# taz.de -- Die „Bild“-Zeitung und Friedrich Merz: Wieder mitspielen
       
       > Friedrich Merz will CDU-Vorsitzender werden. Es könnte ein
       > Richtungswechsel werden für die Partei, das Land und auch für Axel
       > Springers „Bild“.
       
 (IMG) Bild: Wenn es um den Journalismus der „Bild“ geht, fällt häufig das Wort „Kampagne“ (Archivbild 2007)
       
       Es ist 9.53 Uhr am Montag, den 29. Oktober 2018, als Spiegel-Redakteurin
       Melanie Amann eine exklusive Nachrichtenmeldung twittert: „Merkel kündigte
       offenbar gerade im CDU-Präsidium an, nicht wieder für den Parteivorsitz zu
       kandidieren.“ Jeder Beobachter weiß sofort: Wenn die Meldung stimmt – und
       sie stimmt –, ist das [1][der Anfang vom Ende der Ära Merkel].
       
       Von diesem Zeitpunkt an bis zu einer weiteren exklusiven Meldung dauert es
       exakt 29 Minuten. Um 10.22 Uhr vermeldet die Bild-Zeitung: „BILD EXKLUSIV –
       Merz zur Kandidatur für CDU-Vorsitz bereit“. Das ist extrem guter
       Journalismus: schnell, exklusiv, relevant. Oder sollte man besser sagen:
       extrem gut vorbereiteter Journalismus?
       
       [2][Friedrich Merz] – Alter: 63, Größe: 1,98 Meter, Beruf: Rechtsanwalt,
       Sternzeichen: Skorpion, Vermögen: abgesichert – ist zurück auf der
       politischen Bühne. Und mit ihm viele alte und neue Erzählungen: Merz, der
       Merkel-Hasser; Merz, der Wirtschaftsliberale; Merz, der Millionär, der
       Racheengel, Hobbypilot, Steuererklärer; Friedrich Merz, der Mann aus Brilon
       im Sauerland.
       
       Doch niemand, so scheint es in diesen Tagen, sucht so sehr die Nähe zu
       Friedrich Merz wie die Bild-Zeitung. Und andersherum: Annegret
       Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn, die im Kampf um den CDU-Vorsitz gegen
       Merz antreten, nutzen für ihre ersten exklusiven Wortmeldungen die FAZ.
       Merz geht zur Bild. Sein erstes TV-Interview gibt er im Livestream von
       Bild-TV. Als er auf öffentlichen Druck hin schließlich offenlegen muss, wie
       viel Geld er verdient, tut er es in der Bild am Sonntag, dem Schwesterblatt
       der Bild, das ein bisschen weiblicher ist, krampkarrenbauerischer.
       
       Die Bild jedenfalls stärkt Merz den Rücken. Mehrere Autoren der Zeitung
       verteidigen ihn und seine Verflechtungen in die Wirtschaft, seine
       Millionen, warnen vor einer „Neid-Debatte“. Der Leiter des
       Bild-Parlamentsbüros, der für die CDU zuständige Redakteur Ralf Schuler,
       meint via Twitter, die Merz-Kritiker [3][wollten einen „Normenkontrollrat
       für korrektes Leben“ einführen]. Kommentare, die sich kritisch mit Merz’
       Aufsichtsratsmandaten und seiner Tätigkeit für den weltgrößten
       Vermögensverwalter Blackrock auseinandersetzen, findet man kaum, sieht man
       von ein paar Beiträgen in einer Leserumfrage ab. Und das, obwohl es in der
       Bild-Redaktion durchaus Leute gibt, die Merz und seine Beziehungen in die
       Finanzbranche kritisch sehen.
       
       ## Medienunternehmen im Umbruch
       
       Wenn es um den Journalismus der Bild-Zeitung geht, fällt häufig das Wort
       „Kampagne“. Springer-Gegner benutzen es, Politiker auch, um zu beschreiben,
       wie die Bild Stimmungen erzeugen und verstärken kann. Es läge, betrachtet
       man nur die Merz-Berichte der Bild in den ersten Tagen nach dem 29.
       Oktober, nahe, auch dahinter eine Kampagne zu vermuten: so nah dran, so
       wohlwollend wie kein anderes Medium.
       
