# taz.de -- Handel und Menschenrechte: Conti stellt auf Durchzug
       
       > Wie sich eine Tochter des Hannoverschen Automobilzulieferers Continental
       > in Westsahara engagiert und in Konflikt mit dem europäischen Recht gerät.
       
 (IMG) Bild: Besetztes Land: Protestcamp am Rande von Westsaharas Hauptstadt El Aaiún/Laâyoune im November 2010
       
       Hannover taz | Dass die Standards des humanitären Völkerrechts manchmal
       eben doch schwerer wiegen als globalisierte Wirtschaftsinteressen, zeigte
       sich im Mai 2017 im südafrikanischen Port Elizabeth. Die Zollbehörden der
       Hafenstadt beschlagnahmten damals die 54.000 Tonnen schwere Phosphatladung,
       die an Bord eines Frachters aus der seit 1976 völkerrechtswidrig von
       Marokko besetzten Westsahara auf dem Weg nach Neuseeland war.
       
       Ein spektakulärer Fall, der Warenwert betrug 5,2 Millionen US-Dollar. Im
       Februar 2018 schließlich urteilte das Oberste Gericht in Südafrika, dass
       die Demokratische Arabische Republik Sahara, der Exilstaat der sahrauischen
       Urbevölkerung in den algerischen Flüchtlingslagern, rechtmäßige
       Eigentümerin der Phosphatfracht sei. Ein Präzedenzfall auch für die
       Befreiungsbewegung Frente Polisario, die von der UNO anerkannte Vertreterin
       des [1][Kampfes der Sahrauis] um ihr Recht auf Selbstbestimmung.
       
       Nun hat Südafrika aufgrund seiner eigenen Geschichte der Unterdrückung und
       Befreiung eine besondere Beziehung zur Westsahara. So wird die
       Demokratische Arabische Republik Sahara von Pretoria als eigener Staat
       anerkannt – Deutschland dagegen tut das nicht.
       
       Und auch deutsche Firmen nehmen es beim Thema Ressourcenabbau in dem Gebiet
       mit dem Völkerrecht nicht so genau. An der in Südafrika beschlagnahmten
       Phosphatladung zum Beispiel war auch der [2][Hannoveraner Konzern
       Continental AG], beziehungsweise dessen Tochtergesellschaft Contitech AG,
       zumindest indirekt beteiligt. Das Phosphatgestein wurde in der Mine Bou
       Craa im von Marokko besetzten Teil der Westsahara abgebaut.
       
       ## Beihilfe zum Rohstoffraub
       
       Contitech hat einen Liefervertrag mit der staatlichen marokkanischen Firma
       OCP mit Sitz in Casablanca, der nach fünf Jahren Laufzeit gerade neu
       verhandelt wird. Das Unternehmen liefert Ersatzteile für das über 100
       Kilometer lange Förderband, auf dem das Phosphatgestein von der Mine,
       betrieben von der OCP-Tochtergesellschaft Phosboucraa, in die Küstenstadt
       El Aaiún am Atlantik transportiert und von dort weltweit verschifft wird.
       
       „Der Abbau des Phosphates findet in einem besetzten Gebiet und ohne
       Zustimmung der Polisario als einziger rechtmäßiger Vertretung der Sahrauis
       statt und verstößt damit gegen das Völkerrecht“, sagt Tanja Brodtmann,
       Vorsitzende des [3][Bremer Vereins „Freiheit für die Westsahara“.]
       
       Bei der Westsahara handelt es sich laut der UNO um ein sogenanntes
       Hoheitsgebiet ohne Selbstverwaltung. Als die spanische Kolonialmacht 1975
       abzog, marschierte Marokko in das Territorium ein und kontrolliert seitdem
       den größten Teil. Während eines [4][Krieges mit der Frente Polisario] floh
       ein Großteil der Sahrauis in Flüchtlingslager nach Algerien, die heute noch
       existieren. Ein von der UNO 1991 in Aussicht gestelltes Referendum über die
       Zukunft der Westsahara hat bis heute nicht stattgefunden.
       
       Stattdessen beutet Marokko weiterhin die üppigen Bodenschätze in den
       besetzten Gebieten aus. Die Westsahara verfügt mit etwa 10.000 Millionen
       Tonnen über etwa ein Siebtel der weltweiten Vorkommen an Phosphat, das
       hauptsächlich für die Produktion von Düngemitteln genutzt wird. Laut der
       international tätigen Organisation Western Sahara Ressource Watch wurden
       2019 etwa eine Millionen Tonnen Phosphat mit einem Wert von etwa 90
       Millionen Dollar in der Mine Bou Craa abgebaut.
       
       Ende März dieses Jahres hat Frente Polisario ein Protestschreiben an Hannes
       Friederichsen, Leiter des Geschäftsbereiches für Transportlösungen bei
       Contitech, verschickt. Die Befreiungsbewegung beruft sich darin auf ein
       Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Dezember 2016, wonach
       Marokko und die Westsahara zwei getrennte Territorien sind und Marokko dort
       keine Souveränität besitzt, sondern nur den Status einer militärischen
       Besatzungsmacht nach der IV. Genfer Konvention.
       
