# taz.de -- Motivation von Klimastreikenden: „Ich habe für den Streik gekündigt“
       
       > Seit dem Protesttag am 20. September nehmen auch viele Erwachsene an
       > Klimaaktionen teil – was treibt sie an?
       
 (IMG) Bild: Vera Sandel, 36, aus Hamburg hat ihren Job aufgegeben und nun mehr Zeit für Klimaproteste
       
       Vera Sandel: „Ich habe für den Streik gekündigt“: „Anfang März habe ich aus
       meinem Bürofenster in der Hamburger Innenstadt geschaut und Greta Thunberg
       gesehen. Sie war gerade zu Besuch bei der Demo von Fridays for Future.
       Schon damals fragte ich mich, was ich hier eigentlich noch mache. Aber der
       20. September hat für mich dann alles verändert. An dem Tag wurde die ganze
       Belegschaft explizit aufgefordert, den Klimastreik zu unterstützen und zur
       Demonstration zu gehen.
       
       Ich habe am nächsten Freitag eine E-Mail an Geschäftsleitung und alle
       Kollegen geschickt, mich für den Aufruf zur Beteiligung bedankt und
       angekündigt, von meinem Widerstandsrecht gemäß Artikel 20 Absatz 4 Gebrauch
       zu machen und nun jeden Freitag mit der FFF-Bewegung zu streiken.
       
       Ich arbeite beim WWF, bin Referentin für Ästuarschutz für die
       Mündungsbereiche von Elbe und Ems. Naturschutz ist also mein Job. Einige
       Kollegen haben gesagt, sie finden es deshalb nicht sinnvoll zu streiken.
       Wir sind doch die Guten, meinten sie. Aber wir können die Welt doch nicht
       in Gute und Schlechte aufteilen! Ich glaube nicht, dass wir mit unserer
       Arbeit den Klimawandel aufhalten. Bei meiner erlebe ich, wie machtlos wir
       sind, etwa bei der Elbvertiefung, ein Trauerspiel.
       
       Die Geschäftsführung hat gesagt, ich solle außerhalb meiner Arbeitszeit
       demonstrieren. Als ich weiter gestreikt habe, gab es Gespräche mit der
       Personalabteilung, die wollten mein Gehalt kürzen in dem Umfang, in dem ich
       nicht zur Arbeit komme. Aber dann wäre es ja kein Streik mehr! Meine
       Arbeitskraft ist mein einziges Mittel. Weil ich mich nicht mehr mit meinem
       Arbeitgeber identifiziere, habe ich mich entschlossen zu kündigen. Gerade
       läuft meine letzte Arbeitswoche. Danach fängt mein Klimastreik erst an. Ich
       glaube, alle Erwachsenen müssen streiken, und zwar während der
       Arbeitszeit!“
       
       ## Jan-Philip Cröplin: „Sie haben die Windkraft kaputt gemacht“
       
       Ich beteilige mich, seit ich wegen Mangels an Arbeit freigestellt bin.
       Eigentlich arbeite ich für eine Firma, die Windkraftanlagen baut. Bis 2018
       hatten wir keine Probleme. Akut wurde es Anfang 2019. Wegen der neuen
       Abstandsregelung – 1.000 Meter zu jeder Siedlung, die aus mindestens fünf
       Gebäuden besteht – ist auch keine Besserung in Sicht. In letzter Zeit
       wurden kaum noch Genehmigungen zum Bau erteilt.
       
       Für Braunkohle gibt es solche Regeln nicht. Ein Tagebau zerstört ganze
       Dörfer und sogar 1.000 Jahre alte Kirchen. Zündend war, als Peter Altmaier
       von der CDU gesagt hat, dass sie sich wirklich für das Klima und die
       Energiewende einsetzen, aber nichts machen könnten, was die Windkraft
       rettet. Sie haben sie gerade kaputt gemacht, und da haben sie die
       Dreistigkeit zu sagen, es läge nicht in ihrer Hand? Das fand ich so
       unverschämt. Ich saß hier zu Hause, hab das gesehen und hatte überhaupt
       keine Möglichkeit, meine Meinung kundzutun. Also habe ich angefangen, mich
       zu engagieren. Jeder kann was tun. Das fängt im Kleinen an. Ein
       Stromanbieter-Wechsel dauert fünf Minuten.“
       
       Svenja Weitzig: „Ich kann ein Beispiel sein“ 
       
       Ich bin Professorin für Sozialmanagement. Für den Klimastreik brauche ich
       mir also nicht freizunehmen, aber meine Arbeit bleibt liegen:
       Abschlussarbeiten, Forschungsprojekte und so weiter muss ich später
       nacharbeiten. Aber das ist gut, denn so kann ich auch Studierenden und
       anderen Lehrenden ein Beispiel sein.
       
       Ich bin an einer evangelischen Hochschule – einer ihrer Grundsätze ist die
       Bewahrung der Schöpfung. Und dazu gehört es ja auch, das Klima zu schützen.
       Dieses Semester habe ich ein Seminar dazu gegeben, was man im Alltag ändern
       kann: vom Bahnfahren über Duschgel bis zu alles. Als Sozialarbeitende
       können meine Studierenden das später weitergeben. Maßnahmen gegen den
       Klimawandel müssen allen Menschen zugänglich sein: Insbesondere die ärmere
       Bevölkerung braucht mehr Handlungsalternativen. Die Brisanz dieses Themas
       hat die Regierung noch nicht verstanden.
       
