# taz.de -- Louise-Lawler-Ausstellung in Wien: Die Frau mit der Kamera
       
       > Die Vertikale Galerie der Sammlung Verbund in Wien zeigt Fotografien von
       > Louise Lawler. Sie dokumentiert, wie die Kunst als solche hergerichtet
       > wird.
       
 (IMG) Bild: Wandfüllend: Installationsansicht eines Werks der Serie „Adjusted to fit“ in der Vertikalen Galerie
       
       Am 22. Dezember 2004 kaufte Gabriele Schor, Gründungsdirektorin der
       Kunstsammlung des österreichischen Energieversorgers Verbund, bei Metro
       Pictures in New York das erste Bild von Louise Lawler für die neue
       Sammlung. Zur bislang letzten Erwerbung eines ihrer Werke kam es am 8.
       Januar dieses Jahres bei Karma Publishing, ebenfalls in New York. Damit
       besitzt der Erzeuger von Strom (vor allem aus Wasserkraft) nun insgesamt 27
       Arbeiten der Künstlerin. Genug für eine feine, wohl durchdachte Ausstellung
       im Stiegenhaus der Firmenzentrale in Wien, der sogenannten Vertikalen
       Galerie.
       
       Louise Lawler drang darauf, den Katalog zu dieser Ausstellung mit einer
       Chronologie der Erwerbungen durch die Sammlung Verbund zu eröffnen. Diese
       Entscheidung folgt der Logik ihres Werks, denn die Aufmerksamkeit der
       Künstlerin gilt der Kunst in ihrem Kontext. Louise Lawler fotografiert.
       Seit den frühen 1980er Jahren fotografiert sie, ohne etwas zu arrangieren,
       künstlerische Arbeiten in ihrem, wenn man so will, natürlichen Habitat;
       also im Museum, der Galerie, dem Depot, der Wohnung betuchter SammlerInnen,
       im Auktionshaus oder auf der Kunstmesse, und macht dabei deutlich, wie sich
       Präsenz, Wirkung und Aussagekraft der Artefakte je nach ihrer räumlichen
       und institutionellen Umgebung verändern.
       
       Lawler, 1947 in Bronxville, New York, geboren, wird zur „Pictures
       Generation“ gerechnet, einer losen Gruppe von KünstlerInnen, die sich in
       ihrem Werk mit recognizable images, also den wiedererkennbaren Bildern der
       Massenmedien Film, Fernsehen und Illustrierten, auseinandersetzten.
       Konzeptkunst, Institutionskritik und Appropriation Art sind die Stichworte
       zum künstlerisch-analytischen Hintergrund der Gruppe, deren Name sich von
       der Gruppenausstellung „Pictures“ 1977 im alternativen Ausstellungsraum
       Artists Space in Manhattan herleitete. „Pictures“-Kurator und Kunstkritiker
       Douglas Crimp verschaffte durch die Schau erstmals als postmodern
       bezeichneten Positionen Geltung.
       
       Louise Lawler zeigte in ihrer ersten Einzelausstellung 1978 im Artists
       Space kein originäres Werk von sich selbst, sondern das Gemälde eines
       Rennpferds von 1883. Die Scheinwerfer der Galerie richtete sie so aus, dass
       sie nicht die Leinwand, sondern den Raum und die Besucher als die
       eigentlichen Protagonisten der Würdigung des Bildes als Kunst bestrahlten.
       Es gelang ihr eine faszinierend doppelbödige Installation insofern, als
       diese unter der Hand einen künstlerischen Akt eigenen Rechts formulierte.
       Nun, 2018, heißt ihre Ausstellung in der Vertikalen Galerie „She’s here“
       und man meint, es klänge etwas Alarmistisches im Titel an.
       
       ## Hilfe, sie ist wirklich da
       
       In der Art: Hilfe, sie ist wirklich da, die Frau mit der Kamera, die in
       unsere Depots steigt und sich dort über unseren Bacchus amüsiert, der sich,
       lässig zurückgelehnt, offenbar vom Ventilator – wer hat eigentlich den hier
       abgestellt?! – kühlen lässt („Objects“, 1984). Louise Lawler kann das, der
       puren Kontingenz Prägnanz verleihen. Sie zeigt einen Gerhard Richter –
       erkenntlich an der Signatur – von hinten, wie er durch ein weißes
       Schaumpölsterchen geschützt an der Wand lehnt und auf seinen Abtransport
       wartet („Wall Pillow“, 2010/2012), und aufgrund des präzise gewählten
       Ausschnitts macht sie ihn dabei zum lustigen
       Klebestreifen-Konstruktivisten.
       
