# taz.de -- ARD-Serie „Babylon Berlin“: Babylon boomt?
       
       > Die TV-Serie „Babylon Berlin“ wird von Kritikern gefeiert: Deutschland
       > kann jetzt auch gute Serien machen. Sogar der „Tatort“ wird dafür
       > geräumt.
       
 (IMG) Bild: Gereon Rath, gespielt von Volker Bruch, auf nächtlichem Streifzug
       
       Er ist im Promo-Modus. Seit Wochen twittert ARD-Programmdirektor Volker
       Herres emsig zum anstehenden Free-TV-Start von „Babylon Berlin“ im Ersten.
       Teils erreichen seine rund 6.500 Follower sogar zehn Tweets dazu
       nacheinander. Der erste Mann im Ersten muss einen gewissen Erfolgsdruck
       verspüren. Schließlich wird die Öffentlichkeit am Montag sehr genau
       hinschauen, wenn die Quoten des Vortags bekannt gegeben werden. Dann wollen
       alle wissen, wie die ersten drei Folgen der knapp 40 Millionen Euro teuren
       20er-Jahre-Historienserie gelaufen sind.
       
       Ganze zwölf Millionen Euro der Produktionskosten hat die ARD getragen und
       war vor einem Jahr teilweise in die Kritik geraten, weil der
       Koproduktionspartner und Pay-TV-Sender Sky Deutschland das Vorrecht auf die
       Ausstrahlung hatte und schon 2017 große mediale Aufmerksamkeit auf die
       Produktion lenken konnte, die als deutsche Antwort auf internationale
       Qualitätsserien gilt. Dabei war Skys Beteiligung mit fünf Millionen Euro
       deutlich niedriger. Laut Sky haben die Serie im Folgenschnitt rund 570.000
       Zuschauer gesehen. Ein Erfolg für Sky Deutschland, in dessen Serienranking
       „Babylon Berlin“ gleich nach der siebten Staffel der Fantasyserie „Game of
       Thrones“ steht.
       
       Diese Zahlen wird die öffentlich-rechtliche TV-Premiere wohl deutlich
       übertreffen. Dennoch bleibt die bange Frage, ob die Quoten der geschürten
       Erwartungshaltung auf das Serienevent standhalten können. Die ARD hat zum
       Auftakt sogar den prominentesten Sendeplatz frei geräumt, den sie zu bieten
       hat: Sonntagabend, 20.15 Uhr. Das ist „Tatort“-Zeit, und Zuschauerzahlen
       zwischen acht und 13 Millionen sind an der Tagesordnung. Wie wird es bei
       „Babylon Berlin“ aussehen, wird die Serie ähnliche Quoten einholen können?
       
       Zumindest die ersten Folgen der Serie müssen ankommen, die Regisseur Tom
       Tykwer zusammen mit Hendrik Handloegten und Achim von Borries in epischer
       Breite mit bislang 16 Episoden umgesetzt hat. Für die weiteren
       Folgenausstrahlungen von „Babylon Berlin“, das im Ersten über sechs Wochen
       hinweg in Dreier- und Doppelfolgen ausgestrahlt wird, ist es dann
       eigentlich egal, wie die Zahlen ausfallen. „Babylon Berlin“ wurde
       international schließlich so erfolgreich vermarktet, dass die dritte
       Staffel längst beauftragt wurde.
       
       ## Zeit des Umbruchs
       
       Der Originalstoff von Buchautor Volker Kutscher ist dem Sender wichtig. Und
       zwar nicht nur als TV-Serie. Zum vor zehn Jahren veröffentlichten
       Bestseller um den kriegstraumatisierten Kommissar Gereon Rath in der
       chaotischen Endphase der Weimarer Republik drehte Volker Heise
       („Schwarzwaldhaus 1902“, „24 h Berlin“) außerdem die TV-Doku „1929 – Das
       Jahr Babylon“. Zugleich wird eine prominent besetzte Hörspielserie unter
       dem Originaltitel „Der nasse Fisch“ in der ARD-Audiothek veröffentlicht,
       die als eigenständige Adaption der Vorlage umgesetzt wurde. Bei der
       achtteiligen Koproduktion von Radio Bremen, WDR und RBB hat Filmemacher
       Benjamin Quabeck („Verschwende deine Jugend“) die Regie übernommen.
       
