# taz.de -- Microsoft-Gründer Bill Gates: Der Mann am anderen Ende
       
       > Software-Milliardär Gates steckt Hunderte Millionen Dollar in
       > Gesundheitsprojekte. Für viele Anhänger von US-Präsident Trump ist er
       > deshalb ein Feind.
       
 (IMG) Bild: Der Sündenbock: Bill Gates ist auch für die deutschen Demonstranten eine Hassfigur
       
       New York taz | Die Sahnetorte, die Bill Gates im Jahr 1998 in Brüssel traf,
       richtete sich gegen den machthungrigen, skrupellosen Kapitalisten. Damals
       war der Mitgründer von Microsoft, der binnen weniger Jahre zum reichsten
       Mann der Welt geworden war, noch auf Computersoftware konzentriert.
       
       Heute, da Gates hauptberuflich in seiner zweiten Karriere als „Philanthrop“
       aktiv ist und Hunderte von Millionen Dollar in Gesundheitsprojekte im
       Norden und im Süden des Planeten steckt, wird er nicht mehr eingetortet.
       Dennoch hat sich die Zahl seiner Gegner vervielfacht. Seit dem Ausbruch der
       Covid-19-Pandemie erreicht ihre Wut immer neue Höhepunkte. Als der
       64-jährige Multimilliardär aus Seattle Anfang April ein drei Sekunden
       langes Video veröffentlicht, auf dem er einen Zettel mit der Aufschrift
       „Danke Gesundheitsbeschäftigte“ in ein Fenster klebt, erscheinen binnen
       Stunden fast eine viertel Million Posts gegen ihn in den „sozialen Medien“.
       
       Als Gates eine Woche später kritisiert, dass Donald Trump die
       Beitragszahlungen der USA an die Weltgesundheitsorganisation WHO einstellen
       will, gerieten Gates’ Gegner völlig außer Rand und Band. Die Vorwürfe
       reichen von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ über „Gates steckt unter
       einer Decke mit der WHO und China“ bis hin zu: „will zwangsimpfen“ und
       „will Mikrochips implantieren“.
       
       Die Bill & Melinda Gates Foundation war schon lange vor Trumps
       angekündigtem Finanzierungstop die zweitgrößte einzelne Geldgeberin der
       UN-Unterorganisation. Sie zahlt seit Jahren fast ein Zehntel des WHO-Etats.
       Während der Pandemie stockte die Stiftung ihren Beitrag um weitere 150
       Millionen Dollar auf.
       
       ## Trumps WHO-Rückzug hätte Folgen
       
       Mit Trumps Rückzug – und dem drohenden Wegfall von 400 Millionen Dollar pro
       Jahr – wird die WHO noch abhängiger von Gates-Spenden. Diese fließen vor
       allem in die Bekämpfung von infektiösen Krankheiten wie Lepra, Polio,
       Malaria, Pocken, HIV, Ebola und TBC. Die Weltgesundheitsorganisation
       finanziert sich längst nicht mehr vorrangig aus öffentlichen Mitteln,
       sondern zu 80 Prozent aus freiwilligen Spenden. Diese kommen von
       Privatleuten und Konzernen und sind in der Regel „zweckgebunden“.
       
       Aber der Furor der Gates-GegnerInnen richtet sich nicht gegen die
       finanzielle Privatisierug der supranationalen Organisation, sondern gegen
       die Existenz und den Einfluss von internationalen Organisationen an sich.
       Die ProtestlerInnen sind ein Querschnitt der radikalen Trumpbasis:
       republikanische Politiker, radikale Rechte, Nationalisten, evangelikale
       Prediger, Impfgegner und Verschwörungstheoretiker wie der anonyme „QAnon“,
       vereinzelt auch ein paar Ärzte. Alle identifizieren sich mit der Parole
       „America First“, die Trump schon als Kandidat ausgegeben hat. Sie
       applaudieren, wenn er sich aus einem internationalen Vertrag zurückzieht –
       wie dem Pariser Klima- oder dem Iranabkommen. Oder wenn Trump vor der
       Generalversammlung der Vereinten Nationen in seiner Eröffnungsrede sagt:
       „Wir sind gegen die Idee von Globalismus.“
       
       In der Weltsicht der Trump-Anhänger ist kein Platz für internationale
       Organisationen, Verhandlungen und Verträge. Sie wollen keine
       „Weltregierung“. Sie sehen die USA als den „Leader“, dem der Rest der Welt
       zu folgen hat. Wenn überhaupt, dann wollen Trump und seine Gefolgschaft
       bilateral verhandeln.
       
