# taz.de -- Rechtsextreme AfD-Strömung: Verwirrung um Flügel-Auflösung
       
       > Die AfD-Spitze will, dass die rechtsextreme Strömung sich auflöst. Höcke
       > gibt dazu ein Interview mit Interpretationsspielraum. Kalbitz dementiert.
       
 (IMG) Bild: Glück fürs Gemeinwohl: Auch AfDler müssen wegen Corona zu Hause bleiben
       
       Berlin taz | Der Bundesvorstand der AfD hat am Freitag beschlossen, dass
       sich der „Flügel“ bei einem Treffen am heutigen Samstag auflösen soll. Das
       Treffen aber fand nicht statt – es wurde, so hieß es, wegen Corona
       abgesagt. Stattdessen ging am Abend ein Interview von Björn Höcke, einem
       der Anführer des „Flügels“, online. Der „Flügel“ sei wichtig gewesen, sagt
       Höcke darin. Aber: „Nun brauchen wir einen Impuls, der über den Flügel
       hinausweist und die Einheit der Partei betont.“ Von einer Auflösung ist
       nicht die Rede – und doch geisterte genau diese Nachricht schnell durch die
       Medien und die sozialen Netzwerke.
       
       Andreas Kalbitz, der gemeinsam mit Höcke an der Spitze des „Flügels“ steht,
       dementierte dies gegenüber der taz: „Ein formaler Beschluss oder eine
       Entscheidung zur Auflösung des ‚Flügels‘ zum jetzigen Zeitpunkt ist mir
       nicht bekannt“, sagte Kalbitz.
       
       Wie so oft, lassen Höckes Formulierungen einen gewissen
       Interpretationsspielraum zu. In dem Interview, das ausgerechnet der
       neurechte Verleger Götz Kubitschek mit Höcke geführt und auf der Seite
       seiner Zeitschrift „Sezession“ online gestellt hat, sagt der „Flügel“-Mann:
       „Der Bundesvorstand ist das höchste Exekutivorgan der Partei. Als
       Konservativer pflege ich die Institutionen, auch wenn ich weiß, welche
       irrationalen Dynamiken in mehrstündigen Sitzungen solcher Gremien ablaufen
       können.“ Und gibt damit dem „höchsten Exekutivorgan“ seiner Partei gleich
       einen mit.
       
       Keinen Zweifel lässt Höcke daran, dass er in der AfD weiter machen will:
       „Unsere Arbeit weist über den Flügel hinaus, Andreas Kalbitz, ich selbst
       und alle anderen politikfähigen „Flügler“ werden ihren politischen Kurs im
       Sinne der AfD weiterführen“, so Höcke. „Diejenigen aber, die den ‚Flügel‘
       missverstanden haben und ihn verfilzen wollten, werden nicht mithalten
       können – genausowenig wie diejenigen in der Partei und im Bundesvorstand,
       die auf Kosten ihrer Parteifreunde allzu gute Kontakte zum Establishment
       suchen.“ Das dürfen diese wohl durchaus als Drohung verstehen.
       
       ## Angst vor Hochstufung zum „Verdachtsfall“
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte in der vergangenen Woche den
       [1][„Flügel“ als rechtsextrem eingestuft] und erklärt, dieser sei eine
       „erwiesen extremistische Bestrebung“, die sich gegen die
       freiheitlich-demokratische Grundordnung richte. In der AfD hat seitdem die
       Sorge, die Partei als Ganzes könne „zum Verdachtsfall“ hochgestuft werden,
       stark zugenommen. Insbesondere aus den westdeutschen Landesverbänden wurde
       gefordert, Konsequenzen zu ziehen und Sanktionen gegen den „Flügel“, aber
       auch [2][gegen Björn Höcke und Andreas Kalbitz], die beiden
       „Flügel“-Anführer, persönlich einzuleiten. Letzteres blieb am Freitag aus.
       
       Aus Sicht von Wolfgang Schröder, Politikwissenschaftler an der Universität
       Kassel, macht der Beschluss des Bundesvorstands die AfD weder weniger
       gefährlich noch weniger rechtsextrem. „Die Gefahr des Rechtsextremismus
       innerhalb der AfD ist ja nicht nur durch den ‚Flügel‘ in dieser festen
       Struktur gegeben. Sondern die Vertreter einer solchen Haltung sind weit
       über den ‚Flügel‘ hinaus in der AfD präsent“, sagte Schröder der taz.
       
       „Die, die das gestern beschlossen haben, sind ja eng verbandelt mit dem
       Flügel. Sie leben mit ihm, sie leben von ihm“, so der
       Politikwissenschaftler, der jüngst [3][ein Buch zur AfD] herausgegeben hat.
       „Das, was wir gerade erleben, ist möglicherweise eine riesige Inszenierung,
       wo das Sichtbare unsichtbar gemacht wird.“ Denn personelle Konsequenzen
       habe der Beschluss nicht. Höcke, Kalbitz und Co. blieben nach wie vor in
       der Partei und könnten weiterhin den Ton angeben. Die Gefahr könne sogar
       noch größer werden: „Das ist eine gefährliche Kombination aus
       Unsichtbarmachung und Selbstverharmlosung.“
       
       Schröder hält es durchaus für denkbar, dass der Flügel sich „im Sinne einer
       Überlebensstrategie“ in Bälde formal auflöst. „Aber nicht, um sich
       inhaltlich neu auszurichten, sondern ihre bisherige Arbeit auf anderen
       Wegen fortzusetzen.“
       
       21 Mar 2020
       
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