# taz.de -- Ausstellung zu Frauen in der Architektur: Sie baut ausnahmslos alles
       
       > Wie kaum eine andere Disziplin ist Architektur seit jeher eine
       > Männerdomäne. Eine Ausstellung zeigt, dass selbstverständlich auch Frauen
       > bauen.
       
 (IMG) Bild: Die Architektinnen Elisabeth von Knobelsdorff und Therese Mogger an der Technischen Hochschule München 1909/10
       
       Wenn die Hausfrau in der Küche steht und brutzelt, vorher Gemüse schnippelt
       und hernach alles flink in Töpfe wirft oder in den Ofen schiebt, dann hat
       sie dank dieser Erfindung mit oder ohne Beruf noch genügend Zeit für Kinder
       und den lieben Ehemann: So oder ähnlich wurde für sie argumentiert, für die
       Frankfurter Küche, Urtypus moderner Einbauküchen dieser Welt.
       
       Die gebürtige Wienerin Margarete Schütte-Lihotzky entwickelte die
       verschlankte Form der bis dato bekannten Küche 1926 für Ernst Mays
       Wohnprojekt Neues Frankfurt: Hängeschränke, Schiebetüren, ein schmaler
       Grundriss – alles sollte mit einem Handgriff erreichbar sein, die
       industrialisierte Arbeit stand Pate.
       
       Längst hat Schütte-Lihotzkys Frankfurter Küche den Olymp der Design- und
       Architektur-Moderne erklommen, über mangelnde Anerkennung konnte sie
       deutlich weniger klagen als viele ihrer in „Frau Architekt“ präsentierten
       Berufskolleginnen. Und trotzdem war jene Arbeit für Schütte-Lihotzky
       eigentlich ein Aushängeschild wider Willen: „Ich hatte mit Küche und Kochen
       nichts am Hut“, bekannte die Architektin später, „aber die Männer um mich
       herum haben mich halt zu dieser Aufgabe gedrängt.“
       
       Geschichten, die aktuell im Deutschen Architekturmuseum (DAM) präsentiert
       werden, handeln nicht selten von einer eventuell gar nicht absichtlichen
       Ignoranz: Für die kühle Eleganz von Cafés und Ausstellungsständen zeichnete
       Lilly Reich ebenso verantwortlich wie Mies van der Rohe, auch wenn ihr Name
       deutlich seltener im Fokus steht. Gesine Weinmiller wurde noch 1993 als
       Zweitplatzierte eines großen Wettbewerbs für die Assistentin von Norman
       Foster gehalten.
       
       ## Der Mythos der weiblichen Muster
       
       Interessanter sind aber Geschichten, die Misogynie als ein
       geschlechterübergreifendes Phänomen illustrieren: Über die
       Weiterbeschäftigung von Grit Bauer für ein von ihr entworfenen Wohn- und
       Atelierhaus musste gar ein Schiedsgericht entscheiden, weil einige der
       künftigen Bewohnerinnen, jawohl, einer Frau das Vorhaben nicht zutrauten.
       
       „Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architektenberuf“ lautet der
       Ausstellungs-Untertitel, dem man noch ein „aus oder in Deutschland“
       hinzufügen will, denn Namen wie Zaha Hadid, die aktuell wiederentdeckte
       Lina Bo Bardi oder auch die russische Raumfahrt-Architektin Galina
       Balaschowa kommen nicht vor (man findet sie allerdings im Kinder-Katalog).
       Letzterer widmete das DAM vor zwei Jahren eine eigene Retrospektive,
       ansonsten waren Architektinnen in führenden Positionen wie kaum
       überraschend auch im Museum eher unterrepräsentiert.
       
       Dabei baut, natürlich, auch die Frau. Ausnahmslos alles: Kirchen und
       Kibbuzim, Kindergärten und Planetarien, Wohnsiedlungen und Geschäftshäuser,
       Hochhäuser und Kulturzentren, Museen, Sportparks, Bundesbanken und gar den
       berüchtigten Berghof auf dem Obersalzberg. Gerdy Troost, die auf einem Foto
       im Gespräch mit Adolf Hitler vertieft zu sehen ist, hat die Innenräume
       nicht nur für dieses NS-Bauwerk entworfen.
       
       „Frau Architekt“ lässt die Erwartung, es müsse sich nur irgendwie ein
       genuin weibliches Muster oder eine weibliche Ethik ausmachen lassen, ins
       Leere laufen. Und dass die Frau zum Ornamentalen, zum liebevollen
       Schnörkelchen statt zur modernen Linie neige, wird ebenso schnell als
       Mythos ad acta gelegt.
       
       Zur Einstimmung ein paar Szenen aus dem Arbeitsalltag: eine Architektin mit
       Baby bei der Besprechung, Marlene und Hans Poelzig mit Kollegen
       biertrinkend im Wald; eine Architektin in kerniger Bauarbeiterkleidung, die
       andere erklimmt gerade im Bleistiftrock eine Leiter. Nicht wenige eignen
       sich die zu ihrer Zeit männlich konnotierten Moden und Verhaltensmuster an,
       tragen die Haare kurz und zurückgekämmt, die Kleidung nicht zu aufreizend
       und greifen zur Zigarre, um auf Augenhöhe mit ihren Kollegen zu bleiben.
       
       ## Im Ausstellungsdickicht
       
       Auf 22 Architektinnen wirft die detailreich kuratierte Schau ein
       Schlaglicht. Diese Stärke ist zugleich ihr Dilemma, denn der Einzelnen
       bleibt oft nur ein kurzes Aufblitzen vergönnt. Viel mehr kann es nicht
       sein, die Fläche im Haus ist bekanntlich begrenzt. Das produziert bisweilen
       unglückliche Bilder: An einer Längsseite des Ausstellungskubus reiht sich
       Tischchen an Tischchen, manchmal ist nicht zwei Meter Platz für ein ganzes
       Werk mit Biografie. Wer aber seine Vorstellungen abstreift, ein Vorhaben
       wie dies brauche unbedingt mehr Raum, dem bietet das Ausstellungsdickicht
       auf kleiner Fläche eine beeindruckende Materialsammlung.
       
       Was ändert sich am Status quo, 100 Jahre nachdem Frauen hier erstmals zum
       Architekturstudium zugelassen wurden? Die jungen Studentinnen, die in einem
       Video zu Wort kommen, bemerken nahezu keinen Unterschied zu ihren
       männlichen Kollegen – mit Ausnahme der Biologie: Die Option des Mutterseins
       lässt sich eben nicht wegdiskutieren, sehr wohl pragmatisch durch
       Betreuungsangebote erleichtern.
       
       „Frau Architekt“ bleibt exemplarisch bei ihren Protagonistinnen, von denen
       sich längst nicht jede als Vertreterin ihres Geschlechts definieren lassen
       möchte. Keine vorgegebene Narration führt durch die eng gepackte Schau, nur
       eine zeitliche Chronologie.
       
       Wer mehr erfahren möchte über Architektinnen wie Lotte Cohn, die das neue
       Tel Aviv entscheidend mitprägte, über die Westberliner Hochhausbauerin
       Sigrid Kressmann-Zschach oder die wunderbare Ingeborg Kuhler, kann zum
       Katalog greifen: Er geht biografisch, politisch und historisch in die
       Tiefe. Hier ist die Recherche der Kuratorinnen hinterlegt, aus der die
       Ausstellung eine Quintessenz zeigt.
       
       2 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina J. Cichosch
       
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