# taz.de -- Die SPD und ihr Rechtsaußen: Dritter Anlauf gegen Thilo Sarrazin
       
       > Der SPD-Parteivorstand unternimmt einen weiteren Versuch, den
       > Rechtspopulisten auszuschließen. Der gibt sich gelassen.
       
 (IMG) Bild: Thilo Sarrazin zeigt mit dem Finger gern auf Muslime, Konsequenzen will er aber nicht tragen
       
       Thilo Sarrazin machte erst im Sommer deutlich, dass er der SPD nicht den
       Gefallen tun würde, selbst auszutreten. Er fühle sich in der Partei „nach
       wie vor gut aufgehoben“, sagte er in Berlin bei der Vorstellung [1][seines
       Buches „Feindliche Übernahme“], in dem er gegen den Islam schießt. Mehr
       noch, er gab der SPD-Führung gönnerhaft Tipps. Hätte die Politik vor Jahren
       seine Analysen intensiver studiert, wäre es der SPD besser ergangen.
       
       Für Thilo Sarrazin, seit 45 Jahren in der SPD, gehört die Mitgliedschaft
       zum Geschäftsmodell. Seine rechtslastigen Thesen zur Einwanderung oder zum
       Islam fänden nicht so großen Widerhall, wenn er sie nicht unter dem Label
       Sozialdemokratie formulieren könnte. Der frühere Ministerialbeamte,
       Staatssekretär, Berliner Finanzsenator und Bundesbanker hat bereits zwei
       Parteiausschlussverfahren überstanden. Nun startet die SPD einen dritten
       Versuch, Sarrazin loszuwerden.
       
       Im August habe man sich entschieden, die Äußerungen von Sarrazin erneut
       prüfen zu lassen, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag. Die
       Kommission habe jetzt einen umfassenden Bericht vorgelegt. „Dieser Bericht
       kommt zu dem Schluss, dass Sarrazin Thesen propagiert, die mit den
       Grundsätzen der SPD unvereinbar sind, und der Partei schweren Schaden
       zufügen.“ Der Vorstand habe beschlossen, ein erneutes
       Parteiordnungsverfahren einzuleiten, sagte Klingbeil: „Unser Ziel ist es,
       Thilo Sarrazin aus der SPD auszuschließen.“
       
       Dem Tagesspiegel [2][sagte Sarrazin], er warte in Ruhe ab, „was der
       SPD-Vorstand mir schreiben wird“. Er behalte sich vor, einen Anwalt
       einzuschalten und den Rechtsweg zu beschreiten.
       
       ## Sarrazin wird im Zweifel durch alle Instanzen gehen
       
       Ein Ausschlussverfahren ist die schärfste Sanktion gegen Parteimitglieder.
       Für einen Ausschluss gelten hohe Hürden, damit der Vorstand nicht
       missliebige Leute aus der Partei drängen kann. Die Strafe darf laut Satzung
       nur dann gegen ein Mitglied verhängt werden, wenn es „erheblich gegen die
       Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen hat und dadurch schwerer
       Schaden für die Partei entstanden ist.“
       
       Das Verfahren gegen Sarrazin dürfte sich ziehen. Zuständig ist zunächst die
       Schiedskommission des Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf, dem
       Sarrazin angehört. Danach kann die Landes- und die Bundesschiedskommission
       angerufen werden. Sarrazin könnte zuletzt auch noch vor einem ordentlichen
       Gericht gegen den Ausschluss klagen. In der SPD rechnet man damit, dass
       Sarrazin im Zweifel durch alle Instanzen gehen wird.
       
       Die Entscheidung des Vorstands, die dem Vernehmen nach einhellig ausfiel,
       kommt in der SPD gut an. „Sehr gut“, twitterte die sächsische
       Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe. „Die Entscheidung des Vorstandes ist
       richtig“, sagte Aziz Bozkurt, Chef der Arbeitsgemeinschaft Migration und
       Vielfalt, der taz. Sarrazins Thesen schadeten der SPD. „Er geht davon aus,
       dass die Gene darüber entscheiden, ob und wie jemand in die Gesellschaft
       passt – und wertet Menschen ab.“ Gerade Menschen mit Migrationshintergrund
       fragten sich, warum Sarrazin eigentlich immer noch Mitglied sei, sagte
       Bozkurt.
       
       Viele prominente SPDler hielten sich nach der Vorstandsentscheidung am
       Montag mit Kommentaren zurück. Dieses Mal soll alles glatt gehen – und das
       Verfahren nicht durch voreiliges Geplauder gefährdet werden. Die SPD fühlt
       sich gut munitioniert: Die Kommission hat akribisch Veröffentlichungen,
       Interviews und öffentliche Auftritte Sarrazins ausgewertet. Nach
       dpa-Informationen saßen unter anderem Gesine Schwan, die Vorsitzende der
       SPD-Grundwertekommission, in der Runde, außerdem Ex-Bundesjustizministerin
       Herta Däubler-Gmelin als Rechtsexpertin.
       
       ## Blamable Vorgeschichte
       
       Ein erstes Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin war 2010 gescheitert.
       Damals ging es um ein Interview in der Zeitschrift Lettre International, in
       dem Sarrazin unter anderem gesagt hatte: „Die Türken erobern Deutschland
       genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere
       Geburtenrate.“ Ein zweites Verfahren endete im April 2011 mit einem
       Vergleich. Darin versicherte Sarrazin, dass er weder Migranten
       diskriminieren noch sozialdemokratische Grundsätze verletzen wollte. Er
       habe nur „schwerwiegende Defizite der Migration, Integration und
       Fehlentwicklungen der Demografie in Deutschland“ ansprechen wollen.
       
       Die Vorgeschichte des Vergleichs war blamabel für die SPD. Im Herbst 2010
       war Sarrazins umstrittener Bestseller „Deutschland schafft sich ab“
       erschienen. Darin vertrat er die These, dass Intelligenz vererbbar sei. Die
       deutsche Gesellschaft verdumme, weil bildungsferne Deutsche und muslimische
       Migranten mehr Kinder bekämen als Gebildete. Der damalige SPD-Chef Sigmar
       Gabriel hatte vehement für den Rausschmiss Sarrazins geworben – und so hohe
       Erwartungen geschürt. Dass Sarrazin am Ende bleiben durfte, war deshalb als
       Niederlage gewertet worden.
       
       17 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Buch-Das-verhaengnisvolle-Dreieck/!5548854
 (DIR) [2] https://www.tagesspiegel.de/politik/spd-ausschlussverfahren-thilo-sarrazin-ich-behalte-mir-vor-den-rechtsweg-zu-beschreiten/23769118.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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