# taz.de -- Offener Brief an Gauland: „Sie machen sich mitschuldig“
       
       > Unser Gastautor ist Deutscher mit Migrationshintergrund. Seine Meinung zu
       > Gaulands Relativierung von NS-Verbrechen fällt deutlich aus.
       
 (IMG) Bild: Gehört zur deutschen Geschichte: das KZ in Auschwitz und die Erinnerung daran
       
       Herr Gauland,
       
       für gewöhnlich beginne ich einen Brief mit einer höflichen Anrede. Aufgrund
       Ihrer Parteizugehörigkeit und rassistischen Äußerungen, kann ich Ihnen
       diese Ehre nicht mehr guten Gewissens erweisen.
       
       Ich heiße Said Rezek und bin 1986 in Deutschland geboren. Viele Ihrer
       Anhänger würden mich wahrscheinlich als Passdeutschen bezeichnen, weil in
       mir kein deutsches Blut fließt. Außerdem bin ich Muslim und meine Vorfahren
       stammen aus einem anderen Kulturkreis und Kontinent. Aber im Gegensatz zu
       Ihnen und ihren Parteifreunden stehe ich zu unserer deutschen
       Vergangenheit, mit all ihren Höhen und Tiefen.
       
       [1][Sie sagten öffentlich]: „Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr
       vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Und das
       sprechen wir auch aus.“ Mit „uns“ meinen Sie höchstwahrscheinlich das
       deutsche Volk. Und mit „zwölf“ Jahren das Dritte Reich unter der Führung
       Adolf Hitlers.
       
       Ich weiß nicht, ob Ihre direkten Verwandten in der Wehrmacht gedient haben
       oder nicht. Ob sie das dritte Reich in irgendeiner Form bekämpft oder
       unterstützt haben. Selbst wenn Ihre direkten Vorfahren zu den Befürwortern
       des Dritten Reichs gehörten, tragen Sie, Herr Gauland, keine individuelle
       Verantwortung für die Gräuel während des zweiten Weltkriegs. Mit Ihren
       jüngsten Äußerungen machen Sie sich jedoch Jahrzehnte später mitschuldig,
       indem Sie das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte aus unserem
       Gedächtnis auslöschen möchten.
       
       Als Deutsche tragen wir eine kollektive Verantwortung und Sie können sich
       dieser nicht entziehen. Das sieht die überwiegende Mehrheit der Deutschen
       glücklicherweise genauso, mich eingeschlossen. Und das obwohl meine Eltern
       erst nach 1945 in Deutschland eingewandert sind. Lassen Sie sich von einem
       Mitbürger mit Migrationshintergrund eines gesagt sein:
       
       Wer Deutschland auf das Dritte Reich reduziert, wird der deutschen
       Geschichte nicht gerecht. Wer aber die Erinnerungskultur und Aufarbeitung
       der Gräueltaten aus dem Nationalsozialismus zu beenden versucht, ist feige
       und eine Schande für die Bundesrepublik. Die beiden Weltkriege und die
       deutsche Verantwortung werden immer einen Teil unserer Identität ausmachen.
       
       Wenn Sie das leugnen, gehören Sie nicht in den Bundestag, sondern in den
       Geschichtsunterricht. Das sage ich Ihnen als deutscher Muslim.
       
       15 Sep 2017
       
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