# taz.de -- Urteile gegen Flüchtlinge aus Ellwangen: Seit der Razzia im Knast
       
       > Im Mai stürmte die Polizei eine Unterkunft in Ellwangen, mehrere Bewohner
       > sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Einer stand am Mittwoch vor Gericht.
       
 (IMG) Bild: Im Mai hatten hunderte Beamte die Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen gestürmt
       
       „Tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“ – das wirft die
       Staatsanwaltschaft Ellwangen dem Flüchtling Osemwa P. vor. Am Mittwoch
       musste er sich deshalb vor dem Amtsgericht in der nordbadischen Stadt
       verantworten. Es war der dritte Prozess dieser Art gegen einen Bewohner der
       Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Ellwangen. Alle wurden bei einer
       [1][bundesweit Aufsehen erregenden Razzia am 3. Mai festgenommen] und saßen
       seither in Untersuchungshaft.
       
       Mit Hunderten Beamten hatte die Polizei an jenem Morgen die
       Flüchtlingsunterkunft gestürmt. Auslöser für die Aktion war, dass Bewohner
       der LEA drei Tage zuvor die Abschiebung des Togoers Yussif O. nach Italien
       verhindert hatten. Die Polizei behauptete später, die Flüchtlinge hätten
       „Gewalt“ angewandt. [2][Die Flüchtlinge wiesen das kategorisch zurück.]
       
       Gleichwohl stellte die Polizei im Morgengrauen des 3. Mai die gesamte
       Unterkunft auf den Kopf. Bei der Razzia nahm die Polizei 23 Bewohner wegen
       Widerstandes fest. Neun kamen in Untersuchungshaft. Drei wurden von dort
       aus abgeschoben, zwei kamen frei.
       
       Am 31. Juli hatte das Gericht gegen den Asylsuchenden Mamadou B.
       verhandelt. Der hatte einen Polizisten auf den Helm geschlagen, nachdem der
       ihm beim Stürmen des Zimmers das Bettlaken vom Kopf gezogen hatte.
       Polizeizeugen berichteten bei der Verhandlung, B. habe „gezappelt“ oder
       sich „gesperrt“, sei aber nicht aber „gezielt“ gegen Beamte vorgegangen.
       Gleichwohl forderte die Staatsanwaltschaft sieben Monate Haft.
       
       ## Sechs Monate ohne Bewährung
       
       Der Richter verurteilte B. zu sechs Monaten ohne Bewährung wegen „tätlichen
       Angriffs“ auf Polizisten. Die Strafe könne nicht zur Bewährung ausgesetzt
       werden, da „keine günstige Sozialprognose möglich“ sei, „die Verteidigung
       der Rechtsordnung“ gebiete die Vollstreckung.
       
       Am 8. August verhandelte das Gericht gegen einen 21-jährigen abgelehnten
       Asylbewerber aus Guinea. Auch er soll sich gegen die Festnahme bei der
       Razzia gewehrt haben und saß seither in U-Haft. Der Guineer habe bei seiner
       Festnahme „gestrampelt“ und versucht zu fliehen. Der Angeklagte räumte den
       Fluchtversuch an, stritt aber ab, Beamte angegriffen zu haben. Der Richter
       verurteilte ihn wegen Widerstandes zu 90 Tagessätzen. Der Mann hatte zu
       diesem Zeitpunkt allerdings schon fast 100 Tage in U-Haft gesessen, so dass
       er nach der Verhandlung frei kam.
       
       Ein weiterer Bewohner der LEA war am Mittwoch verurteilt worden, weil bei
       ihm Betäubungsmittel gefunden worden waren. Osemwa P. schließlich wurde am
       Mittwoch zu einer Strafe von sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
       „Er hat aber schon drei Monate in Untersuchungshaft gesessen, deswegen ist
       er heute freigekommen“, sagte der Direktor des Amtsgerichts, Norbert
       Strecker, der taz.
       
       ## Vorwurf: politische Machtdemonstration
       
       „Es deutet viel daraufhin, dass die Polizeiaktion eine politische
       Machtdemonstration vom Ministerium des Innern, dem Regierungspräsidium
       Stuttgart, der Leitung der LEA und der Polizei war“, heißt es in einer
       [3][Erklärung der Gruppe Refugees4Refugees] zu den Urteilen. „Damit wollte
       die Landesregierung eine rassistische und stigmatisierende
       Berichterstattung, vor allem gegen Geflüchtete aus dem afrikanischen
       Kontinent, die gegen eine Dublin-Abschiebung am 30. April protestiert
       haben, bedienen.“
       
       Derweil hat die Polizei in Ellwangen noch immer Probleme, wenn sie
       Flüchtlinge zur Abschiebung abholen will. „Aktiven Widerstand“ gebe es zwar
       nicht, sagte Berthold Weiß, der Leiter der LEA, kürzlich der DPA. Jedoch
       sei nach wie vor im Schnitt nur einer von fünf Versuchen erfolgreich,
       Flüchtlinge für Abschiebungen festzunehmen. Vor allem afrikanische Bewohner
       der LEA würden sich verstecken, sobald die Polizei anrücke. Einige würden
       im Freien schlafen, andere würden ihre Zimmer tauschen, um nicht anhand des
       Belegungsplans gefunden werden zu können. Es gebe in der Lea – ähnlich wie
       in vergleichbaren Einrichtungen – ein „bewohnerinternes Alarmierungssystem“
       samt Nachtwachen, so die dpa.
       
       22 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neuer-Blick-auf-Vorfall-in-Unterkunft/!5500584
 (DIR) [2] /Protest-von-Fluechtlingen-in-Ellwangen/!5504792
 (DIR) [3] https://www.aktionbleiberecht.de/?p=14961
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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