# taz.de -- Bundestag beschließt Grundrente: Von den Niederlanden weit entfernt
       
       > Der Bundestag hat die Grundrente beschlossen. Die Sozialdemokraten freuen
       > sich, die anderen Parteien hadern.
       
 (IMG) Bild: Arbeitsminister Heil mit Susanne Holtkotte, Reinigungskraft aus Bochum
       
       Berlin taz | Hubertus Heil hatte ein Beispiel mitgebracht, um den Segen zu
       verdeutlichen, den die Grundrente bedeuten wird. Auf der Bundestagsempore
       saß Susanne Holtkotte, Reinigungskraft aus Bochum, die keine 11 Euro in der
       Stunde verdient. Dank Grundrente, so der Arbeitsminister, dem „zentralen
       sozialpolitischen Reformprojekt der Regierung“, werde Holtkotte, wenn sie
       2038 in Rente geht, nicht bloß 760, sondern 1030 Euro bekommen. Und das, so
       Heil, ohne einen Antrag stellen zu müssen, weil Finanzamt und
       Rentenversicherung vorab klären, ob und wie viel Grundrente fließt.
       
       Die SPD ist zufrieden mit sich selbst. Zu Beginn der überraschungsarm
       verlaufenden [1][Debatte über das Konjunkturpaket] hatte Olaf Scholz die
       Grundrente als Beispiel gelobt. Man werde den Sozialstaat in der Krise
       „nicht antasten, sondern ausbauen“.
       
       Bei der Grundrente hat sich die SPD zwar nicht mit ihrem Entwurf
       durchgesetzt. Der hätte rund 6 Milliarden Euro gekostet und wäre 3
       Millionen BürgerInnen zugute gekommen. Nun liegen die Kosten bei 1,5
       Milliarden Euro, und 1,3 Millionen EmpfängerInnen werden im Schnitt wohl 75
       Euro mehr im Monat bekommen. Gleichwohl, so der Rentenexperte der
       Linkspartei, Matthias Birkwald, habe die SPD [2][die Totalblockade der
       Union aufgesprengt]. „Chapeau, Herr Minister“, rief Birkwald fröhlich
       Richtung Regierungsbank, „Sie haben sich gegen den Wirtschaftsflügel der
       Union durchgesetzt.“
       
       Die Linkspartei hat bei der Grundrente keinen einfachen Part. Sie kann als
       Partei, die mantraartig Rentenerhöhungen fordert, schlecht Nein sagen, Ja
       aber auch nicht. Deshalb enthielt sie sich. Das wirkt oft lau. Birkwald
       überspielte dies mit einer schwungvollen Rede, lobte einerseits, dass die
       Grundrente vor allem Frauen im Osten zugute komme, kritisierte anderseits,
       dass sich die Union bei der Einkommensprüfung durchgesetzt hatte. Das
       Gesetz schaffe nun „ein bürokratisches Monstrum“. Und sei von einer echten
       Grundrente wie in den Niederlanden, wo man 1.250 Euro bekommt, weit
       entfernt.
       
       Der FDP-Rentenexperte Johannes Vogel klang passagen- und
       überraschenderweise ähnlich wie der Linksparteimann. Er wies auf einen
       Defekt der Grundrente hin: Die Altenpflegerin, die 32 Jahre Rente
       angerechnet bekommt, bekommt nichts. Denn Voraussetzung für den Bezug der
       neuen Rente sind 33 Anrechnungsjahre. Das ist ungerecht. „Die Armen gehen
       leer aus“, rief Vogel und traf einen richtigen Punkt: Gegen Altersarmut
       hilft die Grundrente nur sehr punktuell. Die FDP ist in der Rolle des Robin
       Hood der armen RentnerInnen aber noch gewöhnungsbedürftig.
       
       Markus Kurth, grüner Rentenfachmann, vermutet massenhafte Enttäuschung über
       die Grundrente, die eben viele nicht bekommen werden. Wenn Reinigungskraft
       Holtkotte arbeitslos werde und keine 33 Jahre in die Rente einzahle,
       bekomme sie nichts. Gleiches gelte für Leute mit Erwerbsminderungsrente. In
       dem Modell der Grünen reichen 30 Jahre. Wenn man erst regiere, so Kurth,
       werden man die Grundrente in diese Richtung verändern.
       
       2 Jul 2020
       
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