# taz.de -- Studie über Muslime und Ostdeutsche: Wer gehört zu Deutschland?
       
       > Ostdeutsche und Muslime teilen nicht nur Ausgrenzungserfahrungen –
       > sondern auch Klischees, die Westdeutsche von ihnen haben.
       
 (IMG) Bild: Zugehörigkeit: Viele Westler finden, dass Muslime und Ostdeutsche noch nicht „angekommen“ sind
       
       BERLIN Wie denken Westdeutsche über Ostdeutsche? Gibt es ähnliche Muster,
       mit denen die westdeutsche Mehrheit die ostdeutsche und muslimische
       Minderheit wahrnimmt? Dem ist das Deutsche Zentrum für Integrations- und
       Migrationsforschung (DeZim) empirisch nachgegangen. „Ost-Migrantische
       Analogien“ ist die erste repräsentative Umfrage zum Thema. Die Studie fußt
       auf einer Umfrage von mehr als 7.200 BürgerInnen, 4.600 in West, 2.600 in
       Ostdeutschland.
       
       Die Ergebnisse zeigen, welche Bilder Westdeutsche mit Ostdeutschen und
       Muslimen verbinden – und welche Ängste Muslime mobilisieren.
       Aufschlussreich ist der Blick der Westdeutschen auf Ostdeutsche und Muslime
       als mögliche Konkurrenz: Nur gut 10 Prozent der Westdeutschen finden es
       bedenklich, wenn immer mehr Ostdeutsche Führungsjobs in der Wirtschaft
       übernehmen. Die Angst vor Muslimen ist stärker: Ein Drittel der
       Westdeutschen sieht den Aufstieg von MuslimInnen in Führungspositionen
       skeptisch. Im Osten ist die Furcht von Muslimen auf dem Arbeitsmarkt
       überholt zu werden noch weit ausgeprägter: Fast jeder zweite in
       Ostdeutschland findet die Vorstellung, dass es wesentlich mehr muslimischer
       Chefs und Chefinnen geben kann, negativ.
       
       Doch das Bild ist nicht monochrom. So sehen viele Deutsche, dass Muslime
       hierzulande nicht gleich behandelt werden. Mehr als die Hälfte der
       Deutschen in Ost und West (54,1 und 52,3 Prozent) glauben, dass MuslimInnen
       nicht den gleichen Zugang zu gesellschaftlichen Positionen haben. Das
       Bewusstsein, dass krasse Benachteiligungen existieren, ist erstaunlich
       verbreitet. „Großteile der ostdeutschen Bevölkerung“ so ein Fazit der
       Studie, „haben ein Gespür für die benachteiligte Lage der MuslimInnen,
       Bedrohungsängste gegenüber deren Verbesserung sind ebenso sehr verbreitet.“
       Die Deutschen halten Muslime für benachteiligt, fürchten aber deren
       sozialen Aufstieg – im Osten mehr als im Westen.
       
       ## Der ewige Jammerossi
       
       Wie steht es mit dem Blick der Westdeutschen auf Ostdeutsche? Das in den
       90er Jahren verfestigte Bild des Jammerossis scheint äußerst zäh zu sein.
       So sind 41,2 Prozent im Westen der Ansicht, dass Ostdeutsche sich ständig
       als Opfer sehen. (Bei Muslimen glauben dies 36,5 Prozent der
       Westdeutschen.) Auch in Sachen Diskriminierung ist das Selbstbild der
       Ostdeutschen und das Bild, das Westdeutsche von ihnen haben, auffällig
       verschieden. 35 Prozent der Ostler meinen, dass sie noch immer Bürger
       zweiter Klasse sind. Im Westen glauben dies nur 18 Prozent. „Westdeutsche“,
       so die Schlussfolgerung der Studie, „ignorieren die Wunden der
       Wiedervereinigung.“
       
       ## Wer gehört dazu?
       
       Interessant ist, wen die Westdeutschen als dazu gehörig empfinde: Ein gutes
       Drittel (36,4 Prozent) glaubt, dass Ostdeutsche noch nicht in der
       Gesamtgesellschaft angekommen sind. Weit mehr, 58,6 Prozent, bescheinigen
       dies Muslimen. Das Bild ist facettenreich, allerdings nicht vollständig.
       Man erfährt wie West- über Ostdeutsche und Muslime denken und wie sich
       Ostdeutsche sehen. Ausgespart ist wie Muslime Ost- und Westdeutsche
       wahrnehmen. Aus methodischen Gründen: Die Zahl der befragten MuslimInnen
       war zu gering, für repräsentative Schlussfolgerungen. Das DeZim plant dies
       in einer anderen Studie zu recherchieren.
       
       ## Quote für Muslime und Ostdeutsche
       
       Das ForscherInnen betonen die Ähnlichkeit des westdeutschen Blicks auf
       Ostdeutsche und Muslime: „Ostdeutsche sind mit ähnlichen Abwertungen
       konfrontiert wie MuslimInnen. Westdeutsche werfen beiden Gruppen vor sich
       zum Opfer zu stilisieren und noch nicht im heutigen Deutschland angekommen
       zu sein.“ Das ist, so pauschal formuliert, eine allzu forsche These. Denn
       laut der Studie meinen ja knapp Zweidrittel der Westdeutschen nicht, dass
       Muslime sich ständig zu Opfern stilisieren – und knapp zwei Drittel glauben
       nicht, dass die Ostdeutschen noch nicht im vereinigten Deutschland
       angekommen müssen.
       
       Erstaunlich groß ist Sympathie für Quoten – sowohl für Ostdeutsche als auch
       für Migranten. Die Studie zeigt, dass sich im Osten jeder zweite für eine
       Ost-Quote erwärmt. Im Westen ist knapp ein Viertel dafür zu haben.
       
       Das überraschendste Ergebnis der Studie ist: Ein Drittel hält eine Quote
       für MigrantInnen für eine gute Idee. In Ost- und in Westdeutschland.
       
       1 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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