       ## Jens Hofmann: „FFF – das gab gleich einen Shitstorm“
       
       Im Sommer war ich mit meiner Familie in Norwegen. Wir haben einen Camper,
       einen T5-Bus, Diesel, selbst ausgebaut. Wir haben uns die Gletscher
       angeschaut und waren danach in einem Museum. Auf den Fotos dort waren die
       Gletscherzungen noch doppelt so groß. Wir haben während der Reise viel über
       das Klima und über Fridays for Future gesprochen, auch mit den Kindern.
       Aber die sind ja eh für Tier- und Naturschutz. Seit dem Sommer haben wir
       einiges geändert: Wir wollen CO2-neutral sein, im Dezember machen wir eine
       Jahreskompensation. Das werden etwa 300 bis 400 Euro. Wir machen 98 Prozent
       der Fahrten mit Rad und Anhänger. Bis vor Kurzem haben wir noch manchmal
       bei Aldi eingekauft, jetzt nur noch im regionalen Biosupermarkt. Wir wollen
       auch schweren Herzens unser Auto verkaufen. Aber das reicht natürlich
       nicht, wir müssen das als Gesellschaft schaffen, deshalb engagiere ich mich
       bei Fridays for Future.
       
       Wir sind nicht die Ökos mit Rastalocken, wir haben gut bezahlte
       Ingenieursjobs. Bei der Arbeit wird einmal im Monat ein Mitarbeiter
       vorgestellt. Letzten Monat ich. Da stand „engagiert sich bei Fridays for
       Future“, und das gab gleich einen kleinen Shitstorm. Die Kommentare: „Da
       krieg ich Schnappatmung“ oder „Das ist doch völlig übertrieben“. Wenn ich
       mit Kollegen essen gehe, wehren die ab, viele kennen die Fakten nicht. Auch
       bei meinen Freunden und in der Familie merke ich: Diskutieren bringt nicht
       viel, vorleben ist besser.
       
       Der normale Klimastreik in Dresden ist ziemlich klein, unter 100 Personen.
       Ich bin im Elternrat an unserer Grundschule, für den globalen Streik im
       September habe ich eine Doodle-Liste geführt und Kinder begleitet, deren
       Eltern nicht kommen konnten. Das mache ich jetzt wieder. Letztens bin ich
       nach der Arbeit mit dem Zug nach Berlin gefahren, um mir die [1][Blockaden
       von Extinction Rebellion] anzuschauen. Seit zwei Monaten arbeite ich in
       Teilzeit, auch, damit ich mehr Zeit für Dinge wie den Klimastreik habe. Und
       ich bin letzte Woche den Grünen beigetreten.
       
       Dennis Löb: „FFF hat mir die Augen geöffnet“ 
       
       Ich arbeite als Industriekaufmann in einem Chemie-Unternehmen. Die mediale
       Berichterstattung bezüglich des Klimawandels habe ich überhaupt erst seit
       FFF wahrgenommen. 29 Jahre lang hatte ich mich nicht dafür interessiert,
       mich zu engagieren. Dann habe ich die Aussagen der Wissenschaftler gehört
       und fand die Prognosen sehr schlimm.
       
       Seitdem gebe ich meine private Zeit und gestalte auch mein Leben
       klimafreundlicher: Fleisch nur noch alle zwei Wochen. Die acht Kilometer
       zur Arbeit nehme ich das Rad, auch im Winter. Früher bin ich nur mit dem
       Auto hingefahren. Klar, das ist bequemer. Ich bin früher auch immer
       schneller als vorgeschrieben gefahren, aber für das Klima habe ich mein
       Fahrverhalten sowie das Autofahren überhaupt angepasst. Ich habe Ökostrom,
       achte auf Mehrweg, habe einen örtlichen Unverpackt-Laden über eine
       Start-up-Seite mitfinanziert und spende an Greenpeace. Beim letzten
       Klimastreik war ich mit Schild dabei, dieses Mal habe ich mir auch wieder
       freigenommen.
       
       ## Regine Liebl-Schibinger: „Meine Kinder sind noch zu jung“
       
       Ich streike seit Mai regelmäßig für das Klima. Jeden Freitag schaffe ich
       nicht, aber etwa einmal im Monat. Wir haben ein Gleitzeitmodell in der
       Firma, dann arbeite ich am Freitag kürzer. Aber für diesen Freitag nehme
       ich einen Tag Urlaub, dann muss ich den Streik nicht so
       dazwischenquetschen.
       
       Meine Kollegen finden das gut, zumindest sagen sie das. Ich bin aber die
       Einzige, die hingeht. Manche sagen, sie können nicht, weil sie Vollzeit
       arbeiten, aber die Mutti, die kann das ja machen. Wir haben ein Social
       Intranet in der Firma, da wird auch auf die Streiks aufmerksam gemacht. Es
       gibt da auch eine Kommentarfunktion, da wird dann kontrovers diskutiert.
       Manche haben überhaupt kein Verständnis. Die sagen, das sei alles Quatsch,
       die Kinder wollten nur nicht zur Schule gehen.
       
       Bei meinen drei Kindern versuche ich, im Alltag ihr Bewusstsein für
       Umweltschutz zu stärken, also zum Beispiel, dass nicht immer alles in
       Plastik eingepackt sein muss. Zum Streik gehe ich aber ohne sie, die sind
       noch zu jung. Außerdem finde ich es falsch, wenn man von der Mama
       mitgeschleppt wird.
       
       29 Nov 2019
       
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