       Der Axel-Springer-Konzern ist ein Medienunternehmen im Umbruch, die Bild
       eine Zeitung mit Auflagenschwund. Die CDU ist eine Partei, und Deutschland
       ein Land im Umbruch. Und Friedrich Merz ist ein Politiker, der diesen
       Umbruch gestalten will. Merz und Springers Bild, das könnte also gut
       zusammenpassen. Aber wie ist ihr Verhältnis zueinander? Wer bestimmt es?
       Und welche Faktoren entscheiden?
       
       Für diesen Text wurden Gespräche innerhalb und außerhalb der
       Axel-Springer-Zentrale geführt, mit Redakteurinnen und Redakteuren von
       Bild, BamS und Welt, Politikern, Beratern, Chefredakteuren und Verlagschef
       Mathias Döpfner. Viele Gespräche fanden als „Hintergrund“ statt. Das ist
       eine journalistische Redewendung und bedeutet, dass daraus nicht zitiert
       werden darf.
       
       ## Reichelts Kampfblatt
       
       Julian Reichelt, Alter: 38, Göße: unbekannt, Beruf: Kriegsreporter,
       Sternzeichen: Scheißdrauf, „Millionär?“ – „Nein!“, ist der Chefredakteur
       der Bild-Zeitung mit einer Auflage von täglich rund 1,4 Millionen
       Exemplaren, Tendenz: sinkend, aber immer noch die größte Tageszeitung
       Deutschlands. Im 16. Stock der Konzernzentrale in Berlin liegen seine
       beiden Joypads, mit denen er zocken kann. Sie sind in Tarnfarben gehalten.
       
       Hier, im Büro des Bild-Chefredakteurs, saß früher Kai Diekmann. Fast 15
       Jahre lang leitete er das Blatt. Die repräsentativen Kunstwerke, die
       Diekmann in diesem Raum einst als lässig drapierte Understatements an die
       Wände gelehnt hintereinanderreihte, sind weg. Jetzt stehen ein paar
       Schnapsflaschen in der Ecke, an einer Wand hängt ein Poster, darauf steht
       „Enteignet Augstein“.
       
       Reichelt hat keinen Schreibtisch mehr, er hat ein Baugerüst aufstellen
       lassen und mitten in den Raum einen rechteckigen Sofatisch mit ein paar
       sandgrauen Hockern drum herum. Wenn es etwas zu besprechen gibt, zum
       Beispiel vor Redaktionsschluss die wichtigen Texte, sitzen seine Leute hier
       im Kreis mit ihm, und manche rauchen mit.
       
       Reichelt raucht blaue Gauloises, Soft Pack, und zerknüllt nach der letzten
       Zigarette die Packung in seiner Faust. Anfang des Jahres hat er den Kampf
       gegen seine Co-Chefin Tanit Koch gewonnen. Koch gab auf und ging. Reichelt,
       der erst Chef von bild.de war, dann Vorsitzender der Chefredaktion, wurde
       nun auch Chefredakteur der gedruckten Bild. Er hat seine Zeitung wieder zum
       Kampfblatt gemacht, zu einem, das so laut und aggressiv ist wie schon lange
       nicht mehr. Auf der Seite eins schreien jetzt wieder häufiger Schlagzeilen
       über kriminelle Ausländer, die „Abschiebe-Lüge“ oder „Hartz IV-Betrüger“.
       Aber, auch das, sagt er, habe er als Chef verfügt: Paparazzi-Fotos von
       Prominenten drucken sie jetzt nur noch mit Einwilligung der Promis.
       
       ## Merz könnte genau der Richtige sein
       
       Dennoch: Die Bild verliert weiter so schnell so viele Leser wie kaum eine
       andere Tageszeitung in Deutschland. Sie war mal das auflagenstärkste,
       mächtigste Boulevardblatt Europas. Gut 5 Millionen Exemplare verkaufte sie
       täglich Anfang der 80er Jahre, heute sind es noch 1,4 Millionen, inklusive
       der Fußball-Bild. Dazu kommen gut 400.000 Bildplus-Abos, so heißt das
       Digitalangebot der Zeitung. Im Vergleich zu anderen Tageszeitungen sind das
       immer noch sehr viele Leser – aber der Schwund ist stark.
       
