# taz.de -- Mini-Flüchtlingsgipfel in Brüssel: Guantanamo Bay für Migranten?
       
       > Die EU-Kommission hat einen eigenen „Masterplan“ für die
       > Flüchtlingspolitik vorgelegt. Er kommt Seehofer weit entgegen und
       > schottet Europa noch härter ab.
       
 (IMG) Bild: Junckers Pläne stehen dem „Masterplan“ Seehofers in nichts nach
       
       Brüssel taz | Kurz vor dem Minigipfel, den die EU-Kommission auf Drängen
       von Kanzlerin Angela Merkel am Sonntag in Brüssel veranstaltet, zeichnet
       sich eine neue harte Wende in der europäischen Flüchtlingspolitik ab.
       Migranten sollen künftig schon „nahe an den Binnengrenzen“ [1][abgewiesen
       werden], fast so, wie es Bundesinnenminister Horst [2][Seehofer (CSU)
       fordert]. Zudem sind Aufnahmezentren für Bootsflüchtlinge geplant –
       außerhalb der EU.
       
       „Ich bin gegen ein Guantanamo Bay für Migranten“, betonte
       EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopolous am Donnerstag. Das sei mit
       den Aufnahmezentren auch nicht gemeint. Dennoch sollen die Auffanglager,
       die auch EU-Ratspräsident Donald Tusk für den regulären EU-Gipfel am
       kommenden Donnerstag empfohlen hat, der Abschreckung und Abschottung
       dienen. „Wer es in ein Boot schafft, darf deshalb keine freie Fahrt in die
       EU haben“, so Avramopolous.
       
       Zu Details dieser neuen Pläne wollte sich Avramopolous nicht äußern. Er
       betonte jedoch, dass Zurückweisungen von „illegalen“ Flüchtlingen künftig
       schon an den EU-Außengrenzen rund um das Mittelmeer möglich werden sollen.
       Die EU-Kommission will dazu eine „echte EU-Grenzpolizei“ schaffen und die
       Grenzschutzbehörde Frontex [3][massiv aufrüsten]. Außerdem sollen die
       umstrittenen Abschiebungen besser koordiniert und beschleunigt werden.
       
       Mit all dem kommt die EU-Kommission den Hardlinern in Ungarn, Italien und
       Österreich entgegen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz übernimmt am
       1. Juli den halbjährlichen EU-Ratsvorsitz. Der konservative Politiker, der
       zusammen mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, hat bereits den „Schutz“
       der Außengrenzen zur absoluten Priorität erklärt.
       
       ## Seehofer kann zufrieden sein
       
       Die EU-Behörde macht auch einen großen Schritt auf Seehofer und seinen
       umstrittenen „Masterplan“ für Migration zu. In der Tischvorlage für den
       Sondergipfel am Sonntag, die der taz vorliegt, empfiehlt sie „einen
       flexiblen gemeinsamen Rücknahmemechanismus nahe an den Binnengrenzen“. Dies
       würde die Abweisung von bereits registrierten oder abgelehnten
       Asylbewerbern an der österreichisch-bayerischen Grenze erleichtern.
       Seehofer kann zufrieden sein.
       
       Migranten sollen künftig auch an Flughäfen, Bahnhöfen und Busbahnhöfen
       kontrolliert werden. Auch das würde den Grenzübertritt erschweren.
       Allerdings bleibt in dem Papier unklar, wie Flüchtlinge in andere
       EU-Staaten abgeschoben beziehungsweise „zurückgenommen“ werden sollen. In
       dem Entwurf ist vage von „flexiblen gemeinsamen Rücknahme-Mechanismen“ die
       Rede. Bisher existieren diese Prozeduren jedoch nicht – oder es kommt
       ständig zu Reibereien.
       
       So hatte Deutschland zeitweise Beschränkungen für Flugreisende aus
       Griechenland eingeführt, um mutmaßliche „illegale“ Flüchtlinge abzufangen.
       Dies führte jedoch zu einem Streit mit der Regierung in Athen, bei der die
       EU-Kommission vermitteln musste. Derzeit kommt der Widerstand vor allem aus
       Italien. So ging der neue, rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini
       auf Gegenkurs.
       
       Sollte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte am Sonntag nach Brüssel
       fahren, um einen Entwurf zu unterschreiben, der von Deutschland und
       Frankreich vorbereitet wurde, „tut der Premier gut daran, die Reisekosten
       zu sparen“, twitterte der Chef der fremdenfeindlichen Lega in der Nacht zu
       Donnerstag. Salvini fordert mehr Solidarität von den Europäern, die
       Asylbewerber aus Italien übernehmen sollen, weigert sich jedoch,
       seinerseits Migranten etwa aus Deutschland zurückzunehmen.
       
       ## Plan könnte zu Domino-Effekt führen
       
       Doch dies ist nicht das einzige Problem, an dem der Minigipfel am Sonntag
       scheitern könnte. Die Vorlage von Kommissionschef Jean-Claude Juncker
       könnte nämlich genau wie Seehofers „Masterplan“ zu einem Domino-Effekt
       führen. Wenn Deutschland Flüchtlinge an der Grenze zurückweist, werde
       Österreich dasselbe tun, kündigte Kanzler Kurz an. Ähnlich äußerte sich der
       österreichische Europaabgeordnete Heinz Becker. „Ich glaube, wir werden
       dann einen entsprechender Domino-Effekt erzeugen müssen“, sagte der
       ÖVP-Politiker.
       
       Genau diesen Domino-Effekt hat Merkel jedoch ins Feld geführt, um sich
       gegen Seehofers Pläne zu wehren und einen Sondergipfel zu fordern. Sie
       wirbt für eine „europäische Lösung“. Doch mit der Vorlage der EU-Kommission
       zeichnet sich diese nicht ab. Bestenfalls sind bilaterale Absprachen und
       neue Versuche zu erwarten, die Asylpolitik aus der EU auszulagern, etwa
       nach Ägypten oder Tunesien. Merkels Türkei-Deal könnte dabei als Vorbild
       dienen.
       
       Von einer echten europäischen Lösung hingegen, die auch eine faire
       Lastenteilung zwischen allen EU-Ländern enthalten müsste, ist kaum noch die
       Rede. Er hoffe auf eine Einigung bis Ende dieses Jahres, sagte
       Avramopoulos. Ursprünglich sollte die Einigung aber schon beim regulären
       EU-Gipfel am kommenden Donnerstag auf dem Tisch liegen.
       
       Merkels „informeller“ Minigipfel am Sonntag weist jedoch in eine ganz
       andere Richtung: Die Abschottung wird forciert, [4][die Solidarität] auf
       die lange Bank geschoben.
       
       21 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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