# taz.de -- Pressefreiheit in Kuba: 3.000 Peso für die Staatssicherheit
       
       > Kubas Behörden gehen mit harten Geldstrafen gegen unabhängige
       > Berichterstatter und Blogger vor. Diese rufen jetzt zum zivilen
       > Ungehorsam auf.
       
 (IMG) Bild: Havanna, mitte April. Die kubanische Regierung will den Informationsfluss kontrollieren
       
       Hamburg taz | Das Foto von sich mit dem Strafbescheid über 3.000 Peso hat
       Mónica Baró direkt ins Netz gestellt. Die kubanische Journalistin war am
       16. April von der kubanischen Staatssicherheit mehrere Stunden verhört
       worden. Zu den umgerechnet 100 Euro Strafe wurden, wie Baró, schon an die
       zwei Dutzend weitere [1][unabhängige Journalisten und Blogger] verdonnert,
       die in den letzten Wochen von den kubanischen Sicherheitsbehörden
       vorgeladen oder zu Hause „besucht“ wurden. Weil sie Informationen
       verbreiteten, die gegen „soziales Interesse, Moral, gute Sitten und die
       Integrität der Menschen verstoßen“.
       
       Mónica Baró ist eine bekannte Journalistin, weil sie im vergangenen Jahr
       mit dem Preis für die beste Reportage von der renommierten „Fondación Gabo“
       ausgezeichnet wurde, der Medienstiftung von Kolumbiens verstorbenem
       Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez. Baró kündigte [2][in
       ihrem Facebook-Post] gleich an, sie werde die Geldstrafe nicht bezahlen.
       Der Direktor der „Fundación Gabo“, Jaime Abello Banfi, nannte die Strafe
       „absurd“ und appellierte an die Behörden, sie zurückzunehmen.
       
       Die Passage mit dem „Verstoß gegen soziales Interesse, Moral, gute Sitten
       und Integrität“, auf den sich die Beamten der kubanischen Staatssicherheit
       beziehen, steht so im Gesetz. Es ist Paragraf 68 des neuen
       Informationsgesetzes mit der Nummer 370. Auf den Paragrafen haben
       Aktivisten, Künstler und Journalisten bereits Anfang Juli 2019 aufmerksam
       gemacht, am 4. Juli trat das Gesetz in Kraft.
       
       Tania Bruguera, international bekannte Performancekünstlerin, war eine der
       Ersten, die sich kritisch äußerten und aktiv wurden. „Dieses Gesetz ist ein
       Damoklesschwert für freie Berichterstattung und Meinungsäußerung“, sagt
       Bruguera. Am Hannah-Arendt-Institut für Kunstaktivismus ([3][„Artivismo“])
       in Havanna bietet Bruguera Fortbildungskurse für investigativen
       Journalismus an. Sie hat das INSTAR, so die Initialen des Instituts,
       gegründet, fördert kritische Auseinandersetzung mit der kubanischen
       Realität in Kunst, Wort und Bild.
       
       ## Freie Kunst und freies Wort
       
       Bruguera sieht das Gesetz 370 im Zusammenhang mit einem anderen, dem
       [4][Gesetz 349], das auf ähnliche Weise die unabhängige Kunst beschränken
       wolle. „Es legalisiert die Zensur der Kunst in Kuba – und das Gesetz 370
       folgt der gleichen Logik. Jedwede Kunst und nun auch jedwede
       Meinungsäußerung, die bestimmte ethische und kulturelle Prinzipien und
       Werte verletzt, kann sanktioniert werden!“ Der Interpretationsspielraum,
       den die Regierung nach Belieben nutzen könne, sei ein Charakteristikum
       beider Gesetze. Gegen die ist Bruguera mit anderen Aktivisten 2018 und 2019
       auf die Straße gegangen, hat in den sozialen Netzwerken mobilgemacht und
       wurde bei Aktionen in Havanna mehrfach festgenommen und verhört.
       
       Derzeit ist sie wieder aktiv. Journalistin Mónica Baró hat sie direkt nach
       ihrem „Verhör“ eingeladen, über ihre Erfahrung mit der Staatssicherheit zu
       berichten – live auf der Facebook-Seite des Instituts, wo Mónica Baró
       wenige Tage später eine Stunde lang Fragen beantwortete.
       
       Ihre preisgekrönte [5][Reportage über Bleivergiftung in einem Viertel von
       Havanna] hat Baró für das Online-Medium Periodismo de Barrio verfasst, zu
       deren Gründungsredakteurinnen Baró gehörte. Deren Betreiber könnten in Kuba
       ebenfalls nach dem Gesetz 370 sanktioniert werden, denn es schreibt den
       kubanischen Onlinemedien vor, dass sie Server auf der Insel nutzen müssen.
       Doch in aller Regel stehen die genutzten Server im Ausland.
       
       Gegen diese beiden Paragrafen hat der Journalist Iván García zusammen mit
       der ebenfalls mit einer Geldbuße belegten Camila Acosta [6][eine Petition
       auf dem Kampagnennetzwerk Avaaz] gestartet. Ziel ist die Rücknahme des
       Gesetzes – oder zumindest die Streichung der beiden Paragrafen. Das Gesetz
       richte sich nicht bloß gegen Journalisten, sagt Iván García, seit Mitte der
       1990er Jahre unabhängiger Journalist und derzeit Korrespondent der
       Tageszeitung Diario Las Américas: „Es richtet sich gegen alle, die ihre
       Meinung, ihre Analysen oder ihre Fotos über die kubanische Realität online
       publizieren“, sagt García der taz. „Jeder Facebook-Post kann Folgen haben.“
       
       Gemeinsam mit den Erstunterzeichnern, darunter auch Tania Bruguera, ruft er
       dazu auf, die Bußgelder nicht zu zahlen. Ein Akt des zivilen Ungehorsams,
       der in Kuba so noch neu ist. Bisher haben 3.500 Menschen die „Petition zum
       Geißelgesetz“ unterzeichnet.
       
       Diese Recherche erfolgte [7][via Telefon und E-Mail].
       
       30 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pressefreiheit-auf-Kuba/!5667082
 (DIR) [2] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10157263830986395&set=a.10153316064036395&type=3&theater
 (DIR) [3] https://artivismo.org/inicio/
 (DIR) [4] /Portraet-des-kubanischen-Kuenstlers-Kcho/!5588460
 (DIR) [5] https://hi-in.facebook.com/elestornudo/posts/2735201456525151/
 (DIR) [6] https://secure.avaaz.org/es/community_petitions/asamblea_nacional_del_poder_popular_de_cuba_declaracion_contra_el_decretoley_370_ley_azote/
 (DIR) [7] https://blogs.taz.de/hausblog/die-zeitung-in-zeiten-von-corona/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
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