# taz.de -- Aktivist über Vermummungsverbot: „Protest muss anonym möglich sein“
       
       > In Hannover demonstrierte eine neue Initiative gegen das
       > Vermummungsverbot. Einer der Aktivist*innen erzählt, warum.
       
 (IMG) Bild: Bunt vermummt und unbehelligt: Demo gegen das Vermummungsverbot in Hannover
       
       taz: Herr Hansen, am vergangenen Freitag haben Sie und andere vermummt in
       Hannover demonstriert. Dürfen sich Demonstrant*innen dort jetzt vermummen? 
       
       Helmo Hansen: Das kann ich nicht beantworten. Aber wir gehen davon aus,
       dass das in Zukunft vermehrt passieren wird.
       
       In Niedersachsen ist der Verstoß gegen das Vermummungsverbot aber eine
       Straftat.
       
       Ja. Laut Absatz 3 des § 9 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes kann
       man aber von diesem Verbot befreit werden. Die Polizei hat uns im Vorfeld
       unserer Demonstration nahegelegt, so einen Antrag zu stellen. Das haben wir
       aber nicht getan.
       
       Warum nicht? 
       
       Die Polizei kann auch ohne einen solchen Antrag Vermummung einfach nicht
       verfolgen. Es ging uns aber auch nicht darum, eine Kunstperformance zu
       machen, für die wir einmalig von dem Verbot befreit werden. Für uns ist das
       Vermummungsverbot grundsätzlich ein Skandal, weil es ein Mittel gegen
       emanzipatorische Bestrebungen ist und explizit gegen die linke Bewegung
       eingesetzt wird. Es ist uns ein ernsthaftes Anliegen, dass Teilnehmerinnen
       und Teilnehmer selbst entscheiden können, wie sie die Gefährdungslage für
       sich einschätzen, um dann zu entscheiden, ob sie sich vermummen wollen, um
       ihre Identifizierung zu verhindern.
       
       Anlass Ihrer Demonstration war, dass die Polizei nicht gegen [1][Vermummte
       auf der NPD-Demo in Hannover] vorgegangen ist. Wird mit zweierlei Maß
       gemessen? 
       
       Linke Demonstrationen wären nach unserer Erfahrung an dieser Stelle mit
       Repressionen überzogen worden – entweder wäre es gegen Einzelpersonen
       gegangen oder die ganze Demonstration wäre aufgelöst worden. Wir kennen das
       Beispiel der „[2][Welcome to Hell“-Demo beim G20-Gipfel in Hamburg], wo die
       Demo mit 12.000 Menschen wegen einiger Hundert Vermummter angegriffen und
       zerschlagen wurde. Auf der anderen Seite sehen wir, dass Neonazis wie am
       vorvergangenen Samstag unbehelligt vermummt demonstrieren können. Aus
       unserer Sicht wird eindeutig mit zweierlei Maß gemessen und es wird
       deutlich, dass die Polizei kein neutraler, sondern ein politischer Akteur
       ist.
       
       Ist die Polizei mit Blick auf die Vermummung bei Ihrer Demo denn
       eingeschritten? 
       
       Nein, sie hat sehr zurückhaltend reagiert. Außer der Anfrage zu dem Antrag
       im Vorfeld gab es keine Reaktion. Wir interpretieren das und auch [3][die
       Aussagen der Polizei zu dem NPD-Aufmarsch] so, dass sie von einer
       Strafverfolgung in Zukunft absehen wird.
       
       Manche denken, wer sich vermummt, hat etwas zu verbergen. Warum wollen Sie
       sich vermummen dürfen? 
       
       Wir glauben, dass Vermummung für ganz viele Menschen die Teilhabe an
       Protesten überhaupt erst ermöglicht. Vielleicht haben wir etwas zu
       verbergen. Die wichtige Frage ist: vor wem? Repression hat viele Gesichter.
       
       Haben Sie ein Beispiel? 
       
       Vor dem Hintergrund, dass Mitglieder aus Polizei und Militär Munition
       horten, dass Todeslisten angefertigt werden, gibt es ein Bedürfnis, sich
       gegenüber der Polizei zu vermummen. Dann gibt es natürlich den politischen
       Gegner, Neonazis, die eine Bedrohung für Menschen darstellen. Aber auch
       Repression von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen. Ein Beispiel sind auch
       Geflüchtete, die nicht den Landkreis verlassen dürfen. Auch sie befürchten
       oft, mit Repressionen überzogen zu werden. Und da ist es aus unserer Sicht
       richtig, sich zu vermummen und an der politischen Meinungsäußerung
       teilzuhaben.
       
       Wollen Sie aus Angst vor Repression nicht Ihren richtigen Namen nennen? 
       
       Einerseits glaube ich, dass jemand, der sich öffentlich links-politisch und
       kritisch zu bestehenden Gesetzen äußert, mit Repression zu rechnen hat.
       Also ja. Der andere Grund ist, dass ich konsequent in meiner Forderung bin:
       Protest muss anonym möglich sein, deshalb äußere ich mich dazu auch anonym.
       
       Sie begründen die Forderung nach der Aufhebung des Vermummungsverbots auch
       mit der Stärkung linker Protestkultur. Was hat Vermummung mit linker
       Protestkultur zu tun? 
       
       Zum einen ermöglicht Vermummung es einigen überhaupt erst, auf die Straße
       zu gehen und Protest zu äußern. Der zweite Punkt ist, dass es durchaus eine
       Tradition gibt, sich zu vermummen, um erkennbar zu sein. Es gibt den
       Ausspruch der Zapatisten: Manchmal muss man sein Gesicht verbergen, um
       erkennbar zu sein. Es geht ja nicht darum, sich komplett in Schwarz zu
       hüllen. Unser Protest am Freitag war sehr bunt, zum Beispiel mit
       Regenbogen-Sturmhauben und Tiermasken.
       
       Wenn das Vermummungsverbot aufgehoben würde, dürften sich auch Nazis
       künftig vermummen. 
       
       Uns geht es nicht darum, die rechtliche Frage von Naziaufmärschen zu
       klären. Wir sind der Überzeugung, dass Naziaufmärsche auf der Straße
       zivilgesellschaftlich verhindert werden müssen. Der Skandal ist, dass die
       Polizei mit einem massiven Aufgebot und mit Gewalt Naziaufmärsche
       durchsetzt.
       
       Kann die Polizei Sie jetzt im Nachhinein wegen der Vermummung belangen? 
       
       Wir sind gespannt, ob da noch etwas kommt. Aber wir sind auch darauf
       vorbereitet, den Weg durch die Gerichte zu gehen. Wir hoffen aber
       natürlich, dass bei künftigen Anlässen so massiv von Vermummung Gebrauch
       gemacht wird, dass die Polizei nicht einschreitet. Das haben wir
       beispielsweise bei der Vorabend-Demo zum Bundesparteitag der AfD in
       Braunschweig gesehen, wo sich Menschen massiv über das Vermummungsverbot
       hinweggesetzt haben.
       
       7 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
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