# taz.de -- Überwachungstechnologie im Auto: Negativ-Preis für Tesla
       
       > Der Datenschutzverein Digitalcourage verleiht dem Auto-Hersteller den Big
       > Brother Award. Doch Überwachung im Auto gibt es nicht nur bei Tesla.
       
 (IMG) Bild: Gute Fahrt im Tesla bei voller Überwachung der Nutzerdaten
       
       Berlin taz | Ein Auto ist ein Auto ist ein Auto. Oder? Nun, heutzutage
       nicht unbedingt. Manchmal ist ein Auto primär ein Platzverbraucher am
       Straßenrand, manchmal vor allem ein Stück Überwachungstechnologie. So hat
       der Verein Digitalcourage dem Hersteller Tesla am Freitag Abend den Big
       Brother Award in der Kategorie Mobilität verliehen.
       
       Der Hersteller verkaufe Fahrzeuge, „die ihre Insassen und die Umgebung des
       Autos umfassend und langfristig überwachen“, heißt es im Skript der
       Laudatio von Thilo Weichert, Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung
       für Datenschutz. „Die erhobenen Daten werden permanent ausgewertet und
       können für beliebige Zwecke weiter genutzt werden.“
       
       Tatsächlich ist [1][Teslas Datenschutzerklärung], in der das Unternehmen
       darlegt, welche Daten über das Fahrzeug und die Insass:innen gesammelt
       werden, umfangreich. Ein Punkt darin: die „Telematikprotokolldaten“. Das
       könnten zum Beispiel Daten über Geschwindigkeit, Bremsvorgänge oder die
       Batterieladung sein. „Fernanalysedaten“ stehen auch drin – zum Beispiel der
       Navigationsverlauf. Und der Punkt „Autopilot-Informationen“ erklärt, dass
       auch „kurze Videoaufnahmen von den Außenkameras des Fahrzeugs“ erfasst
       würden.
       
       Das ist auch deshalb besonders relevant, weil Tesla an anderer Stelle die
       Videoüberwachung besonders bewirbt: „Acht Kameras gewähren eine
       360°-Rundumüberwachung der Fahrzeugumgebung in bis zu 250 m Entfernung.“
       Bei dem sogenannten Wächtermodus, der vermutlich dazu gedacht ist, Beweise
       zu sichern, falls jemand das Fahrzeug beschädigt, nehmen die Kameras die
       unmittelbare Umgebung auf. Wer wissen will, was die Kameras dabei
       mitschneiden, wird auf Youtube unter anderem unter dem Stichwort „Tesla
       Camera View“ fündig. Zu sehen unter anderem: Menschen, die in das auf dem
       Stellplatz nebenan geparkte Auto einsteigen, auch Gesichter sind dabei gut
       erkennbar.
       
       ## Widerspruch? Problematisch
       
       Welche Daten davon direkt an Tesla gehen, wie viele vielleicht nur lokal im
       Fahrzeug bleiben, bleibt auch dem Datenschutz-Experten Weichert unklar. Er
       folgert: „Die Rechte, die sich die Firma von Elon Musk in den AGB einräumen
       lässt, sind quasi unbegrenzt.“ Zwar räumt Tesla Kund:innen die Möglichkeit
       zum Widerspruch ein. Dann würden Sensordaten nicht vom Fahrzeug an das
       Unternehmen übertragen, verspricht es in seiner Datenschutzerklärung. Aber:
       „Dies kann dazu führen, dass bei Ihrem Fahrzeug eine lediglich
       eingeschränkte Funktionalität, ernsthafte Schäden oder Funktionsunfähigkeit
       eintreten.“ Eine Anfrage an Tesla, wie letzeres möglich sein soll,
       beantwortete das Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht.
       
       Tesla ist [2][nicht der einzige Automobilhersteller mit einem
       problematischen Datenschutzverständnis]. Weil die Konzerne dabei wenig
       Transparenz zeigen, insbesondere was das Sammeln und Speichern von
       Sensordaten angeht, [3][untersucht etwa der ADAC] regelmäßig mit der Hilfe
       von IT-Expert:innen einzelne Fahrzeuge. Zuletzt wurde unter anderem ein
       Mercedes-Modell unter die Lupe genommen, das mit dem Fahrzeugbetriebssystem
       „me connect“ arbeitet.
       
       Es erfasst danach etwa die Zahl der automatischen Gurtstraffungen (ein
       Klassiker, der Rückschlüsse auf den Fahrstil zulässt) und etwa alle zwei
       Minuten die GPS-Position des Fahrzeugs samt weiterer Daten wie
       Kilometerstand und Tankfüllung. In früheren Untersuchungen hatten die
       Tester:innen unter anderem ein Fahrzeug gefunden, das die Zahl der
       Verstellvorgänge des Fahrersitzes erfasst. Daraus lässt sich schließen, ob
       die Fahrer:innen wechseln. Ebenfalls Usus ist es, bei Ladevorgängen von
       Elektroautos auch Datum, Uhrzeit und Standort zu speichern.
       
       ## Viele Interessenten
       
       Die erhobenen Daten interessieren nicht nur die Hersteller selbst. Sondern
       beispielsweise auch Versicherungen. Die könnten die Daten, etwa im Fall
       eines Unfalls, nutzen, um Näheres über den Hergang zu erfahren. Oder an
       Hand des Fahrstils eine:n Fahrer:in im Tarif nach oben oder nach unten
       einstufen. Auch Behörden interessieren sich für die Daten – Polizei und
       Gerichte etwa bei einem Unfall, Geheimdienste aber auch darüber hinaus.
       [4][So gab das Innenmisterium bereits im vergangenen Jahr auf eine Anfrage
       des Linken-Abgeordneten Thomas Nord an]: Die Hacker-Behörde ZITiS, die
       unter anderem Überwachungs-Technologien für Polizei und Geheimdienste
       entwickeln soll, soll auch vernetzte Autos hacken können.
       
       Für Weichert steht jedenfalls fest: „Die Tesla-Autos sind schlicht und
       einfach unzulässig.“ Die Datensammlungen widersprächen der europäischen
       Datenschutzgrundverordnung. Tätig werden könnte hier die zuständige
       Aufsichtsbehörde.
       
       Da Teslas deutsche Niederlassung sich in München befindet, ist das
       Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht zuständig. Das teilte auf
       Anfrage der taz mit, dass Beschwerden zu verschiedenen Aspekten der
       Datenverarbeitung bei Tesla-Pkws vorlägen, einen Teil davon habe man
       zuständigkeitshalber an die Niederländische Datenschutzaufsicht abgegeben.
       Tesla selbst ließ eine Anfrage der taz zu den Kritikpunkten der
       Datenschützer:innen bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
       
       Nachtrag 20.09.2020: Tesla teilte nach Redaktionsschluss seine Auffassung
       mit, sich im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung zu befinden.
       Videoaufzeichnungen von der Umgebung des Fahrzeugs gingen nur im Fall eines
       sicherheitsrelevanten Ereignisses, wie dem Auslösen eines Airbags, an Tesla
       oder dann, wenn ein:e Kund:in an einem speziellen Programm teilnimmt.
       Andere Aufnahmen von Außenkameras könne Tesla nicht einzelnen Fahrzeugen
       zuordnen und bedürften einer speziellen Datenfreigabe. Aufnahmen des
       Wächtermodus – das ist der, aus dem die oben erwähnten Youtube-Filme
       stammen – würden auf dem USB-Stick des:r Kund:in gespeichert. Tesla erhalte
       die Daten nur, wenn beispielsweise das Auto aufgebrochen wird. Das
       Unternehmen sieht die Verantwortung damit bei den Kund:innen. Eine Kamera,
       die den Innenraum überwacht, sei in Europa bislang nicht aktiv. 
       
       Tatsächlich teilen auch Datenschützer:innen die Ansicht, dass beim
       Wächtermodus der:die Halterin des Fahrzeugs verantwortlich ist für die
       Datenverarbeitung. Im Beschwerdefall müsste dann abgewogen werden, was
       schwerer wiegt: Das Persönlichkeitsrecht der Menschen, die zufällig gefilmt
       werden, etwa, weil sie in das nebenan geparkte Auto einsteigen? Oder das
       Interesse des:r Tesla-Halter:in, Bildmaterial von Verdächtigen zu haben,
       wenn es einen Kratzer am Fahrzeug gibt? Für andere Fälle, in denen Kameras
       die Fahrzeugumgebung ohne Zutun des:r Fahrer:in aufnehmen, wäre Tesla aber
       durchaus verantwortlich. 
       
       Tesla verwies in der Antwort an die taz auf seine Datenschutzerklärung – in
       der sich das Unternehmen allerdings für seine Datenübermittlung in die USA
       auch nach der Verleihung des Big Brother Awards noch auf das Privacy Shield
       beruft. Eine Datenübermittlung auf dieser Basis hatte der Europäische
       Gerichtshof (EuGH) im Juli für unzulässig erklärt.
       
       18 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tesla.com/de_DE/about/legal
 (DIR) [2] /Bewegungsprofil-von-Carsharing-Kunden/!5321293
 (DIR) [3] https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/ausstattung-technik-zubehoer/assistenzsysteme/daten-modernes-auto/
 (DIR) [4] https://netzpolitik.org/2019/staatstrojaner-zitis-will-autos-hacken/#vorschaltbanner
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Datenschutz
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Tesla
 (DIR) Tesla
 (DIR) Datenschutz
 (DIR) Verkehr
 (DIR) Selbstfahrendes Auto
 (DIR) BMW
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mangelhafter Datenschutz: Polizeiverbot für Tesla-Autos
       
       Die Kameras der Autos filmen konstant. Die Berliner Polizei fürchtet,
       dadurch ausgespäht zu werden und verbietet den Zugang zu bestimmten
       Bereichen.
       
 (DIR) Big Brother Award für Online-Plattform: Negativpreis für Doctolib
       
       Der Datenschutzverein Digitalcourage zeichnet die Online-Plattform in der
       Kategorie Gesundheit aus. Es gebe zahlreiche Probleme mit der Transparenz.
       
 (DIR) VWs neues Elektroauto „ID4“: SUV mit Öko-Anspruch
       
       Volkswagen präsentiert sein neues Elektroauto, den „ID4“. Er soll
       klimaneutral sein, den Weltmarkt erobern und erntet ungewohntes Lob.
       
 (DIR) Autonomes Fahren und seine Hindernisse: Die 7 Hürden des fahrerlosen Fahrens
       
       Im Jahr 2018 starten in Baden-Württemberg Tests zum fahrerlosen Autofahren.
       Bis zum alltagstauglichen Auto ist es aber noch weit.
       
 (DIR) Bewegungsprofil von Carsharing-Kunden: BMW im Sammelfieber
       
       Mit vernetzten Autos lassen sich Bewegungsprofile der Nutzer erstellen. Das
       scheint auch der an Drive Now beteiligte Konzern BMW zu machen.
       
 (DIR) Kommentar Blackbox fürs Auto: Nur am Anfang gut
       
       Datenweitergabe an die Polizei, Werbung, Preiserhöhung für Verweigerer: All
       das ist für die Telematik-Box nicht vorgesehen. Vorerst.