# taz.de -- Thilo Sarrazins Parteiausschluss: Der endlose Abschied
       
       > Zehn Jahre nach dem ersten Versuch schließt die SPD Thilo Sarrazin aus.
       > Das letzte Wort ist aber noch immer nicht gesprochen.
       
 (IMG) Bild: Thilo Sarrazin
       
       Berlin taz | Vor zehn Jahren, Anfang 2010, beriet die
       Landesschiedskommission der Berliner SPD einen heiklen Fall: den
       Parteiausschluss des Genossen Thilo Sarrazin, der bis vor ein paar Monaten
       noch Finanzsenator in Berlin gewesen war. Der Vorwurf: Sarrazin behauptete,
       dass das Gros der türkisch- und arabischstämmigen Bevölkerung Nichtsnutze
       seien, die vom Staat leben und ständig „neue kleine Kopftuchmädchen
       produzieren“.
       
       Ein Ortsverband fand dies naheliegenderweise rassistisch, unvereinbar mit
       den Grundwerten der Sozialdemokratie und beantragte den Rauswurf des
       Promis. Doch 2010 war diese Position in der SPD nicht mehrheitsfähig. Der
       Fall wurde abgewiesen. Auch von der Parteispitze kam zwar scharfe Kritik,
       doch Sarrazin hatte lange auch prominente Verteidiger wie Helmut Schmidt
       und Klaus von Dohnanyi.
       
       Im zweiten Parteiausschlussverfahren 2011 einigte man sich auf einen
       Formelkompromiss. Sarrazin gelobte vage Besserung – und erweiterte fortan
       seine rassistischen Thesen um kruden Biologismus, dem zufolge der Genpool
       der Deutschen durch Migration in Gefahr sei.
       
       Nach zehnjährigem Anlauf hat das Berliner SPD-Landesschiedsgericht nun das
       lange Überfällige vollbracht – und Sarrazin ausgeschlossen. Die aktuellen
       Gründe: die letzte Publikation des Rechtsauslegers „Feindliche Übernahme“
       sowie ein Auftritt im Europawahlkampf der rechtspopulistischen FPÖ.
       
       ## Verwirrung am Donnerstag
       
       Zu der [1][unschlüssigen und verhuscht] wirkenden Performance der SPD in
       dem Fall passt, dass am Donnerstag Verwirrung über den Stand der Dinge
       herrschte. Eine österreichische Nachrichtenagentur vermeldete am Mittag den
       Rauswurf, den die Berliner Landesschiedskommission am Mittwochabend
       beschlossen habe. Allerdings wusste Sarrazin davon zunächst noch nichts.
       
       Eine SPD-Sprecherin sagte erst mal nur, dass man sich an Spekulationen
       nicht beteilige. Das SPD-Blatt Vorwärts veröffentlichte auf seiner Website
       zwischenzeitlich eine Meldung über den Rauswurf, die kurz danach
       kommentarlos wieder verschwand. Die offizielle Bestätigung der Ausschlusses
       kam dann am Nachmittag aber doch noch. Offenbar hatte die Meldung aus
       Österreich den Zeitplan der SPD, die Nachricht am Freitagmorgen zu
       verkünden, zerschossen.
       
       Die SPD zögerte mit dem Ausschlussverfahren gegen Sarrazin wohl auch so
       lange, weil es sich dabei in Deutschland um eine komplexe und
       [2][langwierige Prozedur] handelt. Man wolle Sarrazin nicht auch noch eine
       Bühne für seine Auftritte bieten, hieß es lange in SPD-Kreisen. Diese
       Strategie ist allerdings auf ganzer Linie gescheitert. Denn gerade das
       Zögerliche hat den Prozess schier endlos verlängert.
       
       ## Noch nicht vorbei
       
       Der 74-jährige Bestsellerautor, dessen Thesen der AfD den Weg bereitet
       haben, wird jetzt wohl vor die Bundesschiedskommission der SPD ziehen. Eine
       Bestätigung des Ausschlusses dort ist wahrscheinlich. Die Unterstützung der
       rechtspopulistischen FPÖ im Wahlkampf, die mit der SPÖ und indirekt mit der
       SPD konkurriert, ist ein recht eindeutiger Fall von parteischädigendem
       Verhalten.
       
       Ein Ende der Affäre ist allerdings damit noch nicht in Sicht. Denn gegen
       Parteiausschlüsse kann man vor ordentlichen Gerichten klagen. Sarrazin ist
       entschlossen, jede Möglichkeit zu nutzen, um Marketing für sich und seine
       Thesen zu machen.
       
       23 Jan 2020
       
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 (DIR) Stefan Reinecke
       
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