# taz.de -- 20 Jahre „Die Sims“: Ah, gwanda blitz!*
       
       > Sie machen, was wir wollen – in ihrer eigenen Sprache: Häuser bauen,
       > vögeln oder ertrinken zum Beispiel.
       
 (IMG) Bild: Newton Baker, ein Charakter, der im dritten Teil der Sims eingeführt wurde
       
       ## Babys für alle!
       
       Ich muss zugeben, meine Sims zu ermorden spielte für mich nie eine große
       Rolle. Und bevor Sie jetzt ganz empört tun: Lesen Sie den Text meiner
       Kollegin Carolina Schwarz weiter unten.
       
       Ich wollte meine Sims nicht sterben lassen, denn ich brauchte sie ja noch:
       für Sex. Nichts fand ich als Pubertierende interessanter und verbotener,
       als dass sich Sims verliebten, knutschten und dann, das war der Höhepunkt,
       Sex hatten.
       
       Ich baute Häuser, lud andere Sims zu mir ein, veranstaltete Partys.
       Manchmal mündeten diese Partys in Kleinfamilien. Bis heute habe ich nicht
       ganz verstanden, wie Verhütung in der Welt der Sims funktioniert. Aber ich
       glaube, es ging so: Partner*in 1 fragte Partner*in 2: Wollen wir ein Baby
       haben? Wenn Partner*in 2 ja sagte, kam das Kind. In den ersten Versionen
       von Sims flog da noch eine Babywiege vom Himmel. Die Schwangerschaft wurde
       komplett ausgeblendet.
       
       In späteren Versionen des Spiels dann konnten gleichgeschlechtliche Paare
       zusammenkommen und heiraten, Sims konnten Kinder adoptieren, und auch
       Männer hatten die Möglichkeit, schwanger zu werden. „Sims“ war schon früh
       progressiv, ein Computerspiel, dass uns eine Realität zeigt, in der viele
       von uns am liebsten schon längst gelebt hätten. Erica Zingher
       
       ## Vielseitig verschwendet
       
       Ich habe Stunden, nein: Tage meiner Jugend an die Sims verschwendet. Und:
       ich tue es immer noch. Aber ich kann nichts dafür, denn meine Schwestern
       haben mir „Die Sims 4“ zum Geburtstag geschenkt.
       
       Und nie war Zeit verschwenden so vielseitig. Wie lang soll das Kinn sein,
       wie breit die Schultern? Welcher Hautton, welche Stimmfarbe? Isst die Figur
       Fleisch? Soll sie Brüste haben und, unabhängig davon: Kinder gebären
       können? Soll sie Politikerin werden, oder Sportler, der den Hund mit zum
       Joggen nimmt?
       
       Es gibt so viele Fähigkeiten auszubauen, so viel zu erleben. Aber wie viel
       kann ein Sim in einem Leben eigentlich erreichen?
       
       Sie werden älter und sterben, und weil sie zwischendurch Babys in die Welt
       gesetzt haben, hat das mit dem Umzug ins größere Haus oder das mit den zehn
       Affären irgendwie nicht geklappt. Und Zeit, der Katze coole Tricks
       beizubringen, war auch nicht.
       
       Man rackert sich ab und dann sind die 66 Tage, die ein mittleres Sim-Leben
       dauert, vorbei. (Die Katze ist schon vorher gestorben.) Aber der Nachwuchs
       wird es besser haben. Nur bis es so weit kommt, bin ich eigentlich schon
       tierisch genervt. Auf Wiedervorlage an einem grauen Wintertag – dann im
       nächsten Winter. Dinah Riese
       
       ## Besser als Meditieren
       
       Nichts erdet mich so wie ein Grundriss. Wo andere meditieren oder Sudokus
       lösen, zeichne ich Grundrisse. Egal wie aufgewühlt, nach ein wenig
       Architektur auf kleingekästeltem Zeichenpapier schlafe ich wie ein Baby.
       Das kommt vom „Sims“-Spielen, Anfang der 2000er, vor meinem kolossalen
       alten Röhrenbildschirm.
       
       Die Figuren interessierten mich nicht, die wollten ständig auf Klo, waren
       unglücklich oder starben, anstatt Karriere zu machen. Stattdessen
       verbrachte ich Tage im Spielstopp-Modus und baute, bis Mama besorgt den
       Stecker zog.
       