       Die erlaube es einer Besatzungsmacht nicht, die Bodenschätze eines
       besetzten Gebietes abzubauen. „Mit Ihren Aktivitäten in der Westsahara
       intervenieren Sie in einem Territorium, das uns gehört, und beteiligen sich
       an der Plünderung unserer Bodenschätze, was die zivil- und strafrechtliche
       Verantwortung Ihres Konzerns und seiner Führung nach sich zieht“, wird Oubi
       Bouchraya Bachir, Polisario-Beauftragter für Europa und die Europäische
       Union, in dem Schreiben recht deutlich.
       
       Eine Antwort von Contitech-Direktor Hannes Friederichsen an die Polisario
       steht nach Informationen der taz nord noch aus.
       
       ## Besatzungsmacht Marokko
       
       In einer Analyse der völkerrechtlichen Aspekte des Westsahara-Konflikts
       sind auch die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages 2019 zu
       dem Ergebnis gekommen, dass Marokko „als Besatzungsmacht anzusehen“ sei.
       
       „Wir hoffen aufrichtig, dass Unternehmen die Schlussfolgerung des Berichts
       zur Kenntnis nehmen, dass Marokko die Westsahara besetzt. (…) Uns erscheint
       es undenkbar, dass verantwortungsbewusste Firmen mit einer Verletzung des
       Völkerrechts in Verbindung gebracht werden wollen“, kommentiert Tim Sauer
       von Western Sahara Ressource Watch.
       
       Während sich die Führungsriege bei Contitech in der Kommunikation zur
       Westsahara eher bedeckt gibt, erhält man aus der Presseabteilung des
       Unternehmens recht zügig Antworten. „Wir weisen darauf hin, dass
       Continental nicht im Territorium von Westsahara tätig ist. Contitech
       beziehungsweise Continental sind weder ein Bergwerksbetreiber noch planen
       oder errichten sie ganze Anlagen oder Installationen“, schreibt Jochen
       Vennemann, Referent für Externe Kommunikation bei der Contitech AG.
       
       Eine doch etwas überraschende Einschätzung der Situation, da die
       Förderbänder des Unternehmens ja wissentlich auch in der Mine Bou Craa in
       der besetzten Westsahara eingesetzt werden. Sprecher Vennemann verweist auf
       die Tatsache, dass der Vertragspartner und Auftraggeber OCP ja seinen Sitz
       in Marokko habe. Bereits 1971, also noch zu Zeiten der spanischen
       Kolonialherrschaft über das Gebiet der Westsahara, hatte Continental Teile
       des Förderbands für die Phosphatmine in Bou Craa geliefert.
       
       Immer wieder betont das Hannoversche Unternehmen seine soziale
       Verantwortung. Man sei Teil der United Nations Global Compact Initiative
       und deren Prinzipien zu Menschenrechten, Arbeitsrecht, Umweltschutz und dem
       Kampf gegen Korruption, schrieb Hannes Friederichsen bereits 2017 an
       Western Sahara Ressource Watch. Auch Pressesprecher Vennemann bringt die
       Hoffnung „auf eine friedliche Lösung der Gesamtsituation zum Wohle der
       Menschen in der Westsahara“ zum Ausdruck.
       
       Laut der Homepage des örtlichen Minenbetreibers Phosboucraa hat das
       Unternehmen dort 2.100 Mitarbeiter, darunter auch einige Hundert Sahrauis.
       Man bekennt sich zur lokalen Verwurzelung und sozialen Verantwortung.
       
       Tanja Brodtmann vom Verein Freiheit für die Westsahara hält das regionale
       Engagement für Augenwischerei des Konzerns. „Damit legitimieren sie
       letztlich auch nur ihre Aktivitäten in einem besetzten Gebiet und
       stabilisieren den völkerrechtswidrigen Zustand“, betont die Aktivistin. Man
       könne nicht einzelne Sahrauis rauspicken und dann sagen, dass man etwas für
       die Gesamtheit der angestammten Bevölkerung tue.
       
       „Jegliche wirtschaftliche Aktivität in dem Gebiet ohne Beteiligung der
       Sahrauis unterstützt und stabilisiert die Besatzung. Das Phosphat wird der
       Bevölkerung weggenommen“, sagt Brodtmann.
       
       Auch Katja Keul, Grünen-Bundestagsabgeordnete aus dem niedersächsischen
       Nienburg, betont, dass die Westsahara nicht Marokko ist. „Handelsverträge
       wie die zwischen Marokko und der Europäischen Union können nicht das
       Völkerrecht aufheben“, erklärt die Abgeordnete, die in diesem Zusammenhang
       auch die Bundesregierung kritisiert.
       
       „Man hört dort nur Floskeln über die Bestimmungen des Völkerrechts, weil
       man keinen Ärger mit Marokko will. Das ist ein Freibrief für die
       Unternehmen“. Contitech unterstütze mit seinen Aktivitäten den Bruch des
       Völkerrechts in der Westsahara, erklärt Keul.
       
       Ein Zeichen der Hoffnung für die Sahrauis gibt es allerdings: Der Handel
       mit Phosphat aus der Westsahara ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu
       2018 um nahezu die Hälfte eingebrochen. Große Unternehmen aus den USA und
       Kanada haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen – ob nun aus Verantwortung
       für das humanitäre Völkerrecht oder aus Angst vor Prozessen und
       Imageverlusten, ist unbekannt.
       
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       unserem [5][E-Paper]
       
       29 May 2020
       
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