# taz.de -- Kommentar EU-Streit um Polen: PR statt Politik
       
       > Brüssel rollt Polen den roten Teppich aus. Die Angst vor einem
       > EU-Austritt ist größer als der Wille, die Demokratie und den Rechtsstaat
       > zu verteidigen.
       
 (IMG) Bild: Proeuropäisch sieht anders aus: das neue polnische Kabinett
       
       Vor Weihnachten herrschte Eiszeit, nun ist schon wieder Tauwetter angesagt.
       Oder wie soll man den betont herzlichen Empfang für den neuen polnischen
       Regierungschef Mateusz Morawiecki in Brüssel sonst deuten?
       
       EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gab sich jedenfalls alle Mühe,
       die Eskalation der vergangenen Wochen vergessen zu machen. Mit Handschlag
       und Schulterklopfen empfing er Morawiecki am Dienstagabend zum Dinner.
       
       Journalisten mussten draußen bleiben, eine nichts sagende Pressemitteilung
       lobte die „freundschaftliche Atmosphäre“ und „konstruktive Debatte“. Der
       Streit um Rechtsstaat und Demokratie war Junckers PR-Leuten nur einen Satz
       wert.
       
       Dabei hätte die europäische Öffentlichkeit schon gerne gewusst, wie es mit
       der umstrittenen polnischen Justizreform und dem [1][historischen
       europäischen Sanktionsverfahren] weiter geht. Erstmals wird ein EU-Land mit
       dem Verlust des Stimmrechts bedroht.
       
       Kurz vor Weihnachten hatte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans das so
       genannte Artikel-Sieben-Verfahren eingeleitet. Theoretisch könnte es zur
       teilweisen oder vollständigen Entrechtung Polens in der EU führen.
       
       ## Autoritäre Ostfront steht
       
       Doch dazu wird es nicht kommen – denn dafür wäre Einstimmigkeit nötig, und
       Ungarn hat bereits ein Veto angekündigt. Die autoritäre und
       nationalistische Ostfront steht, das EU-Verfahren droht ins Leere zu
       laufen.
       
       Das wissen natürlich auch Timmermans und Juncker. Sie möchten eine Blamage
       vermeiden. Deshalb suchen sie nun nach einer goldenen Brücke, um eine
       Kampfabstimmung im Ministerrat – und die drohende Niederlage – zu
       vermeiden.
       
       Doch muss man deshalb gleich den roten Teppich ausrollen? Ist es wirklich
       ein Zeichen von Entspannung und Entgegenkommen, wenn Morawiecki kurz vor
       seinem Besuch in Brüssel [2][ein paar besonders EU-feindliche Minister
       feuert]?
       
       Eher schon sieht das nach einem Bauernopfer in Warschau aus – und nach
       einem Ablenkungsmanöver in Brüssel, wo man offenbar immer noch keine klare
       Linie gegen die autoritäre Bedrohung aus dem Osten gefunden hat.
       
       ## Keine Strategie erkennbar
       
       Timmermans und Juncker schwanken zwischen Drohung und Beschwichtigung,
       Eskalation und Entspannung. Eine Strategie steckt nicht dahinter. Nur der
       Wunsch, Polen in der EU zu halten, lässt sich aus dem Schlingerkurs
       herauslesen.
       
       Nach dem Brexit will Brüssel keinen weiteren Austritt riskieren. Zudem
       treibt Juncker die Sorge um, Polen und Ungarn könnten eine für Juni
       geplante Reform der europäischen Migrations- und Asylpolitik blockieren.
       
       Deshalb sucht man nun einen gesichtswahrenden Deal. Doch irgendwann wird
       sich die EU entscheiden müssen. Was ist wichtiger: den Laden
       zusammenzuhalten oder Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen? Es ist ein
       Alarmsignal, dass sich die Antwort nicht mehr von selbst versteht.
       
       10 Jan 2018
       
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