# taz.de -- Allroundkünstler dreht Coronafilm: Allein durch die Krise
       
       > Berthold von Kamptz hat sich bei seinem Filmprojekt „Corona – Tod in der
       > Stille“ gezielt verzettelt. Fragmente gibt es nun auf Youtube zu sehen.
       
 (IMG) Bild: Low Budget-Dreh auf menschenleeren Straßen: Berthold von Kamptz bei der Arbeit
       
       Bremen taz | „Die Coronakrise nimmt mir die Hoffnung, Zukunft,
       wirtschaftliche Existenz“, lamentiert Erik in die Kamera seines
       Smartphones. „Was kommt noch? Depression, Einsamkeit, Pleite? Wie soll das
       weitergehen?“, fragt er auf seinem Spaziergang durch eine sommerliche,
       auffallend menschenleere Hamburger Wohngegend – es ist Shutdown. Spricht da
       eine Filmfigur von in der Luft liegenden, allgemeineren Ängsten? Oder ist
       es Berthold von Kamptz, der Regisseur des Films, der hinter einer nur
       dünnen fiktiven Schutzschicht seine ganz eigene Verzweiflung zu
       ästhetisieren versucht?
       
       In „Corona – Tod in der Stille“ arbeitet er immer wieder im Stil des
       gefilmten Selfies, und die von ihm gespielte Filmfigur „Erik“ ist wie er
       selbst ein freischaffender Künstler, dem in Folge der Pandemie und des
       Shutdowns die Aufträge wegbrachen und der dann schnell in Geldnot geriet.
       In einer Szene versucht er an einem Bankautomaten Geld abzuheben und liest
       auf dem Schirm, dass sein Konto gesperrt ist. In einer anderen sucht er auf
       entsprechenden Internetplattformen nach Arbeitsangeboten für freie Künstler
       – ohne Erfolg. Nein, das ist keine Fiktion, sondern gefilmte Realität. Und
       so ist „Corona –Tod in der Stille“ dann auch interessant: als Dokument.
       
       Wenn von Kamptz irgendwann genügend Distanz hat zu seinem aktuellen
       Gemütszustand – und also auch dem zwischen März und Ende Mai gedrehten
       Material –, dann wird er hoffentlich so klug sein, einzusehen: Das ist
       gutes Material für einen Dokumentarfilm, aber nicht so sehr für das, was er
       eigentlich vorgehabt hatte: Geplant war ein trashiger Film, in dem Erik im
       Coronachaos einzig Elend, Krankheit und Tod erfährt und alle Filmfiguren
       sterben; auch der Protagonist. Denn das Drehbuch ist eher hanebüchen, das
       ganze Projekt aus der Not geboren, ein Schnellschuss, bei dem kaum Zeit
       blieb, eine Geschichte zu entwickeln.
       
       Der Wahlhamburger von Kamptz [1][ist eine Art Allroundkünstler],
       [2][bezeichnet sich selbst] als „Musiker, Filmemacher, Illustrator und
       Maler“, habe aber auch schon „als Modell bei der Frauenzeitschrift Tina“
       gearbeitet. 1992 feierte er als Regisseur der knapp budgetierten
       Hitchcock-Parodie„Psycho – Das Geheimnis des Phantom-Killers“ nach einer
       Premiere auf dem Fantasy-Filmfestival im Metropolis-Kino einen kurzlebigen
       Erfolg. Auch zu Anfang dieses Jahres nun verfolgte er mehrere Filmprojekte,
       darunter ein Low-Budget-Zombiefilm.
       
       ## Trash-Spielfilm geplant
       
       Corona machte diese Drehs unmöglich. Zuerst spontan und ohne einen echten
       Plan, begann von Kamptz unter den schwierigen Bedingungen – sowie der
       Einhaltung der Kontaktbeschränkungen – weiter zu filmen, unterstützt nur
       von der Familie und einigen Bekannten, sodass mehrere Aufnahmen wirken wie
       aus Homemovies.
       