       Mit China hatte Trump diesen bilateralen Weg eingeschlagen. Im Januar und
       Februar lobte er 15-mal öffentlich den „guten Job“ und die „enormen
       Fortschritte“ der Regierung in Peking beim Ausbruch des Virus und bedankte
       sich „im Namen des amerikanischen Volkes bei Präsident Xi“. Aber als die
       Pandemie im Inneren der USA eskalierte und es im reichsten Land der Erde
       nicht einmal genügend Masken für Ärzte und Krankenschwestern, geschweige
       denn Tests gab, machte Trump eine seiner 180-Grad-Wendungen. Seither wirft
       er China die mangelhafte Bekämpfung des Virus und schlechte
       Informationspolitik vor.
       
       ## Für Trump ist WHO Komplizin Chinas
       
       Trump widerspricht dabei seinen eigenen Geheimdiensten und legt vielfach
       nahe, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stammt. Ende April verstieg
       er sich sogar zu der Behauptung, China werde „alles tun“, um seine
       Wiederwahl im November zu verhindern. Die WHO, die Trump schon lange im
       Visier hatte, bezeichnet er jetzt als Komplizin Chinas. Bill Gates, der
       sowohl mit der WHO zusammenarbeitet als auch die chinesischen Erfolge in
       der Pandemiebekämpfung würdigt, steht damit automatisch auf der anderen,
       der feindlichen Seite.
       
       Viele sehen darin die übliche Trump-Masche, in der sich alles um ihn dreht.
       „Amerika hat sich der Aufgabe gestellt und hat sich durchgesetzt“, lobte er
       sich in der zweiten Maiwoche mal wieder selbst. Zu dem Zeitpunkt bewegte
       sich die Zahl der Coronatoten in den USA auf die 100.000 zu.
       
       Gates steht am anderen Ende, bei Trumps Gegnern. Während sich der
       US-Präsident auf das Nationale konzentriert, Virologen und andere Forscher
       je nach Laune ernst nimmt oder abwatscht und das Virus verharmlost,
       intensivierte der Multimilliardär seine internationale Zusammenarbeit mit
       der WHO, mit nationalen Regierungen und mit Pharmakonzernen. Er ist ein
       „Globalist“, wie Trump-Anhänger sagen.
       
       Im Dezember 2016, kurz bevor Trump sein Amt in Washington antrat, besuchte
       Gates den angehenden Präsidenten in dessen Turm in New York. Doch sein
       Versuch, Trump von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich auf kommende
       Pandemien vorzubereiten, scheiterte. Als er ins Amt kam, kürzte Trump den
       Haushalt und Mittel für Personal in der Forschung.
       
       ## Gates warnte seit Jahren vor Pandemie
       
       Gates ist kein Virologe. Aber er hört auf die Forscher. Und er mahnt seit
       2010 immer wieder vor einer kommenden Pandemie. Vor zehn Jahre kommentierte
       er den überstandenen H1N1-Ausbruch von 2009 mit den Worten: „Wir hatten
       Glück, dass es nicht schlimmer kam. Denn wir waren fast komplett
       unvorbereitet.“ Er gab Interviews, veröffentlichte Artikel und hielt Reden
       in Davos, New York und Washington. Im Jahr 2015 sagte Gates in einem in
       diesen Tagen vielzitierten Vortrag: „Wenn irgendetwas in den nächsten
       Jahrzehnten mehr als zehn Millionen Menschen tötet, ist das wahrscheinlich
       ein Virus und nicht ein Krieg“.
       
       Die Mahnung und der damit verbundene Aufruf zu handeln, könnte Gates als
       Mann mit Voraussicht qualifizieren. Doch in den Augen der
       Verschwörungstheoretiker, die hinter Trump stehen, ist genau das Gegenteil
       der Fall.
       
       23 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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