       Reichelt also braucht Erfolge. Die Geschichte mit Merz ist bisher einer:
       „Diese Meldung als Erster zu haben war wochenlange harte Arbeit“, sagt
       Reichelt. „Wir hatten für die Meldung drei Quellen. Ich war einer der
       Autoren.“ Reichelt erzählt es mit Stolz, es ist für ihn Ausweis einer
       Anstrengung, die sich gelohnt hat. Dem Spiegel, der geschrieben hatte, die
       Meldung sei über einen „Mittelsmann“ bei der Bild gelandet, hat Reichelt
       böse Mails geschrieben. Mittelsmann, „das klingt, als hätten wir keine
       eigenen Quellen gehabt, als hätten wir nicht sauber gearbeitet.“
       
       Ein Kandidat wie Friedrich Merz könnte also genau der Richtige sein, um der
       Bild neuen Schwung zu geben. Reichelt sieht das so: „Solche Zeiten führen
       zu einer permanenten Nachrichtenlage. Das ist gut für alle.“
       
       Das ist einer der Gründe dafür, warum die Bild so viele Merz-Geschichten
       geschrieben hat. Merz klickt sich gut, das beobachtet man in der Redaktion.
       Und wenn sich ein Thema gut klickt, dann wird nachgelegt. So war das in den
       letzten Tagen auch bei Malle-Jens, dem Star aus dem Privatfernsehen, der
       gerade gestorben ist.
       
       Aber es wäre zu kurz gegriffen, diese Geschichte nur entlang von Friedrich
       Merz zu erzählen. Denn wichtig für die Frage, wie die Bild zu Friedrich
       Merz steht, ist auch die Frage, wie sie zur noch amtierenden Kanzlerin
       steht, Angela Merkel, Alter: 64, Größe: 1,65 Meter, Beruf: Auslaufmodell,
       Sternzeichen: Krebs, Vermögen: Protestantin.
       
       In ihrem Fall allerdings geht es der Bild schon lange nicht mehr um Nähe,
       sondern nur noch um die Distanz. Und zwar auf oberster Ebene.
       
       ## Kampf gegen den Mindestlohn
       
       Im 18. Stock des goldenen Axel-Springer-Turms in Berlin hat Mathias Döpfner
       sein Büro. Döpfner, Alter: 55, Größe: 2,02 Meter, Beruf: Journalist,
       Sternzeichen: Steinbock, Vermögen: Kunstsammler, kann von hier weit
       blicken. Sitzt er an seinem Schreibtisch, hat er im Rücken einen riesigen
       Davidstern, ein verstörendes Kunstwerk, von Günther Uecker, hellgelb, an
       den Rändern beschlagen mit langen, verbogenen Nägeln; es ist ein Werk wie
       ein Auftrag.
       
       Die Entfremdung des Mathias Döpfner von Angela Merkel hat mit einem
       Geschäft zu tun, das gescheitert ist. Es war das Jahr 2007, Döpfners größte
       berufliche Niederlage, das Aus der PIN AG.
       
       Nahezu täglich berichtete die Bild zu dieser Zeit über den Mindestlohn, den
       es damals in Deutschland noch nicht gab. Es war ein Thema, das Bild-Leser
       interessierte, die Mehrheit der Deutschen befürwortete damals die
       Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Die Bild allerdings griff nicht
       die Stimmung in der Bevölkerung auf, sondern die Stimmung des Verlagschefs.
       
       Der hatte im Sommer 2007 über eine halbe Milliarde Euro in den
       Briefzusteller PIN AG investiert und seinem Unternehmen damit die Mehrheit
       an dem Post-Konkurrenten gesichert. Für Springer sollte der Einstieg in das
       Postgeschäft eine neue Einkommensquelle erschließen und damit auch die
       eigenen Produkte an die Leser bringen. Döpfners Risiko: Er setzte auf ein
       Geschäftsmodell, das nur bei Niedriglöhnen profitabel wäre. Döpfners
       Absicherung: Vor dem Kauf holte der Axel-Springer-Konzern eigens
       Erkundigungen bei der Bundesregierung ein, um sicherzugehen, dass der
       Mindestlohn nicht kommt. „Am Anfang“, sagt Döpfner heute, „können Sie einen
       Monopolisten nur über den Preisvorteil angreifen.“
       
       Herbst 2007, in der Bild werden jetzt Woche um Woche Argumente gegen den
       Mindestlohn gedruckt.
       
