# taz.de -- Rentenkonzept der SPD: Der rote Olaf und die schwarze Null
       
       > Olaf Scholz irritiert mit seiner Ankündigung, dass die Rente bis 2040
       > sicher sein soll. Einen Finanzierungsplan dafür hat der Finanzminister
       > indes nicht.
       
 (IMG) Bild: Will sagen, wo es mit der Rente hingeht: Olaf Scholz
       
       BERLIN taz | Olaf Scholz fühlt sich sichtlich wohl in seiner Haut. Der
       Finanzminister, graues Jackett, offener Hemdkragen, hat die Hände vor sich
       auf dem Tisch gefaltet. „Ich möchte Ihnen eine solche Garantie vermitteln.“
       Wer mit 17 Jahren aus der Schule in den Arbeitsmarkt starte und vielleicht
       50 Jahre arbeite, der solle wissen, dass seine Rente sich am Ende rechne.
       „Und ich möchte, dass es dafür einen politischen Konsens gibt.“
       
       Am Sonntag hat die Bundespressekonferenz in Berlin zum Tag der offenen Tür
       geladen. Scholz sitzt vor einem vollen Saal und freut sich über reges
       Feedback. Mehrere BürgerInnen fragen nach seinem Vorschlag, das
       Rentenniveau bis 2040 zu stabilisieren.
       
       Seitdem Scholz die Idee [1][vor gut einer Woche ins Spiel brachte], läuft
       alles nach Plan: Die Union und die FDP toben, Ökonomen erklären die Idee
       für nicht finanzierbar, die konservative Presse druckt böse Kommentare. Vom
       DGB, einem wichtigen Verbündeten der SPD, wird Scholz gelobt.
       
       Es ist auch eine Neuerfindung seiner selbst. Aus dem Technokraten Scholz,
       der die Agendapolitik Gerhard Schröders als Generalsekretär
       mitverantwortete, der sich im Finanzministerium als Fan der schwarzen Null
       präsentierte, wird plötzlich der rote Olaf, ein Kämpfer für linke
       Sozialpolitik. Er sei mit 17 Jahren in die SPD eingetreten, erzählt Scholz
       in der Bürgersprechstunde. Und er wisse sehr genau, was Projekte für die
       älteste linke Sammlungsbewegung in Deutschland seien. Er meint: die SPD.
       
       ## Machtzentrum der Partei
       
       Der Vizekanzler und die Parteivorsitzende Andrea Nahles bilden das neue
       Machtzentrum der Partei – und rücken sie gerade behutsam nach links. Beide
       haben verabredet, das sozialdemokratische Profil in der Koalition zu
       schärfen. Die SPD, davon sind sie überzeugt, müsse aus dem
       Kommunikationsrahmen der Groko ausbrechen, wenn sie punkten wolle. Das
       Ergebnis ist ein linkerer Sound, der auf Brot-und-Butter-Themen setzt.
       
       Nahles forderte jüngst, [2][die Hartz-IV-Sanktionen für junge Menschen
       abzuschaffen]. Scholz zielt mit der Rentendebatte auf eine Angst, die viele
       Menschen umtreibt: Bleibt im Alter genug zum Leben? Ein Grund für die
       sozialpolitische Offensive sind die schlechten Aussichten in den nächsten
       Wahlen.
       
       Die Bundespartei krebst in Umfragen bei 18 Prozent, und bei Landtagswahlen
       in Hessen und Bayern im Oktober drohen Niederlagen. Thorsten
       Schäfer-Gümbel, Spitzenkandidat in Wiesbaden, könnte auch im dritten Anlauf
       auf das Ministerpräsidentenamt scheitern. Und in München droht die SPD
       pulverisiert zu werden. Sie liegt in Umfragen bei 12 Prozent, hinter den
       Grünen und der AfD.
       
       Scholz und Nahles stehen intern unter enormem Druck. Viele Mitglieder
       halten nichts von der Berliner Groko und finden falsch, dass die SPD erneut
       in das ungeliebte Bündnis eingetreten ist. Wichtige Landesverbände wie der
       in Nordrhein-Westfalen wünschen sich eine linkere Profilierung. Auch dass
       Scholz und Nahles stoisch hinnahmen, dass die CSU mit ihrer
       Anti-Flüchtlings-Rhetorik monatelang den Diskurs dominierte, kam nicht gut
       an.
       
       ## Scholz kommt schlecht an
       
       „Die SPD kann in der Großen Koalition gerne noch dynamischer und mit mehr
       Profil auftreten“, mahnte Schäfer-Gümbel Ende Juli in der Welt. Die
       Bundes-SPD müsse an „ihrer eigenen Erkennbarkeit stärker arbeiten“. So wie
       Schäfer-Gümbel, eigentlich ein Mann der leisen Töne, sehen das viele in der
       SPD.
       
