# taz.de -- Kolumne Habibitus: Lauter als jede Kirchenglocke
       
       > Unbekannte haben das Hakenkreuz an einer Kirchenglocke weggeflext. Statt
       > sich freuen, platzt dem Wutbürger der Kragen.
       
 (IMG) Bild: Die Glocke aus Schwering nach dem Frühjahrsputz
       
       Was sagt man, wenn Leute ein Nazisymbol von einer Kirchglocke entfernen?
       Ganz einfach: Dankeschön! Für manche Almans scheint das nicht so simpel zu
       sein. Seit Ewigkeiten klebte im [1][niedersächsischen Schweringen das
       Hakenkreuz] wie Hundescheiße bei einem Spaziergang durch Neukölln an der
       Glocke der Dorfkirche.
       
       Man hätte eigentlich schon 1945 darauf kommen können, das Hinterbleibsel
       aus dem Nationalsozialismus zu vernichten. Bei einem Frühjahrsputz nahmen
       sich anonyme Held_innen die Straßenweisheit „Antifa ist Handarbeit“ zu
       Herzen und machten das, was schon so lange fällig war: Das Hakenkreuz wurde
       weggeflext. Ein schöneres Ostergeschenk hätte man der Gemeinde kaum machen
       können.
       
       Aber wie Almans nun mal so sind, blicken nicht alle dem Geschenk euphorisch
       entgegen. In den Kommentarspalten platzen Wutbürger_innen wie ein
       Joghurtbecher in der Waschmaschine. Sie tun das, was sie am besten können:
       jammern und absurde Vergleiche herstellen. Dieser Akt der
       Selbstverständlichkeit sei Vandalismus. Ja, Sachbeschädigung „historischer
       Kunst“! Sprechen wir hier nicht eher von einem ultimativen Upgrade für
       jeden Kirchenfan, der dieses Gebäude als Ort des Friedens genießt?
       
       ## Glockengebimmel nervt
       
       Ein Vielzahl der selbsternannten Opfer beklagen, dass die Verschönerung der
       Glocke bestimmt ihren Klang beeinflussen würde. Ah, der Klang der
       Demokratie, wer liebt ihn nicht? [2][Ob das stimmt, wird derzeitig
       geprüft.] Zumal anfangs niemand bemerkt hat, dass die Glocke überhaupt
       berührt wurde, bezweifle ich, dass es so schwerwiegende Veränderungen sein
       können. Aber selbst wenn: Ist das nicht egal? Glockengebimmel nervt doch
       eh. Niemand würde denken: „Ich mach das jetzt statt meines
       Yann-Thiersen-Goodbye-Lenin-Soundtrack-Klingeltons aufs Handy!“
       
       Ein anderer Mensch mit Jammer-Abo befürchtet, dass morgen Teile der
       Autobahn fehlen würden, weil, genau, ohne Hitler gäbe es die vermutlich
       nicht. Als ob sonst niemand anderes auf die Idee gekommen wäre. [3][Ein
       Nazi-Symbol] mit so etwas wie die Autobahn, die zufällig in der NS-Zeit
       entstanden ist, zu vergleichen, ist nicht nur peinlich, sondern auch
       absurd.
       
       Andere bezeichnen die Beseitigung verfassungswidriger Symbole als
       extremistisch. „Eine unschuldige Glocke“, heult jemand und zeigt, dass
       nicht nur Hunde, sondern sogar Gegenstände mehr Mitgefühl in diesem Land
       bekommen als nicht-weiße Menschen, denen täglich richtige Gewalt angetan
       wird.
       
       Eigentlich ist das ja auch ein religiöses Symbol, finden so ein paar Leute.
       Hitler hat sich das selber abgeguckt. Um es mit Guido Westerwelle zu sagen:
       Es ist Deutschland hier. In diesem Land hat dieses Symbol exakt eine
       Bedeutung. Und die ist menschenfeindlich. Sie prägt eine Ära der
       Geschichte, die niemals vergessen werden darf. Kein edgy Tattoo der Welt
       und keine noch so fröhliche Kirchenglocke wird daran etwas ändern können.
       
       6 Apr 2018
       
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