       Ein Ausriss: Am 19. September 2007 fragt Bild: „Mindestlohn: Ist das
       wirklich gut für die Beschäftigten? Nein, sagen Experten.“
       
       Am 20. September 2007 schreibt Bild: „Mindestlohn? Dann gehen wir pleite.“
       
       Am 29. September 2007 warnt Bild: „Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze!“
       
       Am 4. Oktober 2007 druckt Bild ein Interview mit Florian Gerster, dem
       ehemaligen Chef der Bundesagentur für Arbeit, der inzwischen Präsident des
       eigens gegründeten Arbeitgeberverbandes „Neue Brief- und Zustelldienste“
       geworden war. Gerster: „Ein Mindestlohn von 9,80 Euro schützt nicht die
       Arbeitnehmer, sondern vernichtet Arbeitsplätze.“
       
       Besonders hübsch: Am 5. Oktober 2007 schreibt Bild schließlich:
       „US-Nobelpreisträger warnt vor Mindestlohn.“ Aber auch das ist noch lange
       nicht das Ende.
       
       ## Döpfner und die PIN AG
       
       Dies also ist eine Bild-Kampagne gegen den Mindestlohn, Schandfleck eines
       sich permanent für unabhängig erklärenden Volksjournalismus. Ex-Bild-Chef
       Kai Diekmann sagt dazu heute: „Ordnungspolitisch war das sauber.“ Er meint
       damit, dass es der Linie des Hauses entsprach: freie Marktwirtschaft. Auch
       in den Springer-Blättern B.Z. und Welt wird ausführlich über die Nachteile
       des Mindestlohns für Postzusteller berichtet. Allein: Es nützte nichts.
       
       Am 14. Dezember 2007 beschließt der Bundestag: Der Mindestlohn im
       Postzustellgewerbe wird kommen, auch für die PIN AG. Noch am selben Tag
       lässt Döpfner verkünden, der Springer-Konzern sei nicht länger bereit,
       weitere Verluste hinzunehmen, der PIN AG drohe nun die Insolvenz. Anfang
       2008 tritt die Regelung in Kraft, da hat sich Döpfner längst von der PIN AG
       verabschiedet.
       
       Seit dieser Zeit, sagen Nahestehende, mache Döpfner in vertraulichen Runden
       keinen Hehl mehr daraus, dass er von der Kanzlerin nicht viel hält. Einer,
       der ihn gut kennt, sagt: Das war der „Nukleus des Zerwürfnisses“, der Kern
       also. Döpfner selbst sagt: Er habe auch vorher kein übermäßig gutes
       Verhältnis zu Angela Merkel gehabt.
       
       ## Streit ums Dschungelcamp
       
       Elf Jahre später, bei ihm in der Vorstandsetage. „Dass das ein verdächtiger
       Fall ist, das kann ich nicht bestreiten“, sagt Mathias Döpfner im Rückblick
       auf die Schlagzeilen von damals. „Dass dies das Resultat einer Vermischung
       von Verlags- und Redaktionsinteressen war, bestreite ich allerdings
       vehement.“ Döpfner sagt auch: „Niemals dürfen Journalisten versuchen,
       Politik zu machen.“
       
       Am Ende dieser Geschichte verkaufte Döpfner die Anteile an der PIN AG. Sein
       Vertrauen in Politikerzusagen, sagte er damals dem Spiegel, sei nie sehr
       groß gewesen. Jetzt liege es unter null. Damit dürfte Angela Merkel gemeint
       gewesen sein.
       
       Verlag und Redaktion, so lautet eine journalistische Grundregel, sind
       strikt getrennt. Das soll so sein, damit Redaktionen sich inhaltlich etwa
       nicht an dem orientieren, was ihre Werbepartner wollen. Es ist bei Springer
       aber gar nicht so einfach, Redaktion und Verlag getrennt zu denken, denn
       der Verlagschef an der Spitze sagt, er schreibe beim Einchecken ins Hotel
       noch immer „Journalist“ ins Anmeldeformular. Der Anspruch, auch
       publizistisch mitzureden, ging so weit, dass er sich mit Diekmann energisch
       über die Bild-Berichterstattung zum Dschungelcamp stritt und selbst über
       die Länge von Politikerinterviews.
       
       Dieses Prinzip, nah dran zu sein, pflegt Döpfner auch heute noch. Als wir
       an einem Abend im Büro von Julian Reichelt sitzen, wird der Verlagschef
       angemeldet, kurze Zeit später tritt er ein, um Reichelt zu sagen, was ihm
       an der letzten Ausgabe besonders gut gefallen habe. Später wird Reichelt
       dazu sagen: „Das ist in meiner ganzen Amtszeit exakt einmal passiert.“
       
       Nun ist all das ja – die PIN AG, Döpfners Enttäuschung – schon Jahre her,
       und Angela Merkel ist noch immer Kanzlerin. Das zeigt vielleicht, dass die
       Bild nicht alles kann.
       
