# taz.de -- Verkehrsminister im U-Ausschuss: Für PR-Zwecke ungeeignet
       
       > Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss sich rechtfertigen: Hat er
       > gelogen? Und wenn ja, wo und warum?
       
 (IMG) Bild: Jetzt wird es eng: Andreas Scheuer (CSU) im Bundestag
       
       Berlin taz | Keine Konferenz, keine unverbindliche Ankündigung ist
       [1][CSU-Mann Andreas Scheuer] zu klein, um sie mit großem Tamtam
       aufzublasen und so ins Fernsehen zu kommen. Doch am Donnerstag, den 1.
       Oktober, ist das Gegenteil der Fall. Der Bundesverkehrsminister wird zum
       ersten Mal im Bundestagsuntersuchungsausschuss zur gescheiterten
       Pkw-Ausländer-Maut aussagen – obwohl die Sitzung morgens beginnt,
       wahrscheinlich erst am Abend. Nach den Vorstellungen der
       Regierungskoalition wohl möglichst nach der „Tagesschau“. Bis dahin werden
       die KollegInnen aus der Unionsfraktion die Vernehmung der anderen Zeugen
       strecken, erwartet der Bundestagsabgeordnete Christian Jung, der Obmann für
       die FDP im Untersuchungsausschuss ist.
       
       Für Scheuer geht es dabei um viel. Der Ausschuss soll die Umstände des
       gewaltigen Debakels um das einstige CSU-Prestigeprojekt Pkw-Maut für
       Ausländer aufklären. Im Juni 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH)
       die Maut gekippt, weil sie EU-BürgerInnen diskriminiert hätte. Scheuer
       hatte da schon die Verträge mit den vorgesehenen Betreibern geschlossen.
       Die pochen jetzt auf einen Schadenersatz von mehr als einer halben
       Milliarde Euro.
       
       Darüber streiten Betreiber und Verkehrsministerium zurzeit vor einem
       Schiedsgericht. [2][Medienberichten zufolge] sollen die Betreiber Scheuer
       vor der Vertragsunterzeichnung ausdrücklich angeboten haben, mit der
       Unterzeichnung bis zur Urteilsverkündung zu warten. Das hat der Minister in
       einer Fragestunde im Bundestag bestritten. In der vergangenen Woche haben
       die Mitglieder des Ausschusses Protokolle der Betreiberfirmen von
       Gesprächen mit Scheuer bekommen. Danach hat es das Angebot tatsächlich
       gegeben.
       
       ## Ist der Minister noch zu halten?
       
       Am Donnerstag sagen auch die Chefs der Betreibergemeinschaft Autoticket,
       Eventim und Kapsch im Ausschuss aus. Bestätigen sie die Protokolle, könnte
       es eng werden. Aus der SPD heißt es, wenn Scheuer im Bundestag gelogen
       habe, sei er nicht mehr zu halten – aber das müsse bewiesen werden. Auch in
       der Union wächst der Unmut, aber noch wagt sich niemand aus der Deckung.
       
       Bleibt Scheuer bei seiner Darstellung, werden Liberale und Grüne eine
       Gegenüberstellung der Zeugen beantragen. Das kann die Opposition gegen die
       Stimmen der Regierung durchsetzen.
       
       „Auch die Frage, ob Andi Scheuer die Betreiber nach dem Urteil unter Druck
       gesetzt hat, wollen wir klären“, kündigt Oliver Krischer an,
       Vizefraktionschef der Grünen. Möglicherweise hat Scheuer versucht, die
       angebotene Verschiebung zu verschleiern.
       
       ## „Alles missachtet, was man missachten kann“
       
       Akribisch hat der Ausschuss in bislang 27 Sitzungen aufgearbeitet, was
       alles bei dem einstiegen Prestigeprojekt der CSU schiefgelaufen ist. „Der
       Minister hat bei der Maut quasi alles missachtet, was man missachten kann“,
       sagt der FDP-Abgeordnete Christian Jung. Scheuers Vor-Vorgänger, Peter
       Ramsauer, hatte ausgesagt, allen Beteiligten sei klar gewesen, dass die
       Maut bei gleichzeitiger Entlastung der Inländer über die Kfz-Steuer nicht
       europarechtskonform sein kann, wenn kein einziger in Deutschland lebender
       Autohalter benachteiligt wird – genau das war aber vorgesehen. Zig Experten
       haben erklärt, dass die Entscheidung des EuGH keineswegs überraschend war.
       
       Fest steht auch, dass bei der Auftragsvergabe etliches falsch gelaufen ist.
       Unmittelbar vor der Landtagswahl in Bayern im Herbst 2018 war nur eine
       Bietergemeinschaft übrig, die das Projekt übernehmen wollte. Damit die
       nicht auch noch absprang, wurden bei der Vergabe Aufgaben mit einem
       Finanzvolumen von fast einer Milliarde Euro aus dem Vertrag an die
       staatliche Firma Toll Collect ausgelagert. Haushaltsrechtlich war das nicht
       in Ordnung, vergaberechtlich ebenfalls nicht, hat der Ausschuss
       herausgefunden. Denn die ausgeschiedenen Unternehmen hätten den Auftrag bei
       so viel Entgegenkommen möglicherweise auch übernommen. All das hätte wohl
       niemanden interessiert, wenn die Richter das Projekt durchgewunken hätten.
       Etliche der im Bundesverkehrsministerium mit dem Projekt Befassten sind
       nicht mehr auf ihrem Posten – in Scheuers Haus scheint fast eine
       Personalpolitik wie bei Donald Trump zu herrschen. „Der Verkehrsminister
       hat kontinuierlich die Empfehlungen seiner Mitarbeiter unterhalb der
       Leitungsebene ignoriert“, sagt Jung.
       
       Der Liberale ist überzeugt, dass Söder den Minister bereits im Frühjahr
       loswerden wollte. „Söder hatte einen Fahrplan dafür, doch dann kam Corona“,
       sagt er. Jung kann sich nicht vorstellen, dass Söder noch lange zaudert.
       Jung: „Wie soll jemand Bundeskanzler werden, der nicht einmal in so einer
       Sache Führungsstärke beweisen kann.“
       
       30 Sep 2020
       
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