# taz.de -- Was bleibt noch für RTL und Co.?: Das große Serien-Einkaufen
       
       > Nun beginnt die weltgrößte TV-Messe in Cannes. Händler von
       > Video-on-Demand-Plattformen sind hungrig auf neue Stoffe, die immer
       > teurer werden.
       
 (IMG) Bild: „Babylon Berlin“-Kommissar Gereon Rath (2.v.l.): die teuerste deutsche Serie
       
       Manche fragen sich schon, wie lange es wohl dauern wird, bis Fernsehen, so
       wie es die Zuschauer kennen und kannten, verschwunden ist. Die
       Geschäftsmodelle für die Branche sind jedenfalls im fundamentalen Wandel.
       
       Das wird auch die weltgrößte TV-Messe MIPCOM in Cannes zeigen, die am
       Montag beginnt: Mehr als je zuvor werden Programmeinkäufer von
       Internetportalen sowie Video-on-Demand-Plattformen nach Südfrankreich
       reisen: Mehr als 500 von ihnen aus der ganzen Welt wollen Rechte für
       Serien, Filme und andere Inhalte erwerben oder direkt selbst mit Partnern
       aus anderen Ländern aufwändige internationale Produktionen starten.
       
       Und das ist erst der Anfang. So beschreibt eine aktuelle Studie von
       Ericsson, dass mehr als zwei Drittel der Deutschen bereits Videoinhalte im
       Netz schauen. In drei Jahren soll diese Art der Mediennutzung genauso stark
       wie der klassische Fernsehkonsum sein. Treiber für die Attraktivität der
       Portale sind gut gemachte Serien.
       
       Das haben auch die Privatsender erkannt und in den letzten Jahren immer
       wieder hochwertige Eigenproduktionen realisiert. Das Massenpublikum konnten
       sie damit aber nicht begeistern, oder vielleicht wurden sie in einem immer
       größeren Angebot auch einfach nur übersehen: „Gottlos“ auf RTL II oder
       [1][„Deutschland 83“] auf RTL sind solche Projekte.
       
       Sie wurden zwar von der Kritik gelobt, aber das allein reicht für die
       Privaten nicht aus. Denn die Verfilmung fiktionaler Stoffe ist weitaus
       teurer als beispielsweise die Ausstrahlung einer aus den USA eingekauften
       Serie und muss aus den Werbeeinnahmen refinanziert werden. Und das in einer
       Zeit, in der immer weniger Zuschauer den Fernseher überhaupt einschalten.
       
       Trotzdem haben die Kölner gerade eine Programmoffensive mit weiteren neuen
       Inhalten gestartet: Vier neue Serien und zwei Sitcoms sind in Planung,
       während die Krimireihe „Bad Cop“ gerade gestartet ist. Denn eigene Inhalte
       könnten zukünftig wichtiger sein als die Sendermarke, wenn es ums
       Geldverdienen geht.
       
       ## Internetplattformen im Vorteil
       
       „Die Kunden erkennen die Grenzen zwischen Live-TV, Streaming oder Video on
       demand immer weniger und sie akzeptieren sie auch immer weniger“, sagt ein
       Branchenkenner, der in Geschäftsbeziehung zu den Sendern steht, „es muss
       schon heute stets auch die Wahl des zeitunabhängigen Konsums gegeben sein.“
       
       Da sind große Internetplattformen mit einer bestehenden Infrastruktur
       allerdings im Vorteil. Diese „Aggregatoren“ können alles anbieten, so wie
       die Deutsche Telekom: „Entertain“ bietet seinen Abonnenten Zugriff auf die
       klassischen Fernsehsender, auf Pay-TV-Sender wie SKY oder auf Videoportale,
       darunter Netflix und Maxdome.
       
       RTL, ProSiebenSat.1, ARD, ZDF und Co. haben zwar alle eigene Apps
       implementiert, aber es ist für die Nutzer zu mühselig, jedes Programm –
       insofern es überhaupt abrufbar ist – auf dem jeweiligen Angebot zu suchen
       und anzuschauen.
       
       Dazu kommt, dass Player wie die Deutsche Telekom jetzt zusätzlich eigene
       Inhalte zeigen und produzieren. Gerade haben die Bonner ein Angebot mit
       Tausenden von Serien-Programmstunden gestartet. Und im nächsten Jahr werden
       sie ihre erste Eigenproduktion „Germanized“ in Zusammenarbeit mit der
       Produktionsfirma Bavaria zeigen.
       
       „Wir wollen vor allem deutsche Themen erzählen und als Serie umsetzen“,
       kündigt der TV-Chef der Deutschen Telekom, Wolfgang Elsäßer, an, „da sehen
       wir großen Bedarf, aber auch eine Nische für uns, in der wir uns
       positionieren wollen.“ Als Konkurrent zu den Fernsehsendern will Elsäßer
       sich nicht sehen. Er ist es aber.
       
       ## Das RTL-Dilemma: Im TV groß, online klein
       
       Darauf, da ist sich ein Insider, der mit allen Playern eng zusammenarbeitet
       und daher namentlich nicht genannt werden möchte, sicher, muss ein Sender
       wie RTL reagieren und komplett online gehen, doch dafür reiche die
       Internetpräsenz mit „RTL Now“ nicht aus: „Sie werden entweder eine eigene
       große Plattform aufbauen, was aufwändig und schwierig ist, oder sie werden
       eine Partnerschaft mit einem bestehenden Anbieter bilden.“ Dafür kämen
       zurzeit Vodafone oder Apple in Betracht.
       
       Was die Zukunft des klassischen Fernsehens angeht, gibt der Produzent Jan
       Mojto von Beta Film Entwarnung: „Ich habe die Einführung von
       Privatfernsehen, von Pay-TV und das Aufkommen der Internetportale erlebt,
       und noch nie hat eine neue Verbreitungsform die alte verdrängt.“
       
       Aber, so der Altmeister des internationalen TV-Rechtehandels, die Budgets
       für Fernsehproduktionen sind durch neue Marktteilnehmer stets gestiegen.
       Ein aktuelles Beispiel dafür ist auch die bislang teuerste deutsche Serie
       [2][„Babylon Berlin“], die gemeinsam von ARD, SKY, Beta sowie anderen
       produziert und an Netflix in den USA verkauft wurde. Ab Montag wird Mojto
       auf der MIPCOM die Serie an weitere ausländische Sender und Portale
       lizensieren.
       
       16 Oct 2017
       
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