       Man muss aber auch wissen, das sich das Blatt seit je mit Angela Merkel
       schwergetan hat. Ihr war die Bild-Zeitung über all die Jahre ganz einfach
       egal. Wie anders es laufen könnte zwischen dem Blatt und der Politik, sieht
       man, wenn man andere Politiker dagegenhält, als Kontrastfolie.
       
       ## „Spahn-Sinn – was der alles ändern will!“
       
       Jens Spahn zum Beispiel, Gesundheitsminister, schon länger ein interner
       Merkel-Gegner, wie Friedrich Merz Bewerber um den Parteivorsitz. Es ist
       kein Geheimnis, dass sich Julian Reichelt und Jens Spahn seit vielen Jahren
       duzen und einander schätzen. Beide hegen die gemeinsame Bekanntschaft zu
       dem umstrittenen US-Botschafter Richard Grenell oder mit Österreichs
       Bundeskanzler Sebastian Kurz, auch er ein Duzfreund Reichelts. Spahns
       Sprecher im Gesundheitsminsterium ist der frühere Bild-Redakteur Hanno
       Kautz. Zwei Wochen bevor er im Frühjahr seinen Job bei Spahn antrat,
       schrieb Kautz über Spahn noch: „Spahn-Sinn – was der alles ändern will!“
       
       Ähnlich gut ist das Verhältnis zu CSU-Bundesverkehrsminister Andreas
       Scheuer. Auch dessen Sprecher, Wolfgang Ainetter, wechselte in diesem
       Sommer aus der Bild-Redaktion in das Ministerium. Scheuer persönlich hatte
       Reichelt gefragt, ob er Ainetter abwerben könne. Scheuer selbst ist oft in
       der Bild-Zentrale zu Gast und im Blatt präsent. Dafür ist sich der Minister
       dann auch nicht zu schade, an der Bild-Hotline die Fragen von
       Dieselgeschädigten zu beantworten. Alles in Ordnung – wenn man Lust darauf
       hat.
       
       Und so saßen beim exklusiven Willkommensdinner von Reichelt für
       US-Botschafter Grenell in der Springer-Zentrale natürlich
       Gesundheitsminister Jens und Verkehrsminister Andreas mit am Tisch,
       außerdem Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Döpfner auch.
       
       Solche Spielchen machte Angela Merkel nie mit. Vergessen die Zeiten, in
       denen Kanzler Schröder sagte, zum Regieren brauche er „Bild, BamS und
       Glotze“.
       
       Der enge Draht zu Spahn ist komfortabel für die Bild: Bei der Wahl zum
       neuen CDU-Vorsitzenden kann für sie wenig schiefgehen – solange es nur
       nicht Annegret Kramp-Karrenbauer wird. „Ich bin der festen Überzeugung“,
       sagt Julian Reichelt, „rechts von der CDU darf nur noch die Wand kommen und
       nicht die AfD.“
       
       Wenn es jedoch einen unter den drei Kandidaten für Merkels Nachfolge an der
       Parteispitze gibt, der die Präambel des Axel-Springer-Konzerns quasi
       eingeatmet hat, dann ist es Friedrich Merz: das Bekenntnis zu Freiheit,
       Rechtsstaat, Demokratie und Europa, Solidarität mit Israel und den
       Vereinigten Staaten von Amerika, den Einsatz für eine freie Marktwirtschaft
       und die Ablehnung von politischem und religiösem Extremismus. Friedrich
       Merz’ politische Agenda ist in vielem fast deckungsgleich mit den
       Standpunkten des Axel-Springer-Verlags. Ein Mindestlohn wäre für Merz
       vermutlich kein Thema gewesen.
       
       Nur: Nützt das noch viel im Jahr 2018, in einer Zeit, in der Politiker
       nicht selten bei Facebook und Twitter präsenter sind als in der Presse? Und
       nachdem Angela Merkel gezeigt hat, dass es sich eigentlich auch ganz gut
       ohne Bild regieren lässt?
       
