# taz.de -- Israel kürzt Steuerauszahlungen: Weniger Geld für Palästinenser
       
       > Nach dem Mord an einer 19-jährigen entscheidet Israels
       > Sicherheitskabinett über die Kürzung der Zahlungen an die
       > Autonomiebehörde.
       
 (IMG) Bild: Keine Reue zeigt der des Mordes verdächtige Palästinenser Arafat Irfaija
       
       Berlin taz | Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will die Steuergelder,
       die Israel im Auftrag der Palästinenser kassiert, nur noch zum Teil
       auszahlen. Die „Gehälter für Terroristen“, wie es in Jerusalem heißt,
       sollen eingefroren werden. Umgerechnet knapp 25 Millionen Euro, so
       errechnete das israelische Verteidigungsministerium, zahle die
       Palästinensische Autonomiebehörde (PA) monatlich an palästinensische
       Häftlinge und „Märtyrer“, die bei Widerstandsaktionen selbst zu Tode kamen.
       
       Schon im Juli hatte eine klare Mehrheit in der Knesset (Parlament) für das
       Gesetz der Steuerkürzung an die PA gestimmt. Anlass für die nun
       beschleunigte Umsetzung war der grausame Mord an einer jungen Frau. Die
       19jährige Ori Ansbacher war am vorvergangenen Donnerstag mit mehreren
       Messerstichen in der Brust tot in einem Waldstück bei Jerusalem aufgefunden
       worden. Innerhalb von 48 Stunden war der Täter gefasst.
       
       Der 29jährige Palästinenser Arafat Irfaija aus Hebron gestand den Mord und
       rekonstruierte den Tathergang. Laut Untersuchung des inländischen
       Nachrichtendienstes Shin Beth, war Irfaija, der wegen mehrerer politisch
       motivierter Straftaten bereits vorbestraft ist, am Morgen mit einem Messer
       bewaffnet nach Jerusalem gekommen, wo er die junge Frau allein auf einer
       Bank sitzen sah, überfiel und ermordete. Ungewöhnlich für einen Terrorakt
       ist, dass Ansbacher sexuell missbraucht wurde.
       
       Während der Shin Beth anfangs Klärungsbedarf über die Motive Irfaijas sah,
       sprach Gilad Erdan, Minister für öffentliche Sicherheit, unbeirrt von einer
       „Terrorattacke, die möglicherweise mit der Todesstrafe geahndet werden
       könnte“. Netanjahu gab dem Druck des nationalreligiösen Bildungsministers
       Naftali Bennett sowie Familienangehöriger von Terroropfern nach, die den
       Stopp der Zahlungen an die PA forderten.
       
       ## 500 Euro monatlich ab drei Jahre Haft
       
       Laut israelischem Verteidigungsministerium zahlt die Autonomiebehörde
       monatlich umgerechnet knapp 500 Euro an Häftlinge, die zu drei bis fünf
       Jahren Haft verurteilt wurden. Diese Summe entspricht einem
       durchschnittlichen Monatsgehalt im Westjordanland. Rund 2500 Euro bekommen
       Palästinenser, die für mehr als 20 Jahre hinter Gitter müssen, egal ob sie
       die Zeit tatsächlich absitzen oder vorzeitig begnadigt werden.
       
       Im Fall ihres Ablebens beziehen die Familien die Renten weiter. Für
       Ehefrauen und Kinder gibt es Zahlungsaufstockungen, außerdem bekommen
       Palästinenser aus Ostjerusalem einen Bonus und Araber, die im Besitz der
       israelischen Staatsangehörigkeit sind. „Je mehr sie schlachten, desto mehr
       wird bezahlt“, schimpfte Netanjahu im Herbst vor der UN-Generalversammlung
       über die Praxis der PA.
       
       Auch US-Präsident Donald Trump forderte seinen palästinensischen
       Amtskollegen Mahmud Abbas wiederholt dazu auf, die Gewalt nicht länger zu
       belohnen. Trump kürzte im letzten Jahr die Finanzhilfen an die PA um 200
       Millionen Euro und stellte die Zahlungen an die Flüchtlingshilfe UNRWA
       komplett ein.
       
       ## Für Palästinenser sind die Häftlinge Helden
       
       Aus palästinensischer Perspektive sind die Häftlinge keine Terroristen
       sondern politische Gefangene und Widerstandskämpfer. Die
       Menschenrechtsorganisation Addameer, die sich für die Häftlinge einsetzt,
       zählte im Januar 5450 Palästinenser in Haft, davon 490, die für 20 Jahre
       oder länger verurteilt wurden. Dazu kommen die Familien der bei Anschlägen
       getöteten Palästinenser. In Jerusalem kursiert die Zahl von 35.000
       Familien, die regelmäßige Renten beziehen.
       
       „Wir sind den Häftlingen, den Märtyrern und ihren Familien gegenüber
       verpflichtet“, versprach Abbas und kündigte an, aus Protest über die
       Kürzungen die gesamten Steuereinnahmen abzulehnen, was dramatische
       Konsequenzen haben könnte. Die von Israel kassierte Mehrwertsteuer auf
       Produkte, die ins Westjordanland und in den Gazastreifen geliefert werden,
       machen rund zwölf Prozent des ohnehin kargen palästinensischen Budgets aus.
       
       Der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah erklärte am Samstag,
       dass seine Regierung darauf vorbereitet sei, „es mit jeder Art von
       Zahlungsreduzierungen durch Israel aufzunehmen“. Es sei die Pflicht der
       palästinensischen Führung, die Zahlungen an Familien der „Märtyrer und
       Häftlinge“ fortzusetzen.
       
       Der palästinensische Vertreter im UN-Menschenrechtsrat (HRC) Ibrahim
       Khraishe kündigte an, Protest beim HRC gegen die geplanten
       Zahlungskürzungen einzulegen, die die einzige Einnahmequelle für die
       Familien seien, die ihre Hauptverdiener verloren haben.
       
       17 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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