       Als er Anfang des Jahres die Anfrage für das Projekt erhalten habe, sei er
       skeptisch gewesen. „Zumindest die erste Staffel der TV-Serie hatte ich da
       schon gesehen. Ich fand sie sehr gut gemacht und interessant, deswegen habe
       ich mich anfangs natürlich auch gefragt, was ich mit einer Adaption noch
       zum Thema beisteuern könnte“, so Quabeck. „Bis zu diesem Zeitpunkt hatte
       ich allerdings den Roman von Volker Kutscher noch gar nicht gelesen. Das
       habe ich dann natürlich sofort geändert und festgestellt, dass man den
       Stoff auch noch einmal ganz anders interpretieren und einen anderen Ansatz
       wählen kann. Das war letztendlich auch das Faszinierende.“
       
       Die Anziehungskraft von Kutschers Ur-Stoff scheint nicht nachzulassen. Die
       gegenwärtigen Entwicklungen in Deutschland und der Welt lassen sich eben
       wunderbar auf die chaotischen Verhältnisse und das Ende der Weimarer
       Republik übertragen. „Diese Zeit des Umbruchs ist sehr spannend“, bestätigt
       Quabeck die anhaltende Faszination für das Thema und im Fall von „Der nasse
       Fisch“ auch für die weibliche Hauptfigur: „Mich hat das Frauenbild in der
       Weimarer Republik sehr interessiert. Diese Selbstständigkeit der Charly
       Ritter, die in einer Zeit lebt, die viel offener war. In der die Chancen
       für eine Frau besser standen als nach dem Krieg in den 1950er Jahren, wo
       sie wieder an den Herd musste – ein großer Rückschritt.“
       
       Doch natürlich ist auch Quabeck von der politischen Dimension der Ära
       angetan: „Dann ist da das im Untergrund brodelnde Nazitum und ein ganzes
       Land, das nach rechts abkippt, da gibt es natürlich ebenfalls wieder
       Parallelen zur jetzigen Zeit. Diese allgegenwärtige unterschwellige
       Aggression. Die Kriegstraumata aus dem Ersten Weltkrieg. Eine hochexplosive
       Mischung.“
       
       ## 1920er auf Erfolgswelle
       
       Nicht nur die ARD hat das Potenzial erkannt: Comiczeichner Arne Jysch hat
       seine persönliche Version von „Der nasse Fisch“ bereits vor anderthalb
       Jahren veröffentlicht. Passend zur ARD-Ausstrahlung bringt der Verlag die
       Graphic Novel nun noch einmal neu heraus. „Ich glaube, dass vor allem sein
       bildhafter Schreibstil überzeugt, der ein abwechslungsreiches
       Figurenrepertoire durch viele Ebenen des Zeitgeschehens schickt. Dazu hat
       er enorme Recherche geleistet, um die Welt der 1920er und 1930er Jahre im
       Kopf des Lesers – aber eben auch in denen der Künstler, die den Stoff
       adaptieren – lebendig werden zu lassen“, betont Jysch die erzählerischen
       Qualitäten der Vorlage. „Volker schafft es so raffiniert, die
       unterhaltsamen Genreelemente mit einem real wirkenden Gesellschaftsbild der
       Weimarer Republik zu verbinden.“
       
       Die Gefahr, dass der Stoff durch die zahlreichen Adaptionen überpräsent
       sein könnte, sieht der Zeichner und Autor dagegen nicht: „Die 1920er sind
       wirklich gerade auf einer Erfolgswelle, es gibt ständig neue Bücher, Filme,
       Konzerte und Partys. Aber ich finde es toll, weil diese Zeit in den 1980er
       und 1990er Jahren für meinen Geschmack zu wenig präsent war. Durch den Hype
       konnte ich jetzt tolle Entdeckungen machen wie die Ausstellung ‚Glanz und
       Elend in der Weimarer Republik‘ in der Schirn in Frankfurt oder die
       Neuauflage der Bücher ‚Ein Führer durch das lasterhafte Berlin‘ und
       ‚Blutsbrüder‘, die neue Blickwinkel auf diese aufregende Zeit ermöglichen.“
       Mal schauen, ob das die ARD-Zuschauer genauso sehen.
       
       29 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Mayer
       
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