       ## Kulturelle Entfremdung
       
       Auch andere Politiker waren vor und nach Angela Merkel anfällig dafür, die
       Nähe zur Bild und zur Bild am Sonntag zu suchen und zu pflegen. Gerhard
       Schröder, der spätere Bundespräsident Christian Wulff natürlich; Martin
       Schulz zuletzt. Das allerdings ist das Unberechenbare an Angela Merkel,
       einer Frau, die sich von den Jungs bei Springer nie beeindrucken ließ.
       
       Zwar interessierte sich Merkel für ihre Bekanntschaft zur
       Axel-Springer-Witwe Friede, die den überwiegenden Anteil am Konzern hält.
       Aber nicht für Austauschgeschäfte oder irgendwelche Absprachen, die die
       Bild-Zeitung ansonsten auch macht.
       
       Das also ist der zweite Teil einer auch kulturellen Entfremdung. Sie geht
       bis ins Persönliche, etwa weil Angela Merkel, das war gerade erst im
       September, nicht zu einer Feier der Bild-Zeitung kam. Man darf erstaunt
       sein darüber, als wie ehrabschneidend es bei Springer empfunden wird, dass
       Merkel nicht erschien – obwohl der Termin eigens auf ihren Kalender
       abgestimmt worden war.
       
       Welchen der drei Anwärter bevorzugt Julian Reichelt? „Ich glaube, dass es
       unter den CDU-Kandidaten welche gibt, die eine Eindämmung der AfD
       wahrscheinlicher machen als andere.“ Und: „Die wichtigste Eigenschaft des
       künftigen CDU-Vorsitzenden ist es, all die Leute von der AfD
       zurückzugewinnen, die man zurückgewinnen kann. Das halte ich für
       übergeordnet wichtig.“
       
       Er ist nicht der Einzige aus der Springer-Führungsetage, der das so sieht.
       Auch in der Welt feiert Chefredakteur Ulf Poschardt Friedrich Merz wie eine
       Ikone.
       
       Es ist Mittwoch, der 14. November 2018, als Friedrich Merz in Bild-TV das
       erste Videointerview gibt seit seiner Ankündigung, für den
       CDU-Parteivorsitz zu kandidieren. ARD und ZDF hatten ihn nach seiner
       Ankündigung mehrmals um Interviews gebeten, er hat immer wieder abgesagt.
       
       „Herr Merz, was können Sie eigentlich besser als Frau Merkel?“, fragt die
       Bild-Politik-Journalistin Anna von Bayern und eröffnet damit die
       Fragerunde. Eine halbe Stunde lang soll Merz hier gleich vor laufender
       Kamera die Fragen von zwei Bild-Journalisten und Bild-Lesern beantworten.
       Das Video wird auf bild.de und bei Facebook live gestreamt.
       
       ## „Sind Sie Millionär?“
       
       Es ist schließlich ein Bild-Leser, der es schafft, Merz aus der Fassung zu
       bringen. Ein Videoeinspieler zeigt den Schweizer, der ganz simpel fragt:
       „Sind Sie eigentlich Millionär?“
       
       Merz läuft rot an, lacht gequält jovial.
       
       „Ich lebe in geordneten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen,
       die mir eine hohe persönliche und politische Unabhängigkeit geben“, sagt
       er.
       
       „Sind Sie Millionär?“, schiebt Nikolaus Blome, der stellvertretende
       Bild-Chefredakteur, nach.
       
       „Das, äh, de, de, also was heißt …?“
       
       „Wissen Sie nicht, ob Sie Millionär sind?“
       
       „Ja, doch, also ich weiß das schon, ich kenne meine Einkommens- und
       Vermögensverhältnisse …“
       
       „Warum sagen Sie nicht einfach Ja?“, fragt von Bayern.
       
       „Äh, äh, also ich liege jedenfalls nicht drunter“, antwortet Merz
       schließlich – und lächelt.
       
       Am Samstag, den 24. November 2018, vergleicht Michael Wolffsohn in der Bild
       die Kandidaten. „Vor wem hätten Putin, Trump und Erdoğan den meisten
       Respekt?“ Darin schreibt er: „Merz denkt strategisch. Ebenso Spahn. Doch
       Merz hat mehr (Lebens-)Erfahrung.“ Und Annegret Kramp-Karrenbauer, die als
       einzige von den Kandidaten schon mal Ministerpräsidentin war? „Ein Talent
       aus der Provinz, das den Job im Job lernen könnte.“
       
       Die Umfragewerte sprechen derzeit für Kramp-Karrenauer. Bis Freitag sind es
       noch vier Tage. Das sind vier Tage Chance.
       
