# taz.de -- Wohnraumversorgung von Flüchtlingen: Mietstatus „Fehlbeleger“
       
       > Viele anerkannte Flüchtlinge leben wegen der Wohnungsnot weiter in
       > Gemeinschaftsunterkünften. Auf dem Land gäbe es mehr Platz.
       
 (IMG) Bild: Hoffentlich etwas Privatsphäre: Flüchtlingswohnanlage in Ingelheim
       
       Berlin taz | Es kann auch gut laufen. Zum Beispiel bei der fünfköpfigen
       Familie R. aus Syrien, die im Herbst 2015 in eine kleine
       Gemeinschaftsunterkunft nach Halle (Saale) kam. Sie lebte dort zwar nur in
       einem Zimmer, verfügte aber immerhin über eine eigene Kochnische und ein
       eigenes Bad. Einige Monate später erhielt die Familie von der Stadt eine
       Dreizimmerwohnung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Inzwischen sind
       alle als Flüchtlinge anerkannt und werden demnächst einen regulären
       Mietvertrag erhalten.
       
       Das Beispiel aus einer Gegend mit entspanntem Wohnungsmarkt gilt als
       Musterfall in einer vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
       (BBSR) herausgegebenen Studie. Die Analyse beschäftigt sich mit der
       Wohnraumversorgung von Flüchtlingen. Fazit: Die Wohnraumsuche kommt nur für
       einen Teil der anerkannten Flüchtlinge gut voran. Viele Leute in Regionen
       mit engem Wohnungsmarkt müssen sich hingegen in improvisierten Wohnformen
       einrichten und weiterhin in Heimen leben.
       
       In Gemeinschaftsunterkünften, in denen eigentlich keine anerkannten
       Flüchtlinge leben sollen, sondern nur Menschen im Asylverfahren, beträgt
       der Anteil der Anerkannten nichtsdestotrotz 45 Prozent. Das ergibt sich aus
       den Daten der zehn Fallstudien, die unter anderem Halle (Saale), Hannover,
       Kiel, Kassel, Heilbronn, Köln, Mainz, den Landkreis Haßberge und
       Neubrandenburg abdecken. Leute mit Schutzstatus gelten in
       Gemeinschaftsunterkünften als „Fehlbeleger“, denn eigentlich sollten sie in
       eigenen Wohnungen leben, meist finanziert vom Jobcenter.
       
       Unter den Geflüchteten sind viele alleinreisende Männer oder auch große
       Familien. Engpässe gebe es im Bereich „kleiner Wohnungen für
       Einpersonenhaushalte und großer Wohnungen mit mehr als vier Zimmern“, heißt
       es in der Analyse. „Männer-Wohngemeinschaften“ werden von den Geflüchteten
       nicht unbedingt angestrebt. „Offenbar ist der Wunsch, individuell zu leben,
       nach der langen Zeit fehlender Privatsphäre sehr groß“, schreiben die
       Forscher.
       
       ## Unerfreuliche Wohnkarriere
       
       Oft haben die Geflüchteten eine unerfreuliche Wohnkarriere hinter sich. In
       den Unterbringungsformen machen die Forscher eine Hierarchie aus. Ganz
       ungünstig sind Gemeinschaftsunterkünfte, etwa mit Einheiten von sechs
       Schlafplätzen in einem Raum ohne Sichtschutz und ohne eigene
       Kochmöglichkeit und mit Waschräumen, in denen man nicht mal seine eigene
       Zahnbürste verwahren kann.
       
       Etwas besser sind Unterkünfte mit Gemeinschaftsküche. Dann folgen
       Wohneinheiten, in denen man zwar selbst kochen und die Lebensmittel
       aufbewahren kann, sich aber die MitbewohnerInnen nicht aussuchen darf. Die
       eigene Wohnung mit eigenem Mietvertrag bleibt das wichtigste Ziel.
       
       In ländlichen Gebieten gibt es mehr Hoffnung, dafür fehlt dort
       Infrastruktur. Im Hofheimer Land in Bayern beispielsweise existierte nur
       übergangsweise eine Gemeinschaftsunterkunft und ansonsten gibt es dort
       ausreichend Mietwohnungen für Geflüchtete. Das Problem: Die Leute haben
       kein Auto und die Busverbindungen sind schlecht. Es ist schwer, zu
       Deutschkursen, zum Einkaufen oder in die nächste Moschee zu kommen. „Viele
       Bürger übernahmen ehrenamtlich Fahrdienste“ für die Geflüchteten, heißt es
       in der Studie zu dieser Region.
       
       In den Großstädten findet man die erwartete Segregation. Obwohl in der
       lokalen Politik anderes behauptet wird, entstanden nur wenige
       Gemeinschaftsunterkünfte in Wohngebieten mit einer einkommensstarken
       Bewohnerschaft, resümierten die Forscher etwa am Beispiel Köln.
       
       18 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Geflüchtete
 (DIR) Wohnungsmarkt
 (DIR) Freiburg
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Türkei
 (DIR) Asylverfahren
 (DIR) Asylsuchende
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Freiburger Mord-Prozess gegen Hussein K.: Die Stimmung ist nicht gekippt
       
       In Freiburg läuft der Prozess gegen einen Flüchtling, der eine Studentin
       ermordet haben soll. Stimmungsmache gegen Migranten blieb in der Stadt aus.
       
 (DIR) Obdachloser über einen Kampfbegriff: „Heimat ist teilbar!“
       
       Für 92 Prozent der Deutschen ist das Wort Heimat positiv besetzt. Was
       bedeutet Heimat für Menschen, die kein Zuhause haben?
       
 (DIR) Türkische Asylbewerber in Deutschland: BAMF-Mitarbeiter unter Spitzelverdacht
       
       Mehr als 600 türkische Staatsbeamte haben in Deutschland im vergangenen
       Jahr Asyl beantragt. Dolmetscher der Asylbehörde sollen für die Türkei
       gespitzelt haben.
       
 (DIR) Politische Willkür bei Asylverfahren: Regierung handelt destruktiv
       
       Jedes Bundesland entscheidet anders über Asylbewerber. Das ist der Beweis
       für Willkür. Die raubt Geflüchteten das Gefühl von Handlungsmacht.
       
 (DIR) Asylbewerber in Sachsen: Fantasie statt Duldung
       
       Der Flüchtlingsrat Sachsen kritisiert fiktive Papiere, die für Asylbewerber
       vergeben werden. Ihre Verfahren laufen in einem anderen Ankunftsland.
       
 (DIR) Flüchtlinge in Griechenland: Ganz normaler Ausnahmezustand
       
       In Griechenland hat sich an den katastrophalen Lebensbedingungen für
       Flüchtlinge bisher wenig geändert. Nun naht der Winter.