       Die hohe formale Eleganz, mit der sie Félix González-Torres (1957–1996)
       stimmungsreiche Lichterketten in ihrem „Das kann weg“-Moment erwischt, ist
       bestechend („Bulbs“, 2005/2006). Zwar zeigt ihre Fotografie, wie Glühbirnen
       und Verpackungsmaterial einfach so auf den Tischen herumliegen. Doch
       Schärfe und Unschärfe im Bild verraten den absichtsvollen Blick, der in
       diesem absichtslos entstandenen Arrangement noch immer González-Torres’
       Vorstellung von Poesie zu verspüren mag.
       
       Ja, sie ist hier und sehr präsent, die Künstlerin, die sich weder mit der
       Rolle der theoriebeflissenen kritischen Instanz begnügt – noch der eines
       Fetischs des Kunstmarktes und seiner Celebrities. Louise Lawler macht sich
       im Haus und in der Ausstellung genauso wie beim Katalog zu schaffen. Und
       sie hat in Gabriele Schor das richtige Gegenüber. Denn es zeichnet die
       Sammlung Verbund vor vielen anderen Firmensammlungen aus, dass sie mit der
       „Feministischen Avantgarde der 1970er Jahre“ und der „Wahrnehmung von
       Räumen und Orten“ zwei klar definierte Themenschwerpunkte hat, zu denen
       gesammelt und grundlegende wissenschaftliche Forschungsarbeit geleistet
       wird.
       
       Gabriele Schor und ihren Mitstreitern gelingt es dabei, den aus Sammlung
       und Forschung erwachsenden Diskurs in die Ausstellungen und Kataloge
       hineinzutragen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Sammlung
       Verbund damit Aufgaben übernimmt, die die angestammten
       Forschungsinstitutionen wie Museen und Universitäten mangels Geld und
       Personal nicht leisten. Nicht nur der „Catalogue raisonée“ zu Cindy Sherman
       ist das Werk der Sammlung Verbund, sondern auch die grundlegenden
       Monografien zu den Künstlerinnen Birgit Jürgenssen und Renate Bertlmann.
       
       ## Auch der Katalog gehört zum Kontext der Kunst
       
       Louise Lawlers Bilder, die dokumentieren, wie die Kunst ganz materiell als
       solche hergerichtet, verschickt, verstaut und verkauft wird, verweisen in
       Wien unwillkürlich auf die ideelle Inszenierung der Kunst, die Schwerpunkt
       der Sammlung Verbund ist. Denn im luftigen, über sieben Stockwerke
       reichenden Treppenhaus und den angrenzenden Fluren passiert etwas
       Interessantes: Die Ausstellungssituation ist räumlich viel zu bescheiden,
       als dass neue Arbeiten aus Lawlers „Adjusted-to-fit“-Serie ihren bösen
       Charme wirklich entfalten könnten, mit dem sie den Begriff der
       ortsspezifischen Kunst auf die Schippe nehmen.
       
       Das Foyer ist einfach zu klein, damit das Computerprogramm den Blick auf
       die New Yorker Skyline aus dem Apartment eines Kunstsammlers (im Fenster
       spiegelt sich eine Zeichnung aus Robert Longos „Men in the Cities“-Serie)
       genügend verzerren könnte, dass die Proportionen – ist das Bild dann
       endlich wandfüllend – offensichtlich nicht mehr stimmen.
       
       Um zu verstehen, wie das in Perfektion aussehen sollte, ist ein Blick in
       den Katalog nötig, der damit als integraler Bestandteil der Ausstellung
       deutlich wird. Von Louise Lawler „Selected and Related“ betitelt, erweitert
       er das Wissen um die Situation, insofern dort einzelne Sujets der Sammlung
       in noch anderen Varianten und anderen Umgebungen gezeigt werden. Auch der
       Katalog gehört zum Kontext der Kunst und unterliegt damit Louise Lawlers
       kritischer, vergleichender Analyse.
       
       14 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
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