# taz.de -- Wirtschaftsprognose zu Coronakrise: Kein zweites 2009
       
       > Die Coronakrise wird die deutsche Wirtschaft nicht so hart treffen,
       > nehmen die Wirtschaftsweisen an. EU-Ländern helfen will Deutschland aber
       > nicht.
       
 (IMG) Bild: Bundeskanzlerin Merkel bleibt bei ihrem Nein zu Corona-Bonds
       
       Berlin/Brüssel taz | Die Wirtschaftsweisen sind bemerkenswert optimistisch:
       Der Sachverständigenrat der Bundesregierung erwartet, dass die deutsche
       Wirtschaft in diesem Jahr nur um 2,8 Prozent schrumpft. Allerdings könnte
       es auch schlimmer kommen, wie die Ökonomen in ihrem Sondergutachten zur
       Coronakrise schreiben. Entscheidend sei, „ob es gelingt, die Ausbreitung
       des Coronavirus effektiv zu bekämpfen“.
       
       Die Ökonomen spielen drei Szenarien durch. Alle drei Projektionen gehen
       davon aus, dass es im ersten Halbjahr 2020 durch die strengen
       Kontaktsperren zu einer Rezession kommt. Dieser Abschwung sei „nicht zu
       vermeiden“. Bleibt die Frage, wie es anschließend weitergeht.
       
       Die Wirtschaftsweisen glauben derzeit, dass ein „Basisszenario“ am
       wahrscheinlichsten ist und sich eine Entwicklung wie in China abzeichnet.
       Dort währten die Kontaktsperren nur wenige Wochen. Inzwischen produziert
       die chinesische Wirtschaft wieder weitgehend ungestört.
       
       In Deutschland könnte sich das Leben also bis Sommer normalisieren. Übers
       Jahr gerechnet würde die deutsche Wirtschaftsleistung dann um etwa 2,8
       Prozent einbrechen. Zum Vergleich: Durch die Finanzkrise ist die deutsche
       Wirtschaft 2009 um 5,7 Prozent geschrumpft. Zudem würde der jetzige
       Einbruch schon im nächsten Jahr wieder kompensiert: Für 2021 rechnen die
       Wirtschaftsweisen mit einem Wachstum von 3,7 Prozent. Denn viele Menschen
       dürften Anschaffungen nachholen, sobald die Fast-Quarantäne vorbei ist.
       
       ## Eine Lösung wären Corona-Bonds
       
       Die Ökonomen haben allerdings auch zwei „Risikoszenarien“ berechnet. Zum
       einen könnte die wirtschaftliche Entwicklung einem V gleichen, sodass auf
       einen tiefen Einschnitt eine ebenso schnelle Erholung folgen würde. Zum
       anderen könnte die Coronakrise aber auch wie ein U aussehen, weil sich
       Absturz wie Aufschwung länger hinziehen. Im schlimmsten Fall könnte die
       deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 4,5 Prozent schrumpfen und sich auch
       2021 kaum erholen.
       
       Allerdings hängen alle Prognosen davon ab, wie sich die Eurozone
       entwickelt. Vor allem Italien und Spanien sind schwer getroffen – und
       müssen zugleich höhere Zinsen für ihre Staatskredite zahlen. [1][Eine
       Lösung könnten „Corona-Bonds“ sein.] Dies wären Staatsanleihen, die die
       Eurozone gemeinsam ausgibt. [2][Auf den Finanzmärkten wären sie heiß
       begehrt, weil die Anleger dringend nach sicheren Papieren suchen.] Die
       Zinsen für diese Bonds würden also sehr niedrig liegen.
       
       ## Italien und Frankreich sind empört
       
       In der vergangenen Woche hatten sich neun EU-Staaten – darunter Italien und
       Frankreich, aber auch Belgien und Luxemburg – für solche Bonds
       ausgesprochen. Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EVP)
       ließ am Wochenende wissen, dass Corona-Bonds nur ein „Slogan“ seien, und
       fügte hinzu: „Daran arbeiten wir nicht.“ Daraufhin hagelte es scharfe
       Proteste aus Italien und Frankreich.
       
       Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte warnte: „Die Europäische
       Union hat eine Verabredung mit der Geschichte, und die Geschichte wartet
       nicht.“ Der parteilose Politiker hatte sich schon beim EU-Gipfel am
       vergangenen Donnerstag für Corona-Bonds eingesetzt, war jedoch bei
       Kanzlerin Angela Merkel abgeblitzt.
       
       ## „Anfangen, europäisch zu denken“
       
       Viele Eurostaaten fürchten, dass von der Leyen zu sehr auf Merkel hören
       könnte. Die EU-Kommissionspräsidentin müsse alle Ländern vertreten, fordern
       ihre Kritiker. „Sie muss unabhängig von allen Regierungen handeln und für
       das gemeinsame Interesse einstehen“, twitterte EU-Experte Alberto Alemanno.
       „Frau von der Leyen sollte anfangen, europäisch zu denken, statt sich zum
       Sprachrohr der deutschen Bundesregierung zu machen“, erklärte der grüne
       Europaabgeordnete Rasmus Andresen.
       
       Von der Leyen lässt diese Kritik an sich abprallen. „Wir wissen, dass es
       eine Debatte gibt“, sagte ihr Sprecher Eric Mamer am Montag in Brüssel. Die
       EU-Kommission müsse sich jedoch an das EU-Recht halten. Darin sind
       gemeinsame Anleihen bisher nicht vorgesehen.
       
       Die Gesetze ließen sich jedoch ändern, wenn es einen gemeinsamen
       politischen Willen gäbe. Der frühere EU-Kommissionschef Jacques Delors
       sagte am Wochenende: „Die fehlende europäische Solidarität stellt eine
       tödliche Gefahr für die EU dar.“ Es klang wie eine Warnung an seine
       Amtsnachfolgerin.
       
       30 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Finanzexperte-Schick-fuer-Corona-Bonds/!5674215/
 (DIR) [2] /Verschuldung-in-der-Corona-Krise/!5671066/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
 (DIR) Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Wirtschaftskrise
 (DIR) Anleihen
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Eurobonds
 (DIR) China
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Green Deal
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) EU-Wirtschaftshilfen in Corona-Krise: Bonds oder nicht Bonds
       
       Die EU-Finanzminister beraten am Dienstag, welche Maßnahmen sinnvoll wären,
       um die Wirtschaftskrise abzufedern. Eine Einigung wird schwer.
       
 (DIR) Streit über Coronabonds: Von der Leyens Wende
       
       Die EU-Kommissionspräsidentin legt eine Kehrtwende hin. Die Gegnerin von
       Coronabonds führt ein europaweites Kurzarbeitergeld ein.
       
 (DIR) Wirtschaftsdaten deutscher Unternehmen: China macht Hoffnung
       
       Deutsche Unternehmen in China erholen sich von den Auswirkungen der
       Coronakrise. Das sorgt für bescheidenen Optimismus.
       
 (DIR) Forderung nach Corona-Bonds: Solidarität dringend gesucht
       
       Corona könnte sogar Europa töten. Die EU überlebt nicht, wenn noch nicht
       mal im Notfall solidarisch gehandelt wird.
       
 (DIR) Einkommenseinbußen durch Corona: Wie Länder in Europa Bürgern helfen
       
       Europas Staaten ergreifen unterschiedliche Maßnahmen gegen die
       wirtschaftlichen Folgen. Es regt sich Unmut.
       
 (DIR) Wirtschaftshilfen in Corona-Krise: Hoffen auf die grüne Bazooka
       
       Weltweit sollen Staatshilfen in Billionenhöhe die Wirtschaft vor dem
       Corona-Schock schützen. Umweltschützer wollen die an Öko-Kriterien binden.