# taz.de -- Europawahlkampf in Thüringen: SPDler lädt Sarrazin zu Lesung ein
       
       > Der SPDler und Ex-AfD-Mann Oskar Helmerich will mit Hilfe von Thilo
       > Sarrazin AfD-Wähler zurückzugewinnen. Parteikollegen sind entsetzt.
       
 (IMG) Bild: Die SPD versuchte vergeblich, ihr ungeliebtes Parteimitglied Thilo Sarrazin loszuwerden
       
       DRESDEN taz | Nur vier Tage vor der Europa- und Kommunalwahl Ende Mai plant
       der Thüringer SPD-Landtagsabgeordnete Oskar Helmerich eine Lesung mit dem
       früheren Berliner Finanzsenator und Buchautor Thilo Sarrazin in Erfurt. Die
       Einladung sorgte für heftige Kritik – auch aus Helmerichs eigener Partei.
       
       Sarrazin soll aus seinem [1][vor einem halben Jahr erschienenen Buch
       „Feindliche Übernahme“] lesen. „Wie der Islam den Fortschritt behindert und
       die Gesellschaft bedroht“, lautet der Untertitel dieses von abendländischen
       Untergangsfantasien beherrschten Werks. [2][Seit 2010 sein erstes Buch
       „Deutschland schafft sich ab“ erschien, hat die SPD mehrfach vergeblich
       versucht, ihr ungeliebtes Parteimitglied loszuwerden].
       
       Führende Thüringer SPD-Vertreter kritisierten Helmerichs Einladung heftig.
       Sie sei ein „unabgesprochener Alleingang“, erklärte Landeschef und
       Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee auf Twitter. „Ich distanziere mich
       ausdrücklich und scharf von ihm und den islamfeindlichen Aussagen
       Sarrazins.“
       
       SPD-Innenminister Georg Maier sprach ebenfalls von einem „Alleingang“. Die
       Landtagsfraktion betonte, die geplante Veranstaltung sei weder mit der
       Landespartei noch mit der Fraktion abgesprochen.
       
       Helmerich hingegen rechtfertigte die Einladung in der Thüringer Allgemeinen
       als „Maßnahme, die in das politische Konzept der Thüringer SPD passt, um
       Wähler zu werben, die zur AfD abgewandert sind“. Eine
       Parteiausschlussdebatte befürchte er nicht.
       
       ## Mitbegründer der AfD in Thüringen
       
       Die Einladung Sarrazins ist besonders brisant, weil der Anwalt Oskar
       Helmerich einer der Mitbegründer der AfD in Thüringen war. Als Antwort auf
       den Rechtstrend seiner Partei verließ er 2015 gemeinsam mit zwei weiteren
       Abgeordneten die AfD-Landtagsfraktion. Ein Jahr später trat er dann der SPD
       und ihrer Fraktion bei.
       
       Seit im April 2017 die SPD-Abgeordnete Marion Rosin zur CDU wechselte,
       sichert Helmerichs Übertritt rot-rot-grünen Koalition in Thüringen die
       schmale Mehrheit von gerade mal einer Stimme im Landtag. Oppositionsführer
       Mike Mohring (CDU) wies darauf in der Debatte um die Sarrazin-Einladung
       ebenso genüsslich hin wie der AfD-Landessprecher Torben Braga.
       CDU-Fraktionssprecher Karl-Eckhard Hahn fragte, ob die Thüringer SPD
       Helmerich jetzt „die Scheidungsurkunde ausstellt“ und mutmaßte eine
       „erkaltete Liebe“ zum ehemaligen AfDler.
       
       Die aus Thüringen stammende Grünen-Bundestagsabgeordnete Katrin
       Göring-Eckardt regte statt der Lesung eine kritische Diskussion an. „Aber
       es schadet allen Demokraten, wenn Rassisten ein Bühne geboten wird, und vor
       allem schadet es denen, über die der Autor herzieht und mit denen wir
       friedlich zusammenleben wollen“, schrieb sie.
       
       Der Thüringer Grünen-Fraktionsvorsitzende Dirk Adams richtete eine mahnende
       Botschaft an die SPD und forderte Klarheit. „Ein solcher ‚Wahlkampftermin‘
       ist eine schwere Belastung für die Koalition von R2G“, erklärte er. Einige
       Stimmen auf Twitter unterstellten Helmerich gar, weiterhin ein „U-Boot“ der
       AfD zu sein.
       
       31 Mar 2019
       
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