# taz.de -- Zahlungen an AKW-Betreiber: Geld statt längerer Laufzeiten
       
       > Das Umweltministerium will RWE und Vattenfall mit rund einer Milliarde
       > für den Atomausstieg entschädigen – weit weniger als von ihnen gefordert.
       
 (IMG) Bild: Wie hoch die Entschädigung für die AKW-Betreiber ausfällt, soll erst im Jahr 2023 berechnet werden
       
       Berlin taz | Die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke werden – anders
       als von manchen Kritikern befürchtet – nicht verlängert. Stattdessen sollen
       die Betreiber Vattenfall und RWE finanziell in der Größenordnung von einer
       Milliarde Euro dafür entschädigt werden, dass sie beim schwarz-gelben
       Atomausstieg aus dem Jahr 2011 gegenüber dem Atomkonsens von 2002
       schlechter gestellt wurden. Das geht aus dem Entwurf des
       Bundesumweltministeriums für eine Änderung des Atomgesetzes hervor, der der
       taz vorliegt.
       
       Notwendig geworden war die Gesetzesänderung aufgrund eines Urteils des
       Bundesverfassungsgerichts aus dem Dezember 2016. Der Atomausstieg von 2011,
       gegen den die AKW-Betreiber geklagt hatten, war darin zwar grundsätzlich
       für rechtmäßig erklärt worden. In zwei Randbereichen hatte das Gericht aber
       einen Anspruch auf Entschädigung bestätigt: zum einen für Investitionen,
       die die Betreiber zwischen der von Union und FDP im Oktober 2010
       beschlossenen Laufzeitverlängerung und dem fünf Monate später infolge der
       Fukushima-Katastrophe verkündeten erneuten Atomausstieg vorgenommen haben.
       
       Zum anderen konnten RWE und Vattenfall im Gegensatz zu Eon einen Teil der
       Atomstrommengen, die ihnen im Jahr 2002 beim rot-grünen Atomkonsens
       zugestanden worden waren, unter dem schwarz-gelben Ausstieg nicht mehr
       produzieren, weil dieser statt Reststrommengen ein fixes Abschaltdatum für
       jedes AKW vorsah.
       
       Für die notwendige Entschädigung hatte das Gericht drei Lösungswege
       aufgezeigt: erstens eine Verlängerung der im Gesetz genannten Laufzeiten
       für einzelne Atomreaktoren. Zweitens eine Pflicht, die Reststrommengen, die
       bei einem Betreiber übrig bleiben, an jene zu verkaufen, die zu wenig
       haben. Und, drittens, eine finanzielle Entschädigung für die Unternehmen,
       die ihre Reststrommengen nicht nutzen können.
       
       Entschädigung statt Verpflichtung zum Handel 
       
       Das in dieser Frage federführende Umweltministerium hat sich nun für die
       dritte Möglichkeit entschieden: Die Betreiber sollen Geld bekommen. Wie
       viel genau, steht noch nicht fest. Im Gesetzentwurf steht, dass die
       Ausgaben „einen niedrigen einstelligen Milliardenbereich nicht
       überschreiten, wahrscheinlich jedoch im oberen dreistelligen
       Millionenbereich liegen werden“. Das wäre deutlich weniger als jene 19
       Milliarden Euro, die die Konzerne ursprünglich gefordert haben.
       
       Für die Investitionen rechnet das Ministerium mit keinerlei relevanten
       Entschädigungen, weil der Zeitraum zwischen Laufzeitverlängerung und
       -verkürzung zu kurz gewesen sei, um Baumaßnahmen genehmigt und beauftragt
       zu bekommen. Gezahlt werden muss hingegen für die verfallenen
       Reststrommengen.
       
       Wie hoch die Entschädigung ausfällt, soll laut Gesetzentwurf erst im Jahr
       2023 berechnet werden, wenn feststeht, wie viel Strom tatsächlich nicht
       produziert werden konnte. Grundlage ist der durchschnittliche
       Börsenstrompreis zwischen dem Ausstiegsbeschluss von 2011 und dem
       Abschaltdatum des letzten AKW im Jahr 2022 abzüglich der Produktionskosten
       für den Atomstrom.
       
       Im Bundeswirtschaftsministerium, das für die Energiepolitik zuständig ist,
       war nach taz-Informationen lange die zweite Option des Gerichts bevorzugt
       worden, bei der die Konzerne zum Handel mit Reststrommengen verpflichtet
       worden wären. Auch im Finanzministerium gab es Sympathie für diese Lösung,
       weil sie für den Staat billiger geworden wäre. Das Umweltministerium hält
       dies laut internen Unterlagen jedoch für „ein sehr komplexes Verfahren“.
       
       Die Zeit drängt 
       
       Vor allem hätte dieses Verfahren faktisch verlängerte AKW-Laufzeiten zur
       Folge. „Eine zwangsweise Übertragung von Reststrommengen würde bedeuten,
       dass die Atomkraftwerke, die zusätzliche Reststrommengen erhalten, dann in
       jedem Fall länger laufen würden als derzeit betriebswirtschaftlich
       geplant“, schreiben die Experten des Umweltministeriums.
       
       Denn derzeit müssen einige AKWs, etwa Brokdorf oder Isar 2, real vor dem im
       Gesetz genannten Datum abgeschaltet werden, weil ihre Reststrommenge
       verbraucht ist. Atomkraftgegner, etwa von BUND und ausgestrahlt, hatten
       sich darum stets gegen eine solche zwangsweise Übertragung ausgesprochen.
       
       Das Gesetz ist am Freitag zur Abstimmung in die anderen Ressorts geschickt
       worden. Wann der Entwurf im Kabinett beraten wird, ist noch unklar. Die
       Zeit drängt. Für die Umsetzung hatte das Bundesverfassungsgericht eine
       Frist bis zum 30. Juni gesetzt.
       
       30 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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