       Es entstanden – in Altona, auf der Reeperbahn, auf der Veddel, im
       Jenischpark oder in Övelgönne – aber auch wirklich beeindruckende
       Stimmungsbilder: düstere, menschenleere Stadtansichten, aufgenommen mit
       der Handykamera, und immer wieder inklusive Schwenk zurück in die
       Selfie-Perspektive und von Kamptz’ larmoyanter Klage. Die allerdings lässt
       sich mit gutem Willen als Rollenprosa interpretieren, denn nach und nach
       wurde aus dem Protagonisten erst die Kunstfigur „Erik“.
       
       Mit der Grenze zwischen Selbstporträt und Charakterzeichnung spielt der
       Macher aber auch schon mal ganz bewusst. So gibt es eine Szene, die zeigt,
       wie er sich auf einem nächtlichen Spaziergang betrinkt. In dem dabei zum
       Einsatz kommenden Flachmann war aber nicht, wie beim Film üblich, Eistee,
       sondern richtiger Weinbrand. Davon wurde von Kamptz dann so betrunken
       wurde, dass spätere Aufnahmen nicht mehr zu gebrauchen waren – „weil ich zu
       viel gewackelt habe“.
       
       Als Inspirationsquellen nennt er den Maler Vincent van Gogh, aber auch den
       pseudodokumentarischen Horrorfilm „Blair Witch Project“ (1999), dessen
       radikal subjektive Kameraführung er übernommen hat. Der Vergleich mit van
       Gogh mag vermessen klingen, aber er ergibt einen gewissen Sinn mit Blick
       auf das kompromisslose Vermischen von Leben und Werk sowie die Idee vom
       Künstler als Leidensmann. Denn von Kamptz ging für seinen Film ohne
       Rücksicht auf Verluste dahin, wo es wehtat: Auf dem Jungfernstieg wurde er
       bepöbelt und im Durcheinander danach stahl man ihm das Geld aus dem
       Portemonnaie. Für andere Aufnahmen fuhr er nach Berlin, wo ihn aber kein
       Hotel aufnahm, sodass er die ganze Nacht durch die Stadt irrte. Dabei
       gelangen ihm dann wiederum gespenstisch düstere Aufnahmen vom
       menschenleeren Potsdamer Platz, der Siegessäule, dem Bahnhof Zoo.
       
       Wie es schließlich zum Abbruch der Dreharbeiten kam, ist dramatischer als
       alles, was je im Drehbuch stand: Von Kamptz besuchte Ingrid Hammill, eine
       gute Bekannte und Schauspielerin, die in der Rolle als Tante in einer
       Spielszene an Covid-19 verstirbt. Die Frau steigerte sich aber derart in
       ihre realen Ängste hinein, dass sie einen Nervenzusammenbruch erlitt,
       dessen Symptome – unter anderem Fieber – denen einer Corona-Erkrankung
       ähnelten.
       
       ## Verdacht auf – Corona
       
       Vom Kamptz ging für eine halbe Woche in freiwillige Quarantäne, auch wenn
       sich die Sache als Fehlalarm herausstellte. Danach wollte trotzdem niemand
       mehr mit ihm an dem Film weiter arbeiten. Genug Material für eine zwei
       Stunden lange Endfassung von „Corona – Tod in der Stille“ will der
       Filmemacher dennoch im Kasten haben.
       
       Mit über 16 Stunden Ausgangsmaterial und einem dramaturgisch alles andere
       als ausgereiften Drehbuch wird der Schnitt allerdings eine schwierige, wenn
       nicht gar unlösbare Aufgabe. „Damit das Publikum nicht warten muss“, so von
       Kamptz, hat er schon jetzt viele unbearbeitete Teile seines Films [3][auf
       Youtube] hochgeladen, zum Teil unter dem alten Arbeitstitel „Corona – Tod
       im Feld“. Die Zahl der Aufrufe hält sich aber bisher in Grenzen.
       
       Den Wert einiger seiner Aufnahmen erkannten dafür zwei nicht unbedingt
       naheliegende Institutionen: Das [4][Archäologische Museum Harburg] sowie
       das [5][Corona Archiv der Universität Hamburg] haben Filmbilder in ihre
       Sammlungen aufgenommen: als Zeitdokumente.
       
       16 Jun 2020
       
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 (DIR) [5] https://coronarchiv.geschichte.uni-hamburg.de/
       
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