       Mitarbeit: Brigitte Marquardt
       
       3 Dec 2018
       
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       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) BDZV-Rücktritt von Mathias Döpfner: Beleidigte Leberwurstigkeit
       
       Springer-Chef Mathias Döpfner tritt als Präsident des Zeitungsverbands BDZV
       zurück. Damit macht er den Abgang, bevor er dazu gezwungen wird.
       
 (DIR) Springer-Chef kritisiert „Bild“: Der Entschuldigungs-Wettbewerb
       
       Mathias Döpfner, Chef des Axel Springer Verlags, gesteht öffentlich Fehler
       in der Solingen-Berichterstattung der „Bild“ ein. Glaubhaft ist das nicht.
       
 (DIR) Ex-SPD-Minister Gerster wechselt zur FDP: Schröders bester Mann
       
       Nach über 50 Jahren beendet er ein Missverständnis. Florian Gerster ist nun
       in der Partei, die zu ihm passt.
       
 (DIR) Politiker als feste Zeitungskolumnisten: Ungute Mischung
       
       Friedrich Merz bekommt eine wöchentliche Kolumne in der „Welt am Sonntag“,
       Sigmar Gabriel ist Autor der Holtzbrinck-Medien. Das ist gefährlich.
       
 (DIR) Einbindung in die CDU-Parteiarbeit: Merz soll an Programm mitarbeiten
       
       Der unterlegene CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz wird Mitglied in einem
       Expertenkreis der Partei. Darauf einigte sich die Parteichefin
       Kramp-Karrenbauer mit ihm.
       
 (DIR) Neues Wochenmagazin „Bild Politik“: Springer testet Politmagazin
       
       Axel Springer will ab 2019 ein neues gedrucktes Wochenmagazin testen: „Bild
       Politik“ – und dabei voll auf Emotionen setzen.
       
 (DIR) Niedriglohnsektor in Deutschland: Migranten übernehmen die Billigjobs
       
       40 Prozent der Jobs im Niedriglohnsektor in Deutschland werden von
       Migranten ausgeübt. In anderen Ländern der EU und der OECD sind es nur ein
       Viertel.
       
 (DIR) Kommentar Kampf um CDU-Vorsitz: Hauptsache, der Fritz
       
       Wolfgang Schäuble mischt sich ins Rennen ein und empfiehlt offen seinen
       Freund Friedrich Merz. Dahinter steckt eine gewaltige Hybris.
       
 (DIR) Empfehlung für neuen CDU-Vorsitz: Schäuble spricht sich für Merz aus
       
       Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wagt sich kurz vor der Wahl von
       Merkels Nachfolge aus der Deckung. Er unterstützt die Kandidatur von
       Friedrich Merz.
       
 (DIR) Vor der Wahl der neuen CDU-ChefIn: Kandidatin Annegret Sowohl-als-auch
       
       Annegret Kramp-Karrenbauer ist Merkels Kandidatin. Die Saarländerin gilt
       als Vermittlerin. Das könnte sie um ihren Traumjob bringen.
       
 (DIR) CDU-Kandidat Friedrich Merz: Der Lautsprecher der CDU
       
       Friedrich Merz ist ein brillanter Redner. Geld und Politik kann er
       allerdings kaum voneinander trennen, Details vernachlässigt er.
       
 (DIR) Möglicher Merkel-Nachfolger Spahn: Gekonnter Arschbomber
       
       Im Rennen um den CDU-Parteivorsitz scheint Jens Spahn abgeschlagen. Doch
       den Gesundheitsminister darf man nicht unterschätzen.
       
 (DIR) Kommentar Merz und die Mittelschicht: Eine Million offene Fragen
       
       CDU-Kandidat Friedrich Merz glaubt, er gehöre mit einer Million Euro brutto
       im Jahr nicht zur Oberschicht. Dann muss er sich auch daran messen lassen.
       
 (DIR) Grüner Politiker über Blackrock und Merz: „Für die Demokratie ist das Gift“
       
       Der Kandidat für das Amt des CDU-Parteichefs hätte als Aufsichtsratschef
       des Vermögensverwalters viel früher handeln müssen, sagt Finanzexperte
       Gerhard Schick.