# taz.de -- Berliner Hausprojekt droht die Räumung: Am Dorfplatz wird’s ungemütlich
       
       > Der Pachtvertrag für die Liebig34 läuft Ende 2018 aus. Am Samstag findet
       > eine Demo gegen die Räumung statt: es ist der Auftakt für einen heißen
       > Herbst.
       
 (IMG) Bild: Bewohner des Hausprojekts Liebig34 während einer Demo
       
       Eine geballte Faust prangt großflächig auf der Fassade, der kleine
       Fingernagel ist lilafarben lackiert. Das Wandgemälde beschreibt gut, was
       sich hinter der Fassade in dem Eckhaus mit der Adresse Liebigstraße 34
       befindet: Ein linksradikales Hausprojekt, laut Selbstbeschreibung
       „anarcha-queer-feministisch“. Etwa 40 Menschen leben hier, Frauen, Lesben,
       Transgender. Noch, muss man sagen, denn Ende des Jahres läuft ihr
       Pachtvertrag aus. Weil eine Verlängerung nicht in Sicht ist, droht dann die
       Räumung. Und weil die Räumung droht, wird nun mobil gemacht, zunächst mit
       einer Demonstration an diesem Samstag.
       
       „Liebig 34 verteidigen! Queerfemistische Kämpfe sichtbar machen!“, heißt
       das Motto zu dieser Demonstration, die eher keinen Latsch-Charakter haben
       wird. Das Haus an der Ecke Rigaer Straße, am sogenannten Dorfplatz der
       autonomen Szene, hat Symbolcharakter, vergleichbar mit der Liebigstraße 14,
       dem Gebäude gegenüber, das 2011 gegen enormen Widerstand polizeilich
       geräumt wurde. Oder mit der nur wenige Meter entfernten Rigaer Straße 94,
       deren BewohnerInnen sich längst solidarisiert haben.
       
       Angeführt von einem männerfreien Block wird die Demo genau die Wegstrecke
       beschreiten, wie jene Solidaritätsdemo mit der Rigaer 94, die im Juli 2016
       trotz 1.800 eingesetzter Polizisten in schweren Krawallen mündete: Vom
       Wismarplatz, durch die Mainzer und Samariter Straße, vorbei an den
       betroffenen Häusern bis zum Petersburger Platz. Erwartet werden deutlich
       mehr DemonstrantInnen als die bei der Polizei angemeldeten 200.
       
       Bis Jahresende könnten also unruhige Zeiten bevorstehen, zumal das
       Aktionspotential mit der Demo längst nicht ausgeschöpft ist. Das Haus
       bietet mit dem Veranstaltungsraum L34-Bar, lange als X-Beliebig bekannt,
       und dem Infoladen Daneben eine Szene-Infrastruktur, die nicht freiwillig
       hergegeben werden dürfte.
       
       Gegenüber der taz wollte sich niemand aus dem Hausprojekt äußern, doch im
       ersten von mittlerweile zwei Mobilisierungsvideos sagt die Stimme aus dem
       Off: „Es ist nicht nur das Haus, was uns genommen wird bei einer Räumung,
       sondern auch Formen von Selbstverwaltung und ein Ort politischen
       Widerstandes.“ Die vielen weiteren Graffiti und am Haus angebrachten
       Plakate, etwa gegen den Erdoğan-Besuch zeugen von dieser politischen
       Involviertheit.
       
       Die Geschichte der Linken an diesem Ort reicht bis ins Jahr 1990 zurück.
       Damals wurde es besetzt, kurz darauf schon zu großen Teilen legalisiert.
       2007 scheiterte der Versuch, das Haus mittels einer Genossenschaft selbst
       zu übernehmen. Die Erbengemeinschaft, der es bis dato gehörte,
       verscherbelte es lieber an die Berliner Immobilienspekulanten Gijora
       Padovicz.
       
       Schon damals hieß es in einer groß angelegten Kampagne „Liebig 34 bleibt“.
       Im Ergebnis konnte dem neuen Eigentümer ein zehnjähriger Pachtvertrag
       abgetrotzt werden. Der läuft zum 31. Dezember diesen Jahres aus und
       Padowicz hat weder auf Gesprächsangebote der BewohnerInnen reagiert, noch
       spricht etwas dafür, dass er das Haus weiterverkaufen würde. Das nicht nur
       von den BewohnerInnen vermutete Szenario: Das alte Gebäude soll schick
       saniert und anschließend teuer vermietet werden. Auf Anfrage der taz
       äußerte sich die Eigentümergesellschaft nicht.
       
       Die Familie Padovicz ist kein unbekannter Player auf dem Berliner
       Immobilienmarkt. Etwa 200 Häuser sollen ihnen allein in Friedrichshain
       gehören. Dafür haben sie ein Firmengeflecht aus Dutzenden
       Hausgesellschaften und -verwaltungen aufgebaut. Aus nicht wenigen Häusern
       kommen Beschwerden.
       
       Erst im April hat sich die „Vernetzung von Padovicz-Betroffenen“ gegründet,
       die seitdem auf einem Internetblog Informationen über ihren Vermieter
       zusammentragen. Angeprangert werden ausbleibende Instandsetzungsarbeiten
       und horrende Mieterhöhungen.
       
       Schon mehrfach hat die Familie Padovicz linke Hausprojekte übernommen, etwa
       in der Kreutzigerstraße 12 oder der Scharnweberstraße 29, und versucht,
       über Modernisierungen die alte Bewohnerschaft loszuwerden. Mangels
       Mietvertrag dürfte das in der Liebig 34 deutlich einfacher werden; nach
       Auslaufen des Pachtvertrages sind die BewohnerInnen nicht mehr geschützt.
       Für sie beginnt das letzte Aufbäumen.
       
       28 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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