# taz.de -- Neues Kinogesetz in Kuba: Zwischen Bangen und Beifall
       
       > Für ein Mehr an Freiheit in der Produktion kämpft Kubas Filmszene seit
       > Langem. Dass das neue Kinogesetz dies gewährleistet, bezweifeln viele.
       
 (IMG) Bild: Das Cine Yara ist ein berühmtes Kino in Havanna
       
       Am 24. September tritt in Kuba das Gesetz 373 in Kraft. Ursprünglich von
       den Filmemachern der Insel eingefordert, um unabhängiges Kino auf eine
       legale Grundlage zu stellen, könnte sich das Gesetz als Bumerang erweisen.
       Kritische Regisseure fürchten mehr Kontrolle.
       
       Ricardo Figueredo ist Pragmatiker. „Das Gesetz 373 ist sicherlich nicht
       das, was wir uns erhofft haben, aber es ist ein Schritt, unabhängiges Kino
       in Kuba zu ermöglichen. Alles andere müssen wir abwarten“, meint der
       kubanische Regisseur.
       
       Figueredo gehört zu den unabhängigen Geistern des kubanischen Kinos, er hat
       unbequeme Filme wie „Juan ohne alles“ gemacht. Der bissige Dokumentarfilm
       von 2016 beschreibt die Realität eines Kubaners, der mit dem kubanischen
       Durchschnittslohn von 250 kubanischen Peso (umgerechnet 10 US-Dollar)
       auskommen muss – ein Ding der Unmöglichkeit. Mit solchen Stoffen hat
       Figueredo national und international für Aufmerksamkeit gesorgt, ist aber
       auch angeeckt.
       
       Längst nicht alle seine Filme, die meist erzählen, „was uns passiert, was
       uns Sorgen macht“, sind auf der Insel in den großen Kinos gelaufen. Das
       vermissen auch andere Regisseure.
       
       ## Legale Strukturen für Unabhängige
       
       Etliche waren deshalb mit von der Partie, als 2008 das Nationale Institut
       für Kunst und Film (ICAIC) erstmals aufgefordert wurde, legale Strukturen
       für unabhängige Filmproduktionen zu schaffen. Bis dahin gab es nur das
       ICAIC als nationale Kino-Institution, das kubanische Institut für Fernsehen
       und Radio (ICRT) und den Untergrund. Elf Jahre später und nach etlichen
       Diskussionen zwischen dem ICAIC, dem Kulturministeriums und der UNEAC, der
       kubanischen Union der Schriftsteller und Künstler, ist das Gesetz 373 Ende
       Juni in der Gaceta Oficial, dem Gesetzesblatt der Regierung, offiziell
       vorgestellt worden.
       
       Es soll dem autonomen Filmbetrieb, der sich ab Mitte der 1990er Jahre in
       Kuba entwickelte, Struktur geben. Ein Vorhaben, das Ricardo Figueredo
       begrüßt. „Ich will Filme machen und für mich ist es positiv, dass wir mit
       dem Gesetz 373 nun auch einen Fonds für die Filmförderung haben. Das hat
       lange gefehlt.“ Figueredo hatte deshalb lange nach Alternativen gesucht,
       2006 „Cooperativa Producciones“ initiiert, wo sich unabhängige Kinomacher
       gegenseitig helfen. Kameras leihen und verleihen, Tipps zur Finanzierung
       austauschen und eben auch Filme auf den Weg bringen.
       
       Kleine Produktionsfirmen, die Videoclips, Kurz-, Dokumentar- und auch
       Kinofilme produzieren, sind in Kuba de facto semilegal, sie agierten in
       einer Grauzone und können sich nun legalisieren lassen – inklusive eigenem
       Firmenkonto. Offiziell anerkannt wird am 24. September auch die
       selbstständige Arbeit als Hilfskraft beim Film, Casting-Agent, Betreiber
       oder Vermieter von Equipment sowie Filmproduzent. Ein großer Fortschritt.
       