       Dank „Cheats“, also Codewörtern, die man sich auf dem Schulhof zuflüsterte,
       ging das Geld nie aus und ich konnte mich ohne Ende baulich verwirklichen.
       Zuerst den Grundriss, dann Wände, Dach, Böden, Treppen, elegant mit der
       Maus aufziehen und platzieren, dazu tröstende Fahrstuhlmusik. Das ging so,
       bis ich keine neuen Varianten fand, Topfpflanzen zu arrangieren. Heute ist
       das alles besser, „Sims“-Fans programmieren selbst Möbel und Tapeten und
       stellen sie gratis im Netz zur Verfügung. Ich habe leider nie programmieren
       gelernt und mir stattdessen kleingekästeltes Zeichenpapier besorgt. Und
       wissen Sie was, ich gönne mir jetzt ein Blatt. Peter Weissenburger
       
       ## Simlishe Wirklichkeit
       
       Sprache schafft Wirklichkeit. Um das zu wissen, muss man nicht
       poststruktralistische Kulturtheorie lesen. Es reicht, „Die Sims“ zu
       spielen.
       
       Ah, van vesua! Cummuns nala? – Hey! Wie geht’s dir?
       
       Simlish sei aus dem Wunsch entstanden, eine Spielsprache zu finden, die
       nicht zu sehr von anderen sinnlichen Erlebnissen ablenkt, universell ist
       und nicht langweilt, sagte Audiodirektorin Claire Curtin. Mit
       SynchronsprecherInnen habe man dann 30 Dialoge für jedes Sims-Paar
       aufgenommen, um Wiederholungen zu minimieren.
       
       Oo krem letich! – Oh Mann, das ist großartig!
       
       Das Simlishe selbst entstand beim Experimentieren mit realen Sprachen wie
       der Apache-Sprache Navajo, Ukrainisch und Estnisch. Laut „Sims“-Fachforen
       sollen auch das philippinische Tagalog und Englisch Eingang gefunden haben.
       
       Dis Wompf Es Fredesche! – Das Essen schmeckt gut!
       
       Man mag die Sprache nicht gleich verstehen, doch sie überwältigt durch ihre
       emotionale Melodie der leidenschaftlichen Sims. Als Verständnisstütze gibt
       es trotzdem Sprechblasen mit visuellen Darstellungen des
       Konversationsgegenstandes.
       
       Benzi chibna looble bazebni gweb! – Nicht ist unmöglich, wenn du daran
       glaubst! Volkan Ağar
       
       ## Ihr macht mir Angst
       
       In meiner Teenager-Zeit, in der das Internet noch langsam und teuer war,
       zockten wir alle Computerspiele. Die Jungs „GTA“, die Mädchen „Die Sims“ –
       ganz genderstereotyp. Denn statt gnadenlos Leute abzuballern, ging es bei
       „Die Sims“ ja um das friedliche Leben: Häuser bauen, Charaktere erstellen,
       Arbeit und Hobbys. Ganz ohne Krieg und Gewalt. Doch die Realität sah anders
       aus.
       
       Mit dem richtigen Cheat gab es genug Geld zum Traumhäuserbauen – und dann?
       Was anfangen mit der Happy Family im 500-Quadratmeter-Haus mit Pool? Ich
       hatte nun die komplette Kontrolle über die Sims, die ich selbst erstellt
       hatte. Aus reiner Langeweile ließ ich sie im Pool schwimmen, nur um dann
       mit einem kurzen Spielstopp die Leiter aus dem Pool zu entfernen. Der Sims
       war gefangen, er konnte nicht überleben. Oder ich baute einen 2
       Quadratmeter großen Raum, setzte den Sims da rein. Zu Beginn noch mit einer
       Zimmerpflanze oder einem Teddybär – später ohne alles.
       
       Irgendwann kam ich mir zu sadistisch vor, bekam Angst vor mir selbst und
       hörte auf „Die Sims“ zu spielen (außerdem wurde das Internet schneller und
       günstiger). Heute weiß ich, dass war nicht nur ich – ihr alle habt es
       getan. Und jetzt habe ich Angst vor euch allen! Carolina Schwarz
       
       *Übersetzung der Überschrift: „Oh, eine gute Idee!“
       
       6 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erica Zingher
 (DIR) Dinah Riese
 (DIR) Peter Weissenburger
 (DIR) Volkan Ağar
       
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