       Gerade Scholz wird skeptisch beäugt. Auf Parteitagen kommt seine nüchterne
       Art schlecht an, er fährt bei Vorstandswahlen stets miese Ergebnisse ein.
       Im Mai präsentierte der neue Finanzminister den Haushalt für 2019 und die
       Planung für die nächsten Jahre – der Stolz auf die sinkende
       Schuldenstandsquote stand ihm ins Gesicht geschrieben.
       
       Über die Finanzierung seiner Rentenpläne schweigt sich Scholz aus. In der
       Bundespressekonferenz warnt er vor Panikmache. Schon in der Vergangenheit
       sei viel für stabile Rentenfinanzen getan worden. Die jetzige Regierung
       habe ein stabiles Niveau bis 2025 vereinbart. „Deshalb kann man auch
       gucken, wie kriegen wir den Rest jetzt hin.“ Der Bundeshaushalt bis 2030
       könne rund 500 Milliarden Euro umfassen, also viel mehr als jetzt. Deshalb
       seien Summen, über die diskutiert werde, nicht so unvorstellbar, wie einige
       das sagten.
       
       Die Kosten für Scholz’ Idee wären in der Tat happig, weil nach 2025 die
       geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in Rente gehen. Allerdings sind
       sie wegen vieler Faktoren schwer zu berechnen. Die arbeitgebernahe
       Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft veröffentlichte eine Prognose, nach
       der allein im Jahr 240 rund 75 Milliarden Euro nötig wären, um das
       Rentenniveau bei 48 Prozent zu fixieren. Ob es so teuer käme, ist offen –
       mit Zahlen wird auch Politik gemacht.
       
       ## Unterstützung innerhalb der SPD
       
       Doch in der SPD ist die Unterstützung für Scholz und Nahles groß. „Wir
       müssen dafür sorgen, dass auch die heute jüngeren Generationen auf ihre
       Rente vertrauen können“, sagt Bundesvize Natascha Kohnen der taz. „Die SPD
       ist die einzige Partei, die sich darum kümmert.“ Anders als Scholz denken
       Kohnen und andere SPDler öffentlich darüber nach, woher die Milliarden für
       die Rente kommen könnten.
       
       Das werde finanziell eine Herausforderung, sagt Kohnen. Aber: „Ich fände es
       ohnehin richtig, beispielsweise Riesenvermögen und absolute
       Spitzenverdiener stärker zu gesellschaftlicher Solidarität heranzuziehen.“
       Die Schere zwischen Megareichtum und Altersarmut und Armut dürfe nicht noch
       weiter aufklaffen.
       
       Selbst Johannes Kahrs, Chef des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD,
       warb per Interview dafür, die gesetzliche Rente mit Steuern zu
       stabilisieren. Langfristig müsse man über zusätzliche Einnahmequellen
       sprechen, etwa über die Finanztransaktionsteuer oder eine zusätzliche
       Steuer für große Vermögen. Die rechten Seeheimer rufen nach einer
       Vermögensteuer: Allein das zeigt, wie groß die Sehnsucht in der SPD ist,
       sich hinter Identitätsthemen zu versammeln.
       
       ## Debatte nicht gewünscht
       
       Doch diese Debatte ist nicht in Scholz’ Sinne. Sein Ministerium dementierte
       einen Bericht des Spiegel, wonach es Berechnungen für die Finanzierung
       gebe. Dem SPD-Mann geht es zunächst nicht um belastbare Zahlen, sondern um
       ein Symbol. Politik, glaubt er, muss den Menschen Sicherheit vermitteln –
       sonst wenden sie sich ab. Oder, um mit Scholz zu sprechen: „Stabile Renten
       verhindern einen deutschen Trump.“
       
       Die neue Profilierungsstrategie birgt allerdings ein Risiko. Scholz und
       Nahles könnten Erwartungen wecken, die durch kleinteilige Groko-Kompromisse
       permanent enttäuscht werden. Im Moment verhandeln SPD und Union die
       Feinheiten des Rentenpakets.
       
       CSU-Chef Horst Seehofer kritisiert entsprechend die Forderung der SPD. „Die
       SPD soll die Leute nicht verunsichern, ich verstehe die Diskussion
       überhaupt nicht, die außerhalb des Kanzleramts stattfindet“, sagte Seehofer
       am Sonntag im ZDF-Sommerinterview. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel
       (CDU) wies den Vorschlag auch scharf zurück: „Jeden Tag etwas anderes
       mitzuteilen, schärft eher die Verunsicherung, als dass es Sicherheit
       schafft“, sagte Merkel am Sonntag im Sommerinterview der ARD.
       
       Im Rentenpaket enthalten ist eine Verbesserung der Mütterrente, ein
       Herzensanliegen der CSU – und die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2025
       bei 48 Prozent. Was nach 2025 passiert, soll eigentlich eine
       Expertenkommission klären. Doch auf solche Runden darf ein roter Olaf keine
       Rücksicht nehmen.
       
       26 Aug 2018
       
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