       ## Nationales Register
       
       In einem nationalen Register sollen sich fortan alle autonomen
       Produktionsfirmen bei der ICAIC eintragen und dort wird auch der
       Filmförderfonds angesiedelt. Dadurch wird das Institut zur Zentralinstanz
       für den unabhängigen Film auf der Insel.
       
       Das passt längst nicht allen Filmschaffenden. Haben kritische Drehbücher
       eine Chance, werden kritische Produktionsfirmen ins Register aufgenommen,
       erhalten sie Drehgenehmigungen? Das fragt zum Beispiel der Filmkritiker
       Gustavo Arcos. Mit diesen Fragen legt der Mann, immerhin Professor an der
       Kunsthochschule, den Finger in die Wunde.
       
       Zu den „unbequemen“ Filmemachern gehört Miguel Coyula, der seine Filme in
       „Guerillamanier“ dreht – ohne Drehgenehmigungen, ausschließlich mit eigenem
       Geld und mit Drehbüchern, die direkt am Set immer wieder modifiziert
       werden, und zu 100 Prozent autonom. Coyula hinterfragt die kubanische
       Gesellschaft. In seinem Film „Nadie“ wird die Rolle Fidel Castros im
       Kontext der Biografie eines kubanischen Poeten kritisch beleuchtet.
       
       ## Angriff auf das kritische Kino
       
       Für Coyula, der vor ein paar Wochen seine Filme im alternativen Institut
       für Kunstaktivismus Hannah Arendt zeigte, ist das Gesetz 373 ein
       Frontalangriff auf das kritische Kino. „Drehbuchautoren, Filmemacher und
       Produktionsfirmen werden in ein Korsett gepresst und das Nationale Kunst
       und Filminstitut (ICAIC) zur staatlichen Kontrollinstanz erhoben“,
       kritisiert er. Er ist sich sicher, auf einer schwarzen Liste unbequemer
       Kulturschaffender zu stehen und glaubt nicht, dass er im Register
       unabhängiger Film- und TV-Schaffender aufgenommen werden wird.
       
       Das aber ist, so ist es im Gesetz fixiert, Voraussetzung, um
       Drehgenehmigungen und im Idealfall finanzielle Förderung zu erhalten. Doch
       wie und nach welchen Kriterien das ablaufen wird, ist vollkommen unklar.
       Das kritisiert auch Filmkritiker Arcos, der in einem Artikel für das
       Magazin ONCuba weitere offene Frage benennt. Zensur, Vertrieb,
       Genehmigungen und Lizenzen – all das sei in dem Gesetz 373 nicht geregelt.
       
       Während Arcos sich jedoch seit Jahren für ein neues, umfassendes Kinogesetz
       engagiert, ist für Coyula ohnehin klar, dass er weiterhin komplett autonom
       arbeiten will.
       
       Ganz anders stellt sich die Situation für Ricardo Figueredo da. „Das Gesetz
       373 ist nicht das umfassende Kinogesetz, das wir eigentlich brauchen,
       sondern ein Dekret, das Strukturen schafft.“ Das bewertet er erst mal
       positiv und hält den Kritikern, die mehr Zensur befürchten, entgegen, dass
       es die immer gegeben habe. Figueredo hat kein Problem damit, seine
       Drehbücher beim ICAIC vorzulegen. Das sei international vollkommen normal,
       wenn es um die Finanzierung eines Filmprojekts gehe. „Warum also nicht auch
       in Kuba?“, fragt er.
       
       Ausprobieren ist Figueredos Devise, und dabei hofft er nicht nur auf
       Förderung, sondern auch, dass es wieder mehr kubanische Filme geben wird.
       In den letzten Jahren waren es kaum mehr als drei, vier Filme, die das
       ICAIC hervorbrachte. Ob das Gesetz 373 daran etwas ändern wird, muss sich
       genauso zeigen, wie sich die Frage klären wird, ob mehr Kontrolle und mehr
       Zensur im unabhängigen Film von der Insel Einzug halten werden.
       
       10 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
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