wird, eins ist bereits klar: Die
       Glocke Big Ben wird zwar derzeit renoviert – zum Ende der Übergangsphase am
       31. 12. 2020 um 23 Uhr, Mitternacht in Brüssel, soll sie aber trotzdem
       läuten.
       
       18 Dec 2020
       
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