# taz.de -- Vorwürfe gegen EU-Grenzschutzagentur: Kontrolliert Frontex!
       
       > Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll in illegale „Pushbacks“
       > Geflüchteter auf dem Meer involviert sein. Nun müssen Konsequenzen
       > folgen.
       
 (IMG) Bild: EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, bei einer virtuellen Pressekonferenz im Juli
       
       Frontex-Direktor Fabrice Leggeri zittert bestimmt schon. Passiert ja nicht
       alle Tage, dass die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson im Radio fordert,
       der Chef der EU-Grenzschutzagentur müsse „die volle Verantwortung“
       übernehmen und aufklären, was passiert sei.
       
       Oder auch nicht.
       
       Denn eigentlich dürfte sich Leggeri ja schon an solche Vorwürfe gewöhnt
       haben: [1][Frontex] sei in illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen durch
       die griechische Küstenwache, die sogenannten Pushbacks, verwickelt, hatten
       [2][mehrere Medien wie der Spiegel] und das TV-Magazin „Report Mainz“
       berichtet. Die Recherchen beziehen sich auf Vorfälle mit Flüchtlingen, die
       von der Türkei aus über das Meer versuchten, Griechenland zu erreichen.
       
       Die EU-Grenzschutzagentur soll in einem Fall ein Boot erst blockiert haben
       und dann in hoher Geschwindigkeit an ihm vorbeigefahren sein – anstatt die
       Menschen darin aus der Seenot zu retten. Im Anschluss soll Griechenlands
       Küstenwache die Flüchtlinge in Richtung Türkei zurückgedrängt haben.
       Frontex als willige Komplizin für rechtswidriges und unmenschliches
       Verhalten staatlicher Behörden?
       
       Nicht der erste Bericht zu Pushbacks 
       
       Die EU-Kommission fordert der Agentur nun Rechenschaft ab. Nur warum sollte
       das dieses Mal zu etwas führen? [3][Seit gefühlten Ewigkeiten gibt es
       Berichte über die illegalen Pushbacks] und Nichtregierungsorganisationen
       beschuldigen die europäischen Grenzschützer*innen seit Langem immer wieder,
       an Fehlverhalten an den Grenzen beteiligt zu sein.
       
       Im August letzten Jahres zum Beispiel soll Frontex in Bulgarien,
       Griechenland und Ungarn [4][exzessive Gewalt und Misshandlungen von
       Flüchtlingen hingenommen haben], berichteten Medien mit Verweis auf interne
       Dokumente der EU-Agentur.
       
       Und die Vorwürfe reichen weit zurück: Im Jahr 2013 etwa untersuchte die NGO
       Pro Asyl schon einmal Pushback-Berichte an der Land- und Seegrenze
       Griechenlands zur Türkei und stellte die Frage, ob Frontex daran teilhatte.
       Schließlich war die Agentur schon damals mit den Operationen „Poseidon
       Land“ und „Poseidon Sea“ vor Ort tätig.
       
       Seitdem hat Frontex stets nur an Größe und Macht zugelegt. Nachdem 2015
       viele Schutzsuchende nach Europa gekommen waren, beschloss die EU im
       Folgejahr, die damals ein paar Hundert Mitarbeiter*innen zählende Agentur
       auf 1.000 Personen aufzustocken – plus einen Reservepool von 1.500 Beamten
       aus den Mitgliedsstaaten für den Krisenfall.
       
       Ein Koloss von einer Behörde 
       
       Dieser Aufwuchs soll in den kommenden Jahren noch einmal vervielfacht
       werden: Die EU-Staaten haben sich im vergangenen Jahr mit dem EU-Parlament
       darauf geeinigt, dass die Agentur bis 2027 auf voraussichtlich 10.000
       Einsatzkräfte anwachsen soll. Außerdem sollte sie mehr Befugnisse bekommen.
       
       Von ein paar Hundert Grenzschützer*innen auf eine 10.000 Menschen starke
       Dauerreserve – die Agentur wird damit zu einem Koloss von einer Behörde,
       deren Notwendigkeit von der EU-Kommission immer wieder betont wird. Bei den
       Vorschlägen für eine neue Asylreform im September hat Brüssel der Behörde
       eine stärkere Rolle auch bei Abschiebungen zugedacht. Bei soviel
       Verantwortung sollte der Grundrechtsschutz doch mindestens ebenso
       mitwachsen?
       
       Immerhin verfügt die Behörde schon seit einer Weile über einen
       Beschwerdemechanismus. Doch wie [5][das Recherchemedium Correctiv]
       vergangenes Jahr herausfand, ist dieser „bedeutungslos“: „2018 gingen
       gerade einmal zehn Beschwerden ein – von Hunderttausenden Menschen, die in
       Kontakt mit Frontex kamen.“ Auch weisen die jüngsten Medienenthüllungen
       darauf hin, dass interne Berichte wohl nicht immer die volle Wahrheit über
       die Geschehnisse an die Frontex-Zentrale weitergeben.
       
       Was ist also zu erwarten, wenn EU-Kommissarin Ylva Johansson den
       Frontex-Chef zur Aufklärung bittet und so das ganze Elend weiterreicht? Wo
       sind anlässlich des erneuten Skandals die Vorschläge der EU-Kommission, wie
       der geplante Aufwuchs der Grenzschutzagentur von unabhängiger Kontrolle
       begleitet werden kann? Dass Frontex in illegale Pushbacks involviert sein
       soll, ist nach Jahren der Arbeit von Aktivist*innen und etlichen
       journalistischen Recherchen keine Überraschung. Wenn endlich mal eine
       Konsequenz gezogen würde – das wäre eine.
       
       27 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Frontex/!t5007627/
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-frontex-in-griechenland-in-illegale-pushbacks-verwickelt-a-00000000-0002-0001-0000-000173654787
 (DIR) [3] /Push-backs-von-Gefluechteten/!5687089/
 (DIR) [4] /Menschenrechtsverstoesse-an-EU-Grenzen/!5615353/
 (DIR) [5] https://correctiv.org/top-stories/2019/08/04/frontex-transparenz
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Oer
       
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