# taz.de -- Kommentar Regierungserklärung Polen: Der Puzzlespieler aus Warschau
       
       > Die EU ist für Polens neuen Premier nur ein Puzzle. Wichtiger als
       > Deutschland und Frankreich sind ihm Ost-Allianzen und die USA.
       
 (IMG) Bild: Von Kurswechsel keine Spur: Der neue Premier Morawiecki mit seiner Vorgängerin Szydlo
       
       Enttäuschend fiel die [1][erste große Rede von Mateusz Morawiecki] als
       neuer Premier Polens aus. Nach all den Vorschusslorbeeren auf ihn –
       europafreundlich, sprachgewandt und moderat- , hatten viele Polen zumindest
       die Andeutung eines Kurswechsels in der Regierungserklärung erwartet. Auch
       im Ausland hofften viele Politiker, dass der Neue den Ehrgeiz haben würde,
       Polens politische Rolle innerhalb der EU zu stärken. Doch statt eines
       selbstbewussten Bekenntnisses im Stile ‚Wir Polen und Europäer‘, hörten sie
       ein klägliches „Wir dürfen nicht auf unsere Identität verzichten“.
       
       Schon Morawieckis Aufruf an das „Liebe Europa!“ ließ im Unklaren, an wen er
       sich eigentlich wandte. Statt im sonst üblichen Bild vom gemeinsamen
       europäischen Haus oder der europäischen Familie zu bleiben, beschrieb der
       Ex-Banker und Multimillionär die Europäische Union als Puzzlespiel. Auch
       das polnische Teil passe hier gut hinein, so der 49-Jährige. Doch dürfe man
       es nicht „mit Gewalt einschlagen“, da dies nicht nur das polnische Teil,
       sondern auch das Gesamt-Puzzle zerstören würde.
       
       So überraschend der Vergleich der EU mit einem Puzzlespiel ist, so falsch
       ist er auch. Als Polen 2004 der EU beitrat, verpflichtete es sich, die
       gemeinsamen Clubregeln demnächst ebenfalls einzuhalten. Doch seit 2015 die
       nationalpopulistische Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Regierung in Polen
       übernahm, machen deren Politiker vor allem als Verfassungsfeinde und
       Gesetzesbrecher von sich reden. Europäische Rechtsstaatsverfahren, Klagen
       vor dem Europäischen Gericht und immer wieder Debatten im Europäischen
       Parlament und der Europäischen Kommission sind die Folge.
       
       ## Angeblich die Größten
       
       Als Wirtschafts- und Finanzminister dieser Regierung hat Morawiecki in den
       letzten zwei Jahren kräftig daran mitgewirkt, sein einst hoch angesehenes
       Land an die Peripherie der EU zu katapultieren. Mit dem Puzzle-Vergleich
       will Morawiecki verdecken, dass es Schuldige für das polnische
       Demokratie-Desaster gibt.
       
       Sein Rückgriff auf die Geschichte, die Polen angeblich als besonders
       demokratisches, tolerantes und freiheitsliebendes Land über andere
       europäische Länder erhebt, mag Balsam auf die Seelen derer sein, die ihr
       Selbstbewusstsein auf die Beurteilung anderer stützen. Doch die Attitüde
       „Wir sind die Größten“ ist für den Umgang mit Anderen wenig hilfreich.
       
       Deutschland erwähnt Morawiecki im außenpolitischen Teil seines
       Regierungsprogramms mit keinem Wort. Auch Frankreich kommt nicht vor.
       Ebenso wenig Russland, der große Nachbar Polens im Osten. Stattdessen setzt
       Polens neuer Premier auf die Zusammenarbeit mit Ungarn, Tschechien und der
       Slowakei, auf die „Drei-Meeres-Initiative“ und die „strategische
       Partnerschaft im Osten“, womit er die Ukraine und Georgien meint, aber auch
       das EU-Mitglied Litauen.
       
       Hauptverbündeter Polens bleibe die USA. Dass das US-State Department am
       gleichen Tag verkündete, es mache sich große Sorgen um die Medienfreiheit
       in Polen und die Unabhängigkeit der Gerichte, könnte ein Warnsignal sein,
       das die PiS tatsächlich ernst nimmt. Denn „den wichtigsten Bündnispartner“
       will Polen auf keinen Fall verlieren.
       
       13 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neuer-Ministerpraesident-in-Polen/!5470379/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Mateusz Morawiecki
 (DIR) Beata Szydło
 (DIR) PiS
 (DIR) Polen
 (DIR) Polen
 (DIR) Polen
 (DIR) Medien
 (DIR) Polen
 (DIR) Polen
 (DIR) Polen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Justiz in Polen: Sexualstraftäter am Pranger
       
       Seit dem 1. Januar sind alle Daten von Verurteilten online abrufbar. Der
       Minister begründet diese Maßnahme mit dem Schutz von Opfern.
       
 (DIR) Kommentar EU-Verfahren gegen Polen: Wenn zwei sich streiten
       
       Die EU eröffnet ein Strafverfahren gegen Polen. Der nationalpopulistischen
       PiS-Regierung ist das nur recht – sie strebt den „Polexit“ an.
       
 (DIR) Neuer Ministerpräsident in Polen: Eine „Regierung der Fortsetzung“
       
       Polens neuer Ministerpräsident Morawiecki will den rechtskonservativen Kurs
       des Landes fortsetzen. Die EU soll zudem Polens Eigenheiten akzeptieren.
       
 (DIR) Medien in Polen: Mit Geldstrafe auf Linie bringen
       
       Der Privatsender TVN24 soll umgerechnet 350.000 Euro zahlen. Er hatte 2016
       kritisch über Proteste gegen die Regierung berichtet.
       
 (DIR) Neuer Ministerpräsident in Polen: Mateusz Morawiecki vereidigt
       
       Nach Beata Szydlos Rücktritt in der vergangenen Woche wird der
       Nationalkonservative Morawiecki neuer Regierungschef. Finanzminister bleibt
       er weiterhin.
       
 (DIR) Polens Premierministerin tritt zurück: Nur eine Marionette Kaczyńskis
       
       Die Premierministerin Beata Szydło tritt ab. Jarosław Kaczyński, der
       Parteichef von „Recht und Gerechtigkeit“, bleibt der mächtige Mann in
       Polen.
       
 (DIR) Kommentar Szydlos Auschwitz-Rede: „Nie wieder“ instrumentalisiert
       
       Polens Premierministerin hält eine Skandalrede in Auschwitz. Sie stellt
       Kriegsflüchtlinge in eine Reihe mit neuen Nazis.