# taz.de -- Doppelte Nutzung von Agrarflächen: Himbeeren und Strom vom Acker
       
       > Landwirtschaft und Solarstromerzeugung suchen die Symbiose: Bei der
       > sogenannten Agrophotovoltaik gedeihen Pflanzen unter Paneelen.
       
 (IMG) Bild: Agrophotovoltaik in Heggelbach am Bodensee
       
       Freiburg taz | Oben wird Strom erzeugt, auf dem Acker darunter wachsen
       Nahrungsmittel – idealerweise solche Kulturen, denen zu viel Sonne ohnehin
       nicht guttut. [1][Ein Projekt dieser Art] – genannt: Agrophotovoltaik (APV)
       – realisiert das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) gerade
       in Denzlingen im Freiburger Umland.
       
       Doppelte Sonnenernte auf knappen Flächen: Schon vor Jahrzehnten hatte der
       Gründer des Freiburger ISE, Adolf Goetzberger, das Konzept im Sinn, doch
       offenbar ist erst jetzt die Zeit dafür reif. Die neue Anlage mit 20
       Kilowatt ist schon die zweite ihrer Art in Deutschland.
       
       Auf einer 250 Quadratmeter großen Ackerfläche werden die Solarmodule auf
       Gestellen montiert; eine Durchfahrtshöhe von fünf Metern ermöglicht weiter
       den Einsatz großer Landmaschinen.
       
       Die erste Anlage dieser Art steht bereits seit drei Jahren ebenfalls in
       Südbaden. Sie ist deutlich größer: Auf dem Gelände der
       Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach nahe dem Bodensee testen die Freiburger
       Solarforscher seither auf 0,3 Hektar – also mehr als zehnmal so groß – das
       Zusammenspiel von Ackerbau und Stromerzeugung mit einer
       194-Kilowatt-Anlage.
       
       ## Kartoffeln gedeihen besser
       
       Der Effekt der Verschattung ist natürlich je nach Art der Pflanzen
       unterschiedlich. Drei der vier getesteten Kulturen erzielten unter der
       Anlage höhere Erträge als auf der Referenzfläche ohne Solarmodule. Am
       stärksten profitierte der Sellerie (plus 12 Prozent), während Winterweizen
       3 Prozent mehr und Kleegras 8 Prozent weniger wuchsen.
       
       Etwas besser gediehen auch die Kartoffeln. Anhand dieses Beispiels
       errechneten die ISE-Forscher für das Jahr 2018 eine „Landnutzungseffizienz“
       von 186 Prozent: Das Kartoffelfeld habe 103 Prozent der Ernte erbracht,
       verglichen mit einem unverschatteten Acker. Zugleich habe die
       Solarstromanlage 83 Prozent des Ertrags einer normalen Freilandanlage
       generiert.
       
       Längst denken nun auch andere über solche Synergien nach. Im Freiburger
       Winzerort Munzingen will der Nebenerwerbswinzer und Solarunternehmer
       [2][Edgar Gimbel] seine Reben auf einem halben Hektar mit Solarmodulen
       überbauen, um die Trauben vor Hagel und Starkregen sowie vor Sonnenbrand zu
       schützen. Selbst bei leichtem Frost könne die Überdachung schützen, sagt
       er. Bisher hängt das Projekt noch an Genehmigungsfragen.
       
       Auch in anderen Ländern werden erste APV-Projekte realisiert: In den
       Niederlanden hat die BayWa r.e. Solar Projects, deren Technischer Direktor
       Gimbel ist, gerade eine Anlage über einer Himbeerplantage errichtet –
       Solarmodule ersetzen dort den Folientunnel.
       
       ## Bifaciale Module
       
       Die Firma Next2Sun aus Merzig im Saarland unterdessen setzt auf
       Solarkraftwerke, deren Module auf Grünland vertikal aufgestellt werden. Sie
       verwendet dabei sogenannte bifaciale Module, die nicht nur auf der
       Vorderseite Strom erzeugen, sondern auch auf der Rückseite. Eine Seite
       weist gen Osten, die andere gen Westen, so fangen die Zellen den ganzen Tag
       über Sonne ein. Der Reihenabstand ist groß genug, um dazwischen mit der
       Mähmaschine zu arbeiten.
       
       Eine solche Anlage mit zwei Megawatt ging Ende 2018 in Eppelborn-Dirmingen
       im Saarland ans Netz, eine weitere folgt derzeit im badischen
       Donaueschingen mit 4,1 Megawatt auf zwölf Hektar.
       
       So kreativ solche Freilandlösungen auch sein mögen: Sie müssen jeweils
       individuell konzipiert werden, denn je nach Art der Vegetation kann ein
       anderer Verschattungsgrad sinnvoll sein. Das ISE hält Verschattungen
       zwischen 10 und 70 Prozent für praktikabel.
       
       Bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit. Denn allein durch den Stromerlös
       ist APV zumeist nicht rentabel: Anlagen mit einer Durchfahrtshöhe von fünf
       Metern seien etwa ein Drittel teurer als bodennahe Freiland-PV, sagt
       Maximilian Trommsdorff, der zuständige Projektmanager am ISE. Die
       Wirtschaftlichkeit ergibt sich daher oft erst durch den Zusatznutzen, den
       die Landwirtschaft durch die Verschattung bekommt.
       
       28 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2017/sonne-ernten-auf-zwei-etagen-agrophotovoltaik-steigert-landnutzungseffizienz-um-ueber-60-prozent.html
 (DIR) [2] https://www.sonnenseite.com/de/wirtschaft/himbeeren-unter-solarmodulen-statt